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Wüstenausbildung

Immer intensiver und professioneller müssen sich Soldaten des Österreichischen Bundesheeres auf die verschiedensten Einsatzszenarien in den unterschiedlichsten Gebieten der Erde vorbereiten. In den tropischen Dschungelgebieten von Belize wurden ebenso Erfahrungen gesammelt, wie kürzlich im Wüstenklima der Vereinigten Arabischen Emirate.

Vor fast dreißig Jahren verbrachten rund 500 österreichische Soldaten ein Jahr in den Sandwüsten Ägyptens und in der Steinwüste am Golan. Schlechte Ausrüstung, das zeitweise Ausbleiben des Nachschubs, Brüche des Waffenstillstandes, die fehlende Infrastruktur, Minenunfälle, Sandstürme, keine Post, keine Verbindung zur Heimat, ständiger Wassermangel, unglaubliche hygienische Verhältnisse, Insektenplage und eine allgemein unsichere Lage waren einige der Probleme, mit denen die Soldaten des Österreichischen Bundesheeres damals konfrontiert waren.

Wüsteneinsätze dieser Art gab es seit 1974 nicht mehr. In Hinblick auf das zukünftige Aufgabenspektrum des Bundesheeres wurde es notwendig Ausbildungskooperationen auch mit "Wüstenstaaten" einzugehen.

Der Auftrag zur Ausbildung in der Wüste

Gemäß dem Auftrag des Bundesministeriums für Landesverteidigung plante und führte der Kommandant des Panzergrenadierbataillons 35 vom 18. 11. bis 22. 12. 2005 als Kontingentskommandant die Ausbildung und die Teilnahme von 16 Soldaten des Österreichischen Bundesheeres im Rahmen einer Ausbildungskooperation mit den VAE in Abu Dhabi am Übungsplatz Al Hamra durch. Damit sollten Erkenntnisse in logistischer, gefechtstechnischer und taktischer Hinsicht gewonnen sowie Erfahrungen bezüglich des Überlebens im Wüstenklima für das Österreichische Bundesheer gesammelt werden. Um möglichst rasch das gegenseitige Vertrauen aufzubauen, war das österreichische Kontingent in einen Verband der VAE-Armed Forces (VAE-AF) zu integrieren.

Die Vorbereitung

Zur Erfüllung des Auftrages wurden in Österreich aus der mechanisierten und infanteristischen Truppe Offiziere und Unteroffiziere ausgewählt, welche in ihren Waffengattungen (Panzergrenadiere, Artillerie, Panzer, Jäger) schon Erfahrungen in Auslandseinsätzen gemacht hatten. Den Kern dieser Truppe bildeten dabei Soldaten des Panzergrenadierbataillons 35, welches auch für die logistische Seite der Wüstenausbildung verantwortlich zeichnete. Weiters wurde bereits im Vorfeld der eigentlichen Vorbereitung ein arabisch sprechender Offizier angefordert sowie ein Unteroffizier aus dem Ruhestand reaktiviert (mit Sondervertrag und Uniformtrageerlaubnis), der ebenfalls der arabischen Sprache mächtig war und bereits in seiner aktiven Dienstzeit Erfahrungen im arabischen Raum gesammelt hatte.

Das Panzergrenadierbataillon 35 stellte im Rahmen der Gesamtorganisation auch die einwöchige Vorbereitungsphase in Großmittel sicher. Während dieser Woche standen folgende Punkte auf dem Dienstplan: - die Anreise der Kontingentsteilnehmer sowie die Begrüßung und die Einweisung in das geplante Vorhaben; - das Ausfassen des Gerätes, der Bekleidung und der sonstigen Ausrüstung; - die medizinische Untersuchung im Heeresspital Wien und die Ergänzung des Impfpasses; - die Einweisung der Jäger in den Schützenpanzer Ulan; - die medizinische Unterweisung und Verhaltensregeln durch den Kontingentsarzt; - die allgemeinen Verhaltensregeln für den Aufenthalt im Gastland und eine Einweisung in das Land selbst durch Angehörige des Heeresnachrichtenamtes sowie durch die beiden Soldaten mit "arabischer" Erfahrung, welche dem Kontingent angehörten; - der Informationsunterricht durch die Zollbehörde; - das Anschießen der Waffen; - die Übernahme eines für die Wüste modifizierten Puch G; - das Verladen der gesamten Ausrüstung in die C-130K "Hercules" in Linz und - das Teambuilding.

Obwohl die VAE in den Großstädten einen westlichen Eindruck vermitteln, ist die Bevölkerung massiv in den islamischen Traditionen verhaftet. Daher war bei den Teilnehmern in der Vorbereitung auch besonders das "Benehmen im arabischen Raum" zu schulen.

Die Anreise

Kurz vor dem geplanten Abflug verzögerte sich die Abreise des Kontingents um drei Tage, da aufgrund der Ramadan-Feiertage in den VAE niemand anwesend war, der das entscheidende Memorandum of Understanding (MOU) unterschreiben konnte. Am 18. November 2005 wurde schließlich mit einer "Hercules" von Linz-Hörsching nach Abu Dhabi auf den Militärflughafen Al Bateen, und von dort aus weiter ins Wüstencamp Al Hamra verlegt.

Das Camp Al Hamra (ähnlich dem Lager Kaufholz in Österreich), 280 Kilometer südlich von Abu Dhabi, diente dem Kontingent als Basis für alle weiteren Aufträge.

Camp Al Hamra

Die erste Woche verbrachten die Soldaten bis auf einige kleine Ausflüge und Erkundungen vorwiegend im Camp Al Hamra. Diese Woche war auch nötig, um sich einigermaßen zu akklimatisieren, erreicht die Temperatur in dieser Region Mitte November immer noch Spitzen von bis zu 40o Celsius. Das Camp selbst stellte sich als überaus brauchbares Quartier dar. Es weist eine hervorragende Infrastruktur auf und liegt weit über dem Niveau westlicher Kasernen. Um logistische Probleme im Camp Al Hamra zu lösen, benötigt man unbedingt einen Verbindungsmann. Probleme können vor allem in Bezug auf die Sicherheit (Geheimhaltung), die Verständigung und in Bezug auf Zuständigkeiten entstehen. Von 1200 bis 1600 Uhr war das Camp-Personal nicht erreichbar. Aber abgesehen davon sind die lokalen Bediensteten dank ihrer Gastfreundlichkeit sehr umgänglich und zuvorkommend.

Im Camp selbst sind an mehreren Orten Unterkünfte verfügbar. In der Kaserne wurden für ausländische Soldaten zwei spezielle Unterkunftsgebäude nahe dem Speisesaal errichtet. Ein Gebäude hat eine Kapazität von 64 Zimmern für je vier Unteroffiziere pro Zimmer und 16 Unterkünfte inklusive Badezimmer für je zwei Offiziere pro Zimmer. Die gesamte Kapazität dieser Gebäude umfasst zirka 500 Personen. Büroräume befinden sich ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Speisesaales. Der Bürokomplex ist in drei Abschnitte unterteilt. Hinter jedem abschließbaren Haupteingang gibt es 14 Büroräume - ohne Büroeinrichtung - aber mit Klimaanlage.

Zusätzlich befindet sich im Camp: - eine zivile Tankstelle; - eine Großküche; - eine eigene Wäscherei; - Gebäude für die Einrichtung von Bataillons- und Brigadestäben für übende Verbände; - eine Krankenanstalt; - ein Freizeitgebäude; - ein Computerraum; - eine Meerwasserentsalzungsanlage; - Wirtschaftsgebäude; - Werkstätten und - Kommandogebäude.

Die Ausbildung in der Wüste

Das Kontingent war 16 Soldaten stark und wie folgt gegliedert: - Kommandotrupp; - Logistiktrupp; - Kampfgruppe.

Der Zeitraum dieser ersten Ausbildungskooperation mit den VAE richtete sich vor allem nach dem Ramadan, weil während des Ramadan keine Übungstätigkeiten in den VAE stattfinden. Als Übungszeitraum waren die Monate November und Dezember jedoch ideal, weil dadurch die Akklimatisierungsphase in den VAE kürzer gehalten werden konnte. Somit konnte aber auch nur eine bedingte Beurteilung der körperlichen Belastung in heißen Klimazonen getroffen werden, weil die Temperaturen während des Einsatzzeitraumes maximal 40o Celsius erreichten.

Nachdem die Kontingentsteilnehmer bei einem offiziellen Essen im Offizierszelt des eigentlichen Wüstencamps vorgestellt und den jeweiligen VAE-AF-Kommandanten zugewiesen wurden, bezog das Kontingent die Zelte, welche vor allem den Soldaten der Kampfgruppe für die nächsten vier Wochen als Heim dienen sollten.

Die ersten Tage waren weniger angenehm, da die Temperatur in der Nacht nicht merklich abfiel. Im Verlaufe der nächsten Woche sollte sich das aber ändern. In der letzten Woche betrug die Temperatur im Wüstencamp um 0600 Uhr morgens nur mehr plus elf Grad - für die dortigen Soldaten fast schon arktische Bedingungen!

Die Teams des Kontingents hatten verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Im Vordergrund stand jedoch das "Sammeln von Erfahrungen".

Die vorrangige Aufgabe des Kontingentskommandanten war es, mit seinem Dolmetscher für die Rahmenbedingungen der Ausbildung, für Absprachen, Kontakte und für die Anwesenheit bei offiziellen Anlässen auf Bataillonsebene und darüber hinaus zu sorgen.

Der Logistiktrupp hatte den Auftrag, alles Wissenswerte für eine mögliche Ausbildung eines österreichischen Verbandes in diesem Wüstencamp zu erkunden. Hier wurden natürlich auch alle Möglichkeiten der Versorgung, der Instandsetzung oder beispielsweise der Verbindung nach Österreich genau überprüft.

Die Ausbildung der Kampfgruppe fand tagsüber immer zwischen 0700 und 1300 Uhr statt. Stand Nachtausbildung auf dem Dienstplan, begann diese erst um 1800 Uhr, um der Tageshitze auszuweichen. Jeder österreichische Soldat nahm bei seinem "Counterpart" an der dortigen Ausbildung des Bataillons teil. So wurden unter anderem der Angriff, die Verteidigung und die Verzögerung mit den Schützenpanzern BMP-3 geübt (Zugs- bis Bataillonsausbildung). Bei der Nachtausbildung wurden nur Infanteriethemen wie der gesicherte Marsch, das Orientieren, die Aufklärung und der Angriff ohne Gefechtsfahrzeuge geübt. Während der ausbildungsfreien Zeit wurden im eigenen Bereich, ohne VAE-Soldaten, Themen wie Leben in der Wüste, Märsche mit eigener Ausrüstung, Wassergewinnung sowie Orientieren mit und ohne GPS durchgeführt. Auch der Sport kam nicht zu kurz.

Weitere Ziele der Ausbildung waren: - die Teilnahme an Gefechtsschießen der VAE-Armee; - die Durchführung eines eigenen Schießens mit den österreichischen Infanteriewaffen; - das Fahrtraining mit dem Puch G und den dortigen Fahrzeugen (Tatra und "Hummer"); - das Orientierungsfahren in der Wüste mit dem "Hummer" mit und ohne GPS; - eine Aufklärungsübung auf Fahrzeugen und zu Fuß; - ein "Wüstenbiwak" mit anschließendem Gepäckmarsch ohne GPS in der Sandwüste; - die Erprobung der Mannesausrüstung der VAE-AF.

Erholung

Durch eine Anordnung des Bataillonskommandanten der VAE-AF, wurde es den Angehörigen des österreichischen Kontingents nicht erlaubt, ein Wochenende in der Wüste oder im Camp Al Hamra zu verbringen. So wurden wir an den Wochenenden in so genannten "Partnerhotels" der VAE-AF untergebracht. Diese Partnerhotels sind gewöhnliche Hotels für Touristen, jedoch mit besonderen Konditionen für Angehörige der Armee. Der Höhepunkt der Erholung war jedoch der abschließende Aufenthalt in Dubai. Dort wurden Museen besichtigt und Luxushotels bewundert. Darüber hinaus wurden ein Ausflug auf einen der wenigen Berge, ein Kulturprogramm und offizielle Essen bei hohen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens organisiert und durchgeführt. Es stand jedoch auch noch genügend Zeit zur freien Verfügung, die die österreichischen Soldaten meist am Strand oder am Pool verbrachten. Einen besonderen bleibenden Eindruck hat hier der überall sichtbare Reichtum der VAE hinterlassen.

Die Rückreise nach Österreich

Nachdem das österreichische Kontingent offiziell verabschiedet worden war, verlegte es nach Abu Dhabi in den "Officers Club". Am darauf folgenden Tag erfolgten die letzten Verladetätigkeiten in der "Hercules". Um 1300 Uhr Lokalzeit konnte das Kontingent den Heimflug antreten. Der Flug dauerte bis 23 Uhr nachts. Mit der Zeitverschiebung hatten wir zwölf Stunden Flugzeit, die mit einer Zwischenlandung in Damaskus zum Auftanken unterbrochen wurde. Nach der Ankunft in Linz wurde entladen, die Zollformalitäten abgewickelt und nach Grossmittel zurückverlegt.

Nachdem am 22. Dezember die letzten organisatorischen Maßnahmen durchgeführt worden sind, konnten danach die Kontingentsteilnehmer in ihre Heimatgarnisonen entlassen werden.

Eckpunkte zukünftiger Kooperationen

Der Übungsplatz Al Hamra mit der dazugehörigen Kaserne weist eine hervorragende Infrastruktur auf und eignet sich ausgezeichnet für die Ausbildung unter Wüstenbedingungen. Um diese Möglichkeiten nutzen zu können, müssen allerdings alle Anträge rechtzeitig gestellt werden; außerdem ist ein Vorkommando notwendig. Die primäre Aufgabe des Vorkommandos sollte neben der Durchführung organisatorischer Aufträge vor allem die Umsetzung vertrauensbildender Maßnahmen sein.

Da die Armee der VAE erst im Aufbau begriffen ist, sollte man für zukünftige Ausbildungskooperationen von der Integration eines österreichischen Kontingents in einen Verband der VAE-AF Abstand nehmen. Stattdessen sollte man möglichst rasch versuchen, eigene Ausbildungsvorhaben und Geräteerprobungen in Anlehnung und Abstützung an die Infrastruktur der VAE-AF und unter Anleitung/Begleitung von Angehörigen der VAE-AF durchzuführen.

Der gesellschaftliche Stellenwert von Offizieren und auch von den wenigen Unteroffizieren ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein anderer als in Österreich. Offiziere stehen in der Rangordnung an zweiter Stelle nach den Familien der Emirs. Dies sollte bei einem Gegenbesuch in Österreich berücksichtigt werden.

Trotz oder gerade aufgrund der arabischen Gastfreundschaft muss man mehrere Tage mit vertrauensbildenden Maßnahmen verbringen. Ohne persönliche Kontakte zu Personen im Umfeld von Generälen oder Familien der Emirs werden keine Entscheidungen getroffen. Für eine Weiterführung der Kooperation ist es zielführend, vom jeweils letzten Kontingent Schlüsselpersonal - zumindest für das Vorkommando - mitzunehmen.

Für Interessierte wird hier auf den offiziellen "Erfahrungsbericht, Ausbildungskooperation mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE)", hingewiesen, der über die 3.VE oder über den Dienstweg (ZL: 796-0940/01/2006 vom 23. 02. 2006) erhältlich ist.

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Ein Tagesablauf der Kampfgruppe im Wüstencamp Al Hamra

Um 0545 Uhr erschallt das Gebet des Muezzins über die Lautsprecher des Gebetszelts im Camp und in die umliegende Wüste. Die eigentliche Tagwache findet erst um 0600 Uhr statt. Also bleibe ich noch ein wenig in meinem Feldbett liegen. Wie an jedem Morgen seit einer Woche ist es - auch im Vergleich mit der Tageshöchsttemperatur - an diesem Morgen eher kühl, obwohl die Temperatur 11o Celsius beträgt. Schließlich ist es Zeit, aufzustehen.

Der erste Blick wandert über den Boden des Zeltes zu den Sandalen, um sich zu vergewissern, dass keine unliebsamen Gäste wie z. B. Skorpione während der Nacht zu Besuch gekommen sind. Danach nehme ich meine Uniform von den Schnüren, die quer durchs Zelt gespannt sind. Obwohl wir alles aufhängen - auch die Schuhe - wird alles ausgeschüttelt und auf giftige Tiere untersucht. Wie ich meine klamme Uniform anziehe, kann ich erahnen, dass die Luftfeuchtigkeit heute wieder bei etwa 80 Prozent liegen wird.

Wie ich aus dem Zelt trete, steht die Sonne bereits in voller Pracht ganz tief am Horizont. Nur durch den starken Nebel kann man den direkten Anblick dieses roten "Feuerballs" bewundern. Bevor ich den Waschplatz aufsuche, besuche ich unsere provisorische "Wassergewinnungsanlage", die wir als kleines Experiment aufgebaut haben. Dieses Mal hat es funktioniert. Der dichte Nebel lässt die Wasserperlen auf der abgespannten Plastikfolie richtig tanzen, die dann, wenn sie groß genug sind, in den Trichter rinnen. Für Notfälle wäre damit Wasser in kleinen Mengen durch Kondensation zu gewinnen.

Nach der Körperpflege wird die Zeltordnung hergestellt und man trifft sich mit den anderen Teilen des Kontingents am Antreteplatz der "Zeltstadt".

Um 0700 Uhr findet die Standeskontrolle der VAE-Soldaten statt. Diese ist recht aufwändig und spektakulär (nach englischem Vorbild) und dauert einige Zeit. Schließlich wird dem Bataillonskommandanten gemeldet, der seine Soldaten begrüßt und anschließend den Tagesablauf mit seinen Offizieren bespricht. Als nach gut zwanzig Minuten die Befehlsausgabe beendet ist, treffe ich mich heute zum ersten Mal mit meinem "Counterpart", dem Zugskommandanten eines BMP-3-Zuges.

Nach einem kurzen Auftrag an seine Unteroffiziere gehe ich zusammen mit den anderen Soldaten unserer Kampfgruppe, die in dieser Kompanie eingeteilt sind, in das Zelt des VAE-AF-Kompaniekommandanten, um einen Tee zu trinken.

Wenige Minuten später stehe ich im Panzer des Zugskommandanten und warte auf das Zeichen für den Abmarsch. Das Bataillon verlässt im dichten Nebel den Nahbereich des Wüstencamps und fährt in das zugewiesene Übungsgelände in die Wüste hinaus. Jetzt ist die Fahrt noch angenehm, da durch den Nebel und den Fahrtwind bei offener Luke die Temperaturen erträglich sind. Als wir nach einer halben Stunde unser Übungsgelände erreichen, hat sich der Nebel aufgelöst und die Sonne steht bereits hoch am Himmel. Der Anblick ist gewaltig. Mehr als 60 Schützenpanzer befinden sich im Übungsraum.

Der VAE-AF-Zugskommandant sagt, dass heute mit Temperaturen bis 40o Celsius zu rechnen ist. Nachdem wir im Übungsgelände angekommen sind, lässt der Kompaniekommandant die Züge im Viereck zur Sicherung aufstellen und die Kommandanten hasten zum Führungspanzer, wo der Kompaniekommandant bereits einen Geländesandkasten für die Befehlsausgabe vorbereitet hat.

Der Ablauf unterscheidet sich bis jetzt nicht grundsätzlich von den Abläufen in Österreich und der Auftrag für die Kompanie ist klar: Angriff.

Ich gehe zu unserem Schützenpanzer zurück. Dort angekommen wird der Enthusiasmus jedoch jäh durch das ankommende Versorgungsfahrzeug mit dem Frühstück unterbrochen. Die gesamte Mannschaft zieht sich in die Schatten der Kampffahrzeuge zurück, und beginnt zu essen. Es gibt ein hart gekochtes Ei, pro Mann zwei Stück gefüllte Fladenbrote (eingerollt und eingepackt in ein Stück normales Schreibpapier) und einen Becher mit Trinkwasser. Nach dem Frühstück beginnt die geplante Übung.

Die VAE-AF geht streng nach den russischen Einsatzrichtlinien vor; sowohl der Angriff selbst als auch die Geschwindigkeit und die Gefechtstechnik unseres Zuges sind daher für mich eher enttäuschend. Wirklich interessant wird es, als der Befehl zum Schließen der Luken durchgegeben wird. Hier erweist sich der Schützenpanzer BMP-3 jedoch als nicht benutzerfreundlich.

Eine fehlende Absaugvorrichtung im Kampfraum, die bereits herrschende große Hitze und die langsame Geschwindigkeit beim Angriff lassen mich mit tränenden Augen und gegen die aufkommende Übelkeit kämpfend (Abgase im Kampfraum), die nächste Phase, den Einbruch ins Angriffsziel, miterleben.

Gegen 1300 Uhr bin ich endlich mit dem Zug zurück im Camp. Die Fahrzeuge werden überprüft und ich unterhalte mich noch einige Zeit mit dem Zugskommandanten über den heutigen Übungstag, bevor ich mich für das Mittagessen im Offizierszelt vorbereite. Nach einer kurzen kalten Dusche im Duschcontainer nehmen wir das Mittagessen ein und gehen danach zur Mittagsruhe über. Mittlerweile ist es so heiß, dass die Ausbildung aller übenden Teile eingestellt ist.

Heute steht noch eine Nachtausbildung auf dem Dienstplan; sie beginnt um 1800 Uhr. Wenn keine Nachtausbildung auf dem Dienstplan vorgesehen ist, dann haben wir, soweit es die Hitze zulässt, bis zum Abendessen Zeit für Sport.

Für den heutigen Abend steht die Aufklärung von mehreren Geländepunkten auf dem Programm. Geländekarten gibt es keine, dafür können wir uns in aller Eile eine Marschskizze anfertigen und die Koordinaten der aufzuklärenden Punkte eintragen. Kurz nach dem Start gelingt es meiner Gruppe auch schon, den ersten Punkt zu gewinnen. Der nächste Punkt ist etwas weiter entfernt und nach Einbruch der Dunkelheit ist es mit dem Gelingen auch schon vorbei. Das Gelände, ohne nennenswerte Erhebungen oder markante Geländeteile ist sehr schwierig, und trotz Aktivierung des GPS gelingt es uns nicht, den zweiten Punkt im Gelände zu finden. Die Schuld geben wir der eher ungenau abgezeichneten Marschskizze. Nach weiteren erfolgreichen Versuchen, die anderen Punkte zu gewinnen, treffen wir um 2100 Uhr wieder im Wüstencamp ein.

Für das Abendessen umgezogen gehe ich zusammen mit dem Kommandanten unserer Kampfgruppe ins Offizierszelt. Bereits jetzt tauschen wir unsere Erfahrungen aus und überlegen Strategien, wie man mit infanteristischen Kräften die erkundeten Geländeteile, trotz der offenen Weiten und der fehlenden Deckungsmöglichkeiten, angreifen könnte. Im Offizierszelt sprechen wir noch lange Zeit mit den anderen Kontingentsteilnehmern und mit den VAE-Offizieren über unsere Erfahrungen. Vor der Nachtruhe wird das Zelt noch einmal gründlich auf Tiere untersucht und bevor ich mich hineinlege, schüttle ich meinen Schlafsack kräftig aus. Im Feldbett liegend, lasse ich dann nochmals den Tag an mir vorbeiziehen und stelle überrascht fest, dass ich fast zehn Liter Wasser getrunken habe. Voller Erwartung auf den nächsten Tag in der Wüste schließe ich meine Augen, und stelle mich darauf ein, dass mich das Gebet des Muezzins um 0545 Uhr wieder aufwecken wird.

___________________________________ ___________________________________ Autoren: Oberstleutnant Günter Leitner, Jahrgang 1958; Einrückungstermin Oktober 1978; 1983 Ausmusterung als Lehrzugskommandant an die Theresianischen Militärakademie; 1986 stellvertretender Jahrgangskommandant & Lehrzugskommandant; 1988 Kommandant 3. Kompanie AUSBATT/UNDOF; 1989 Versetzung zum Panzergrenadierbataillon 35 als Kompaniekommandant; 1993 Kommandant der Stabskompanie beim AUSBATT/UNDOF; 1994 S4 und stellvertretender Bataillonskommandant im Panzergrenadierbataillon 35; seit August 1999 Kommandant des Panzergrenadierbataillons 35.

Leutnant Mag. (FH) Roché Fruhmann, Jahrgang 1978; Einjährig-Freiwilligen-Kurs I in Graz; Einjährig-Freiwilligen-Kurs II in Wiener Neustadt; Zentrum Jagdkampf, danach Truppenverwendung in der Ausbildungskompanie des Jagdkommandos; Ausmusterung 2005 als Infanterieoffizier zum Jägerbataillon 18; seit Oktober 2006 stellvertretender KIOP-Kompaniekommandant.

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