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Neue Wege in der Erwachsenenbildung im Östereichischen Bundesheer

"Das Bundesheer ist die größte Bildungseinrichtung in Österreich." Mit dieser Behauptung verblüfft man sogar in den eigenen Reihen, vor allem aber Personen aus dem zivilen Bereich. Das Österreichische Bundesheer bietet als Arbeitgeber seinen Bediensteten - vom Lehrling bis zum Akademiker - eine Vielzahl von Bildungsmöglichkeiten an. Keine andere öffentliche Institution in Österreich kann diesem Anspruch gleichermaßen gerecht werden. Dieser Anspruch beinhaltet auch einen Paradigmenwechsel in der Lernkultur - weg von einer lehrerzentrierten hin zu einer lernerzentrierten Bildung.

Beinahe in jedem Teilbereich des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) wird qualifizierte Bildung und Ausbildung angeboten, wie z. B. die Vorbereitung auf einen Auslandseinsatz, die Rekrutenausbildung in unseren Verbänden oder ein Teamtraining zur Analyse der Arbeitsprozesse innerhalb eines Stabes. Bildung begleitet jeden im täglichen Dienstbetrieb, wenn sich ÖBH-Bedienstete z. B. mit dem Lernportal "emil" im Intranet weiterbilden oder das Kurs- und Seminarangebot der Akademien und Schulen des Bundesheeres nutzen. Im Sinne des "lebensbegleitenden Lernens" ist jeder ständig gefordert, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen. Auch das Bundesheer muss daher den Methoden und Grundsätzen der modernen Erwachsenenbildung gerecht werden.

Erwachsenenbildung im Bundesheer

Erwachsenenbildung ist "solche Weiterbildung von Erwachsenen, die - hinausgehend über den Zuwachs an Wissen und Können im alltäglichen Leben - veranstaltet wird, sofern es sich nicht um ins frühe Erwachsenenalter verlängerte Schul- und Berufsausbildung handelt." (Pöggeler, Franz, [Hg].: Erwachsenenbildung, Einführung in die Andragogik, Stuttgart 1974, S. 21.) Die Schul- und Berufsausbildung ist aus dem Heer nicht mehr wegzudenken. Als Beispiele seien das Militärrealgymnasium und das Bundesrealgymnasium für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie (TherMilAk) in Wiener Neustadt erwähnt, wo jährlich drei Maturaklassen die Ausbildung abschließen. Die Lehrlingsausbildung im Österreichischen Bundesheer hat eine bereits 25-jährige Tradition. Derzeit bietet das Heer 230 Ausbildungsplätze in 30 verschiedenen Lehrberufen an und fördert damit auch neben der Erfüllung seiner Kernaufgaben das Ansehen des Bundesheeres in der Gesellschaft.

Diese eben erwähnten Bildungszweige zählen jedoch nicht zur Erwachsenenbildung, da diese als Weiterbildung die ständige Fortsetzung von Ausbildung und Qualifizierung vorsieht, besonders unter dem Aspekt der qualifizierten Aufstiegsfortbildung. Dazu zählt auch die Umschulung von Personal als Anpassungsfortbildung.

Die Fort- und Weiterbildungsangebote an den Akademien und Schulen sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bei der Truppe gehören ebenso dazu, wie Kaderfortbildungsveranstaltungen. Erwachsenenbildung im Heer ist somit jene Ausbildung, die nicht zur Grund- oder Basisausbildung zählt, sondern jene Bereiche abdeckt, die sich darüber hinaus mit der Weiterentwicklung von Kompetenzen beschäftigen.

Es ist nie zu spät, Neues zu beginnen!

Brian May, Ex-Gitarrist der Rockband Queen, ist Rockmusikliebhabern weltweit bestens bekannt. 1974 unterbrach er sein Studium der Astrophysik und startete mit Queen eine beispiellose Musikkarriere. Nun ist May 60, hat ein Doktoratsstudium abgeschlossen und über das Thema "Interplanetarer Staub" seine Dissertation verfasst. Im November 2007 hat er dann als Nachfolger von Cherie Blair (Ehefrau von Tony Blair) das Kanzleramt an der John Moores Universität in Liverpool/England übernommen.

Das Beispiel zeigt, dass auch im Alter oder nach vielen Jahren der gleichen Tätigkeit immer wieder Chancen zur Erneuerung gegeben sind. Im Bundesheer stößt man auf andere Beispiele: Ein Infanterieoffizier, der die Chance erhielt, Fernmeldeoffizier zu werden und dann in der Weiterbildung die S6-Ausbildung absolvierte; ein Unteroffizier, der nach langjähriger Tätigkeit in seinem Fachbereich eine berufliche Weiterentwicklung in der Funktion als Dienstführender Unteroffizier sieht und einen entsprechenden Weiterbildungslehrgang absolvierte; oder eine Soldatin, die als Richtschützin ausgebildet wurde und ihre Zukunft im Feldzeugdienst sieht. Es gibt viele Beispiele, die man hier anführen könnte, und beinahe jede Soldatin oder jeder Soldat ist nach einer langjährigen Berufslaufbahn schon einmal aus unterschiedlichsten Gründen vor der Situation gestanden, sich neuen Aufgaben zu widmen.

Es ist nie zu spät, etwas Neues zu beginnen. Oft sind dazu Mut und Wille zur Veränderung erforderlich. Geistige Flexibilität und Mobilität wird von den Soldaten verlangt. Wer seine Schicksal selbst in die Hand nimmt, wird eher Erfolg haben, als jemand, der wartet, bis etwas geschieht. Weiterbildung hilft, neue Perspektiven zu schaffen und sich neue Orientierung zu geben.

Aufgaben der Bildungseinrichtungen

Wie sind nun Aufgaben der Erwachsenenbildung im Bundesheer definiert? Bildungseinrichtungen, zur Fort- und Weiterbildung, müssen beispielsweise

  • eine Basis für die Berufsweiterbildung im Sinne des lebensbegleitenden Lernens sein,
  • den Lernenden Angebote bieten, sich in ihrer Persönlichkeitsstruktur weiter zu entwickeln,
  • eine Plattform für die Bearbeitung aktueller Fachthemen sein und
  • die Weiterentwicklung der Methoden und der aktuellen Bildungsinhalte vorantreiben.

Bildungseinrichtungen müssen auch die Rahmenbedingungen für die Lernenden schaffen. Das beginnt mit der Infrastruktur, die nach den Gesichtspunkten moderner Technik den Bedürfnissen der erwachsenengerechten Ausbildung angepasst sein soll, wie z. B. die Informations- und Kommunikationstechnologie-(IKT)Infrastruktur, Medien zur Visualisierung, Hörsäle sowie Seminarräume, und endet bei Unterkünften, die dem heutigen Wohnstandard entsprechen.

Die Ausbildungsphilosophie des Bun-desheeres (Grundsatzdokument für die konzeptionelle Planung der Ausbildung im Bundesheer, beinhaltet Leitlinien für die Ausbildung und die Ausbildungsunterstützung. Siehe TRUPPENDIENST Heft 1/2005 "Ausbildungsphilosophie für das Österreichische Bundesheer 2010") gibt folgendes vor: "Die zukünftige Ausbildungsinfrastruktur soll eine Ausbildung nach den Grundsätzen der modernen Erwachsenenbildung ermöglichen und die Zielerreichung optimal unterstützen.

Die Ausbildung soll durch einen ausgewogenen zielgruppen-, teilnehmer- und themenadäquaten Methoden- und Mitteleinsatz und unter Einfluss moderner Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt und optimiert werden." Für die Wissensvermittlung ist es sekundär, welchen Namen diese Einrichtungen tragen, ob Universität, Fachhochschule, Akademie, Schule oder Bildungswerkstätte. Sie müssen dem Zweck der Weiterbildung ihrer Kunden dienen und helfen, die Chancen all jener zu verbessern, die sich aus eigenem Antrieb weiterentwickeln wollen.

Lebenszyklus und Bildung

Zwanzigjährige lernen anders als Fünfzigjährige, und Chargen lernen anders als Generalstabsoffiziere. Unterschiedliche Vorbildungen bedingen unterschiedliche Bildungszugänge. Zu berücksichtigen ist aber auch der Lebenszyklus der Lernenden. Nach Brigadier Mag. Karl Pichlkastner (Leiter des Instituts für Offiziersausbildung und Leiter des Lehrkörpers des Fachhochschul-Diplom-Studienganges an der TherMilAk) lässt sich das Berufsleben in drei Lebensphasen einteilen:

  • Vom 20. bis zum 40. Lebensjahr ist der Mensch geprägt vom persönlichen und beruflichen Aufstieg. Die wesentlichen Abschlüsse (z. B. Ausbildung an der Militärakademie) hat man mit dem 30. Lebensjahr absolviert.
  • Vom 40. bis zum 50. Lebensjahr hat man meist nur eingeschränkte Bildungsmöglichkeiten, da hier eine Höchstauslastung im Beruf gegeben ist.
  • Ab dem 50. Lebensjahr entwickeln sich neue Bedürfnisse in der Lebensorientierung.

Für diese drei Lebensphasen gibt es daher auch im Bundesheer unterschiedliche Bildungsangebote. Für die klassische Erwachsenenbildung gilt aber, dass vor allem für Personengruppen im Alter von 30 bis 40 Jahren und ab dem 50. Lebensjahr dem Berufsbild entsprechend Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen sind. Unter diesen Perspektiven ist vor allem die Vielfalt des Bildungsangebotes entscheidend. In den Lebenszeitraum zwischen 30 und 45 fallen für Offiziere z. B. für die Truppenoffiziere der Führungslehrgang 2, für Generalstabsoffiziere die gesamte Generalstabsausbildung und für Offiziere des höheren Dienstes mit abgeschlossenem Studium die Absolvierung des Grundausbildungslehrganges (GALG).

Erwachsenengerechtes Lernen

Die Lernkultur in Österreich hat sich verändert. Dies hat bereits im didaktischen Teil der Schullehrpläne seinen Niederschlag gefunden. Es geht dabei primär um den Wechsel von einer lehrerzentrierten hin zu einer lernerzentrierten Bildung.

Lernen ist ein Prozess der Selbstaneignung geworden. Die Vermittlungsdidaktik, also das klassische frontale Vortragen mit einer großen Zahl von mit Inhalten überfüllten Folien, sollte der Vergangenheit angehören. Im Mittelpunkt der Ausbildung steht der Lernende und nicht der Lehrer. Bildungsforscher Univ.-Doz. Prof. DDr. phil. habil. Karl Klement, ein Unterrichtsdidaktiker, stellt dazu die neue Lernkultur in fünf Modulen vor:

Die Kultur des Fragezeichens (Modul 1)

Am Anfang stehen immer die Herstellung des Problembewusstseins und die Kultur des Fragezeichens. "Wo nicht gefragt wird, wird auch nicht gelernt" (Platon).

Die Fragen des Lernenden stehen am Anfang des Lernprozesses. Der Lernende muss von sich aus Fragen haben, die ihn zum selbstmotivierten Lernprozess führen.

Das Motto des Soldaten soll nicht sein: "Jetzt drehe ich den Gerätehauptschalter ab und lasse einfach alles über mich ergehen; Hauptsache, die Zeit vergeht und Initiative ist sowieso nicht gefragt." Der Soldat soll von Anbeginn seiner Ausbildung an Fragen haben, auf die er in seiner Ausbildung auch Antworten bekommt. Welche Wirkung hat mein Sturmgewehr? Wie kann ich mich und andere ohne Waffe schützen? Warum ist es notwendig, an die Belastungsgrenzen herangeführt zu werden? Wozu benötige ich täglich Sportausbildung? Wie kann ich nach dem Abrüsten meine Fitness aufrechterhalten? Wozu benötigt man heute überhaupt noch den Exerzierdienst? Was muss ich tun, um Disziplin zu wahren, Ordnung zu halten und auf Sauberkeit zu achten?

Auch ein erfahrener Kadersoldat hat im Rahmen seiner Weiterbildung Fragen. Ein Offizier, der sich auf dem Führungslehrgang befindet, und selbst bereits eine Kompanie geführt hat, hat ganz andere Fragen, als ein Zugskommandant, der in Kürze zur Führung einer Kompanie vorgesehen ist. Ähnlich geht es einem Unteroffizier, der als Kanzleiunteroffizier tätig war, und nun Dienstführender Unteroffizier werden will. Er wird völlig andere Fragen haben als jemand, der mit der Ausbildung von Grundwehrdienern zu tun hatte.

Dort, wo beim Lernenden Fragen entstehen, ist auch die Motivation vorhanden, etwas zu erfahren und zu lernen. Den Soldaten muss beigebracht werden, auch diese Fragen zu stellen. Wo gefragt wird, ist Interesse vorhanden - dort, wo nicht gefragt wird, gibt es kein Interesse oder besteht schon ausreichend Wissen und Können. Die Fragen der Lernenden sind die Ausgangspunkte für die Lehrenden. Daraus leiten sich die Inhalte ab, die zu vermitteln sind.

Wozu gibt es Lehrpläne?

Lehrpläne und Zielsetzungen sind wichtig. Wie diese Inhalte vermittelt werden, bleibt allerdings Sache des Lehrenden. Wenn sich der Lehrer in die Situation des Lernenden versetzt, kann er auch daraus ableiten, welche Fragen sich ergeben können, wenn Offiziere oder Unteroffiziere, Chargen oder Rekruten zur Aus- und Weiterbildung kommen. Lehrer müssen in der Lage sein, die gängigsten Fragen vorwegnehmen zu können und ihre Lehrmethoden darauf aufzubauen.

Die Selbstverantwortung (Modul 2)

Ein weiteres Merkmal der neuen Lernkultur ist die Selbstverantwortung im Sinne von Monitoring. Hier wird das eigene Tun sich selbst und anderen vergegenwärtigt. Es geht also um die Bewusstmachung dessen, was gerade gemacht oder getan/gelernt wurde. Dies kann in Form von Selbstreflexion oder Gruppenreflexion erfolgen.

Menschen, die im Berufsleben stehen, sind es gewohnt, Verantwortung zu tragen. Wahrscheinlich ist dem Leser bekannt, dass auch in der Erwachsenenbildung eine Art Schülermentalität zum Vorschein kommt.

Dabei vergisst der Lernende, dass er es ja gewohnt ist, Verantwortung im Berufsleben zu tragen. Kaum ist er in der "Schule" zurück, ist er wieder der, der gehorchen muss, und auch vieles über sich ergehen lassen muss. So soll es aber nicht sein! In der Erwachsenenbildung sind die Erwachsenen diejenigen mit Erfahrungen, Erlebnissen, Wissen und Fähigkeiten aus ihren beruflichen Fachbereichen. So sollen und wollen Lernende auch behandelt werden! Dem Lernenden muss Selbstverantwortung übergeben werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass er Aufgaben, die er bewältigt hat, auch selbst kommentieren soll.

Die Absolvierung eines Lagevortrages im Rahmen einer Taktikausbildung kann vom Vortragenden und von den Zuhörern reflektiert werden. Die Lernenden müssen in der Lage sein, ihre Fähigkeiten selbst einzuschätzen. Aber auch Mitlernende müssen fähig sein, die anderen einzuschätzen und erbrachte Leistungen zu reflektieren. Lernende müssen die Frage beantworten können: "Was habe ich gut gemacht, wo besteht noch Wissensbedarf?" Die offenen Wissensfragen sind von den Lehrenden oder den anderen Lernenden zu beantworten.

Das Zugestehen von mehr Selbstverantwortung bei den Lernenden trägt dazu bei, dass diese auch durch Lernen von anderen selbst in die Lage versetzt werden, ihren Wissensbedarf individuell einzufordern. Nur dort, wo man zur Selbstverantwortung angeleitet wird, oder wo einem Selbstverantwortung zugetraut wird, wird man auch in der Lage sein, zu wissen, was man braucht und was nicht. Die Fähigkeit zur Selbst- und Fremdeinschätzung sind Motivatoren zum Lernerfolg.

Selbstmotivation (Modul 3)

Selbstmotivation ist ebenso ein entscheidender Faktor im Lernprozess der neuen Lernkultur. Für die Motivationsforscher E. Deci und R. Ryan, gelten in ihrer Selbstbestimmungstheorie der Motivation, vor allem drei Bedingungen für eine hohe Motivation der Lernenden:

Möglichkeiten bieten, selbst zu wählen (50 Prozent):

  • z. B.: Offiziersanwärter oder Unteroffiziersanwärter beiderlei Geschlechts besuchen im Rahmen ihrer Ausbildung ein Rhetorikseminar. Der Rhetoriktrainer gibt den Auftrag, eine Meinungsrede vorzubereiten und durchzuführen. Hier können die Lernenden zum Beispiel ihr militärisches Thema, das sie vortragen wollen, selbst wählen. Die Lernenden sind höher motiviert, da sie inhaltliches Wissen und vielleicht auch eine emotionale Bindung zu ihrem Thema haben. Der Erfolg für den Lernenden wird von Anfang an höher sein.

Mit Personen gleichen Interesses arbeiten zu können (30 Prozent):

  • Bestehen Gemeinsamkeiten wird mehr kommuniziert, und es wird mehr Erfahrung ausgetauscht. Diese Situation kennen viele Menschen. Sie treffen jemanden, den Sie interessant finden und wollen diese Person kennenlernen. Das geht am einfachsten, wenn sich ein Thema findet, worin beide Gesprächspartner Erfahrungen haben. Beim Lernen gibt es ähnliche Effekte.
  • Ein gutes Beispiel ist die Körperausbildung und das Prinzip der Leistungsgruppen. Es macht wenig Sinn den besten Läufer mit dem langsamsten zusammenzuspannen. Einer wird dabei unterfordert und der andere wird überfordert. Beide werden eher frustriert sein. Ziel muss es sein, dass beide die Möglichkeit einer Weiterentwicklung bekommen. Höhere Lernmotivation besteht dort, wo Menschen mit gleichen Interessen zusammenarbeiten können.

Die Gruppe darf sich selbst organisieren (20 Prozent):

  • Dasselbe gilt auch für die Selbstorganisation. In der Stabsausbildung werden die Lernenden aufgefordert ihre Stäbe zu organisieren. Den Stabsmitglieder werden Rahmenbedingungen vorgegeben, Aufgaben zugewiesen und sie müssen Probleme gemeinsam bewältigen. Wie sich die Lerngruppe organisiert, um in der geforderten Zeit auch Lösungen zu finden, bleibt der Gruppe überlassen. Aber auch hier gilt wieder die Reflexion der gewonnenen Erfahrungen als Grundprinzip. Die Lerngruppe muss sagen können, was gut gelaufen ist und wo noch Lernbedarf besteht.

Je besser die Herstellung dieser Voraussetzungen zur Selbstmotivation gelingt, desto höher ist auch die Lernmotivation.

Methodenkompetenz (Modul 4)

In der lernerzentrierten Didaktik kommt der Methodenkompetenz auch ein sehr hoher Stellenwert zu. Der Lernprozess wird stark durch die handwerklich-methodischen Fähigkeiten des Lernenden geprägt. Hier müssen aus der Lehrersicht die vorhandenen Fähigkeiten festgestellt und bei Bedarf erweitert werden. Nach Dr. Heinz Klippert (Konzept der pädagogischen Schulentwicklung - Unterrichtsentwicklung, Pädagogisches Institut Nürnberg) werden beispielsweise folgende Kompetenzen gefordert:

  • Fragen formulieren;
  • protokollieren;
  • visualisieren;
  • nachschlagen;
  • rasch lesen;
  • entscheiden;
  • Zeit einteilen;
  • exzerpieren etc.

Dazu zählt auch die Kenntnis des militärischen Führungsverfahrens und seine angepasste Anwendung für unterschiedliche Friedens- und Einsatzsituationen. Jedes Fach hat seine Methoden, die zur Verfügung stehen müssen oder im Lernprozess als solche zu erfassen sind. Dazu ein Beispiel:

Die grafische Beurteilung der Lage an der Karte ist eine solche Methode, deren Prinzip erst vorgezeigt werden muss. Erst danach ist der Lernende in der Lage, diese Fertigkeit auf anderen Führungsebenen anzuwenden. In der Erwachsenenbildung kann man meist davon ausgehen, dass eine Vielzahl von Techniken bereits beherrscht werden und je nach Situationen adaptiert und neu angewendet werden können. Gemäß dem vorher genannten Beispiel bedeutet das, dass die grafische Beurteilung der Lage anhand eines Einsatzes eines Infanteriezuges vorgezeigt wird und diese dann selbst auf der Karte durchzuführen ist. Nach mehrmaligem Üben auf dieser Ebene wird nun dieselbe Technik auf die nächste Führungsebene transferiert. Nun können die Beurteilungsschritte grafisch auf der Ebene der Kompanie, des Bataillons und so weiter angewendet werden. Die Inhalte ändern sich, jedoch die Methode, etwas grafisch zu beurteilen, bleibt die selbe. Methodenkompetenz ist eine Grundlage für das selbstorganisierte Lernen.

Die Aktionsformen (Modul 5)

Im fünften Modul geht es um den Einsatz unterschiedlicher Lernformen. Zu ihnen zählen

  • das entdeckende Lernen,
  • die freien Lernphasen,
  • das Lernen im Gespräch,
  • das Lernen im Spiel,
  • das informierende Lernen,
  • das projektorientierte Lernen und
  • das Lernen durch Üben und Wiederholen.

Ein Beispiel für Lernen durch Wiederholen ist die militärische Drillausbildung. Ihr kommt hohe Bedeutung zu, vor allem bei Abläufen, die "blind" gekonnt werden müssen. Z. B. dort wo die Konzentration beim Einsatz der Waffe nicht nur auf das Hantieren an der Waffe selbst, sondern besonders auf das Gefechtsfeld zu richten ist. Auch das Autofahren ist eine, durch ständiges Wiederholen eingeübte Handlung, sodass beim Einlegen des richtigen Ganges nicht mehr nachgedacht werden muss, um für das Verkehrsgeschehen Denkkapazitäten frei zu haben. Aber auch andere Aktionsformen sollen zur Anwendung kommen.

Das Einrichten eines Sicherungspostens an Hand von Powerpointfolien zu erklären, ist als Negativbeispiel zu nennen. Es macht nur Sinn, diesen Lerninhalt am Objekt im Gelände schrittweise zu erklären und dann selbst üben zu lassen. Der Lehrer muss sich immer wieder fragen, welche Aktionsform für welchen Inhalt am besten geeignet ist.

Zusammenfassung

Diese fünf Module der neuen Lernkultur sind durch den Lehrer oder Ausbilder immer mit dem Blick auf den Lernenden zu betrachten.

Erwachsenengerechtes Ausbilden bedeutet:

  • Die Lernenden als Wissende und Fachleute in ihrem Berufsfeld betrachten;
  • die Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten des Lernenden als Bildungsinhalt aus der Praxis in die Weiterbildung einfließen lassen, um so Synergien zu erhalten;
  • die vorgesehenen Lerninhalte durch die Lernenden mitbestimmen und mitgestalten lassen;
  • das Lernpublikum analysieren und auf dieses abgestimmt, Ausbildungsthemen und -methoden gestalten - gleiche Inhalte können von Ausbildung zu Ausbildung unterschiedlich vermittelt werden.

Die alles entscheidende Frage ist: "Wo stehen die Lernenden, was brauchen die Lernenden und was kann der Lehrer ihnen geben?" Daraus leiten sich Inhalte und Methoden ab.

Nach den fünf Modulen der neuen Lernkultur sowie nach den oben angeführten Kriterien für erwachsenengerechte Ausbildung ist die lernerzentrierte Didaktik auszurichten. Dort, wo Lehrinhalte und Lehrmethoden zum Selbstzweck werden, ist die Gefahr groß, dass die Erwartungshaltungen der Lernenden nicht erfüllt werden können.

Lernerzentrierte Didaktik ist die Voraussetzung, um beobachten und bewerten zu können und letztlich auch zu einer Gesamtbeurteilung des Lernenden zu kommen.

Das Österreichische Bundesheer gilt bis heute noch zu Recht als eine "Schule der Nation". Dies zeigt sich einerseits an der Vielfalt der Organisationselemente und ihrer Bildungsaufträge sowie an der noch aufrechten Wehrpflicht, über die eine große Zahl von österreichischen Staatsbürgern erreicht wird. Das Bundesheer befindet sich in einem Transformationsprozess, der durch ständige Veränderungen gekennzeichnet ist. Die Grundstrukturen, die in Form der heeresinternen Bildungseinrichtungen gegeben sind, sichern diese Veränderungen professionell ab. Das höchste Gut einer Organisation ist sein Personal, dessen Wissen, sowie dessen Fähigkeiten, und Fertigkeiten, die es ständig weiterzuentwickeln gilt.

Lebensbegleitendes Lernen ist für das Personal zum Muss geworden, um die aus den veränderten Strukturen sich ergebenden neuen Herausforderungen bewältigen zu können. Bessere Chancen zur beruflichen Weiterentwicklung hat der Mensch dann, wenn er mehr Fähigkeiten besitzt. Die Verantwortung dafür liegt jedoch immer bei jedem selbst. Der Lernende ist für seinen Lernerfolg und seine persönliche Weiterentwicklung zur Erhöhung seiner Berufschancen immer mitverantwortlich. Der Lehrer oder der Ausbilder hat die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass eine Kultur des Fragens, die Selbstverantwortung, die Selbstmotivation und der Einsatz unterschiedlicher Methoden und Aktionsformen ermöglicht wird. Der Unterricht und die Ausbildung sind daher so zu gestalten, dass der Paradigmenwechsel von der lehrerzentrierten hin zu einer lernerzentrierten Didaktik vollzogen wird. Der Lehrer hat sich immer wieder zu fragen: "Wo steht der Lernende, was braucht der Lernende und was kann ich ihm geben?"


Autor: Major Mag. phil. Roman Schuh, Jahrgang 1968, seit 2005 Hauptlehroffizier für Didaktik und Methodik am Institut für Offiziersweiterbildung an der Theresianischen Militärakademie. 1990 als Fernmeldeoffizier zum Armeefernmeldebataillon ausgemustert. 1996 bis 2003 Hauptreferatsleiter für Sonderfunkverbindungen im Stab Fernmeldeführung. 2003 bis 2005 Fernmeldeoffizier im Kommando Theresianische Militärakademie. Stabsverwendungen von 1996 bis 2003 in Bosnien, Albanien und Syrien. Ausbildung zum Teamtrainer. 2003 bis 2007 nebenberufliches Studium der Politikwissenschaft an der Universität Wien, derzeit Doktorand.

Literatur:

Groß, Franz: Ausbildungsphilosophie für das Österreichische Bundesheer 2010, TRUPPENDIENST Heft 1/2005.

Pichlkastner, Karl: Fokus: Zur aktuellen Diskussion über die Offiziersausbildung im Bundesheer, TRUPPENDIENST Heft 3/2007.

Pöggeler, Franz: Erwachsenenbildung, Einführung in die Andragogik, Stuttgart 1974.

Roberto Kalmar: Die Bedeutung des Lernens, Milizinfo, Ausgabe 2/2005.

Meyers Lexikon: Online, Erwachsenenbildung 2002.

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