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150 Jahre Schlacht bei Solferino

Eine humanitäre Katastrophe

Als am Abend des 24. Juni 1859 die Waffen schweigen und ein nächtliches Unwetter über einer verwüsteten Wallstatt hereinbricht, wird im Licht der Blitze das unmittelbare Ergebnis dieser Schlacht als eine ungeheure humanitäre Katastrophe sichtbar. Zum ersten Mal seit den napoleonischen Kriegen kam es mitten in Europa wieder zu einer militärischen Auseinandersetzung, die in einer kriegsentscheidenden Massenschlacht gipfelte, die auf beiden Seiten mit den neuesten Errungenschaften moderner Waffentechnik ausgetragen wurde. Die Folge war lähmendes Entsetzen über das Ausmaß der entfesselten Zerstörungskraft, Grauen über ein so nicht vorhergesehenes Massaker und die hilflose Verzweiflung über die Masse unversorgt bleibender Verwundeter - rund 23 000 - auf beiden Seiten. Ihr Schicksal lag in der Hand eines Mannes - Henry Dunant - und zahlreicher unbekannter freiwilliger Helfer aus der Umgebung des Schlachtfeldes.

Österreichs Machtanspruch und Italiens Einigungsbestrebungen - Der Weg nach Solferino

Bis ins 19. Jahrhundert war Italien Spielball und Kriegsschauplatz in den Auseinandersetzungen der europäischen Großmächte gewesen. Auch die Habsburger-Monarchie spielte dabei eine entscheidende Rolle. Nach dem Versuch einer Einigung Italiens unter der Patronanz Napoleon Bonapartes am Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ab den vierziger Jahren unter der Führung des Königreiches Sardinien die Forderung nach einem nationalen italienischen Einheitsstaat immer lauter. Im Revolutionsjahr 1848/49 kam es in den italienischen Provinzen der Habsburger-Monarchie Lombardei und Venetien zu Aufständen gegen die österreichische Herrschaft. Unter der Führung Sardiniens erhoben sich Freiwillige aus ganz Italien wenige Tage nach dem Ausbruch der Märzrevolution am 13. des Monats, insbesondere am 17. März in Venedig und nur einen Tag später in Mailand. In beiden Städten kam es zur Bildung provisorischer Regierungen. Unter der Führung von Feldmarschall Johann Josef Wenzel Graf Radetzky aber konnte die k.k. Armee zunächst 1848 bei Santa Lucia und Custozza und 1849 nochmals bei Mortara und Novara siegen. Der Frieden von Mailand am 6. August 1849 stellte die politischen Rahmenbedingungen wieder her. Die habsburgischen Herzöge Großherzog Leopold II. von Toskana und Herzog Franz V. von Modena ("Sekundogenituren" - von einem jüngeren Sohn eines Fürstenhauses begründete Nebenlinien), die aus ihren Kleinstaaten vertrieben worden waren, wurden wieder eingesetzt. Am 22. August 1849 musste auch Venedig vor den k.k. Truppen kapitulieren.

Radetzkys Siege im "Ersten Sardinischen Krieg", die seinen Ruhm und seine Popularität in Österreich noch verstärkten, konnten den schwelenden nationalen Konflikt nicht lösen und sollten den entscheidenden Kampf gegen die Herrschaft der Habsburger-Monarchie in Teilen Italiens nur verzögern.

Die Bewaffnung des französischen und des österreichischen Heeres im Jahr 1859

Die Ausrüstung mit einer modernen Infanteriewaffe (Minie-Gewehr) und moderner Artillerie (La Hitte-Geschützen, vgl. das zeitgenössische Gemälde) - beide Vorderlader, allerdings mit gezogenen Läufen bzw. Rohren - zeigte sich in der offensiven Taktik der französischen Verbände (Bewegung und Feuer abgestimmt) im Zusammenwirken mit der modernen Infanteriewaffe und der Artillerie der defensiven Taktik der Verbände des k.k. Heeres überlegen, trotzdem sie über ein hervorragendes Infanteriegewehr (Vorderlader, gezogen, bessere Ballistik auf Entfernungen über 200 Schritt) verfügten. Das "Unterlaufen" ("Stoss"-Taktik und "Tiralleur"-Taktik) des Feuers der Österreicher durch die französischen Soldaten kam auf nahe Entfernung voll zur Wirkung. Zudem fügte das weitreichende präzise Feuer der französischen Geschütze den österreichischen Verbänden schwerste Verluste bei.

Auf österreichischer Seite wurden daraus die falschen Schlüsse in der Infanterietaktik gezogen. Das "Unterlaufen" des gegnerischen Feuers sollte nun kopiert werden. Letztlich endete dieser Versuch im Krieg 1866 gegen Preußen - diese verfügten über das Dreyse-Hinterladergewehr, das eine wesentlich höhere Feuergeschwindigkeit als das Minie-Gewehr hatte und ein Laden der Waffe auch im Knien und Liegen erlaubte - neben operativen Fehlern in einer militärischen Katastrophe.

Alles für die Einheit einer neuen Nation

Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des Nationalismus. Viele europäische Nationen, welche bis dahin unter fremder Herrschaft lebten, erkämpften sich ihre Unabhängigkeit: Die Griechen, die Serben oder die Bulgaren. Andere Nationen wie Deutschland oder Italien versuchten das zerstückelte Gebiet, welches sie als ihre Heimat betrachteten, in einem einheitlichen Nationalstaat zusammenzufassen.

Das heutige Italien war aufgeteilt unter den Königreichen von Sardinien-Piemont und Neapel (beider Sizilien), dem Kirchenstaat, einigen kleineren Fürstentümern sowie Österreich-Ungarn. Den Habsburgern gehörte ein stattlicher Teil Norditaliens, nämlich die Lombardei und Venetien, und sie waren nicht gewillt, diese Regionen abzutreten.

Auswirkungen auf die Entwicklungen in Italien, allerdings nur indirekte, sollte ein anderer Konflikt zeigen - der Krimkrieg.

Dieser "euroasiatische" Krieg von 1853 bis 1856 zwischen Russland auf der einen und dem Osmanischen Reich, Frankreich, Großbritannien und - ab 1855 - auch Piemont-Sardinien auf der anderen Seite war ein Versuch des Zarenreiches, sein Gebiet auf Kosten des zerfallenden Osmanischen Reiches zu vergrößern. Die Habsburger-Monarchie blieb in diesem Krieg zwar nominell neutral, band aber durch eine an den Ostgrenzen der Monarchie aufgestellte Armee, die schließlich im September 1854 die Donaufürstentümer Walachei und Moldau besetzte, starke russische Kräfte. Damit vertieften sich die Spannungen zu Russland weiter.

In den Friedensverhandlungen von Paris (Friede von Paris, 30. März 1856) wurde die außenpolitische Isolation Österreichs vollends deutlich. Zu einer entscheidenden Wendung führte das Auftreten des piemontesischen Ministerpräsidenten Cavour, der - als Verbündeter Frankreichs im Krim-Krieg - nunmehr die Unterstützung für Initiativen einforderte, die gegen die Herrschaft Österreichs in Oberitalien gerichtet waren. Das Königreich Piemont-Sardinien hatte sich bereits in der Vergangenheit als Interessenträger nationaler italienischer Anliegen und Einigungsbestrebungen auf dem Parkett der europäischen Politik positioniert. Diese Entwicklung lag aber auch durchaus im französischen Interesse.

Schon während der Pariser Friedenskonferenz legte der piemontesische Ministerpräsident Graf Camillo Benso di Cavour Napoleon III., dem Kaiser der Franzosen, eine Denkschrift über verschiedene politische Absichten und Reformwünsche der italienischen Staaten vor. Napoleon III. antwortete mit seiner berühmten Frage "Was kann man für Italien tun?" Damit war klar geworden, dass der nächste Kampf um eine Neuordnung Europas nicht lange auf sich warten lassen sollte.

Im Juli 1858 wurden Geheimverträge zwischen Napoleon III. und Cavour über die Neuaufteilung der italienischen Gebiete zwischen Frankreich und Piemont abgeschlossen. Darin wurde Sardinien-Piemont im Kriegsfall mit Österreich französischer Beistand zugesichert. Dafür sollte Frankreich Nizza und das Herzogtum Savoyen erhalten. Piemont sollte sein Staatsgebiet um die Lombardei, Venetien, Parma, Modena und einen Teil des Kirchenstaates erweitern dürfen. Napoleon III. knüpfte allerdings seine versprochene militärische Hilfe an eine Bedingung: Die Vertragsbedingungen über das militärische Eingreifen würde nur erfüllt werden, wenn Österreich der Angreifer wäre. (Helmut Rumpler, Eine Chance für Mitteleuropa, in: Österreichische Geschichte 1804-1914, hg. Herwig Wolfram, Wien 1997, S. 369-372.) Besiegelt wurden die Geheimverträge - wie so oft in der europäischen Geschichte - mit einer Hochzeit: Die 15jährige Tochter des sardinisch-piemontesischen Königs Vittorio Emanuele II., Clothilde, wurde mit Jérôme, Napoleons Cousin, verehelicht.

Cavour wusste sich durch die Verträge mit Napoleon III. gestärkt und schürte in weiten Teilen Italiens eine heftige antiösterreichische Stimmung. Dazu trugen die militärischen Berater Kaiser Franz Josephs indirekt bei, die nämlich vehement forderten, die Wehrpflicht auch in den bereits ohnehin rebellischen oberitalienischen Gebieten einzuführen. Um dieser zu entgehen, flohen zahlreiche potenzielle Wehrpflichtige nach Piemont. Die Piemontesen weigerten sich, den österreichischen Auslieferungsgesuchen nachzukommen. Dies führte besonders in den Grenzgebieten zu Spannungen und lieferte Cavour den Vorwand, Kriegsvorbereitungen zu treffen.

In einer provokativen Neujahrsansprache an den österreichischen Botschafter in Paris, Alexander Freiherrn von Hübner, wurden auch die aggressiven Absichten des Kaisers der Franzosen deutlich. Es begann ein zäher politischer Nervenkrieg, der in einer undiplomatischen Reaktion seitens des Hauses Habsburg endete.

Für Franz Joseph war Napoleon III. "eine Kanaille". In seiner Ehre gekränkt, vergaß er alle politische Vorsicht. Den Auftakt zum Krieg Österreichs gegen das Königreich Sardinien am 23. April 1859 bildete das Ultimatum, das der österreichische Außenminister Karl Ferdinand Graf Buol-Schauenstein stellte, in dem die Einstellung aller Rüstungsbemühungen verlangt wurde. Piemont lehnte erwartungsgemäß ab, Österreich erklärte den Krieg. Franz Joseph setzte auf die militärische Unterstützung von Preußen und dem Deutschen Bund. Doch diese blieb aus.

Unrealistisch waren auch die Erwartungen Franz Josephs über die Leistungsfähigkeit seines Heeres.

Die kaiserliche Armee, die vorwiegend als Faktor der inneren Stabilisierung zu dienen hatte, erlebte eine überhastete Reform nach der anderen. Das Misstrauen gegen jede Art der Volksbewaffnung führte zur Auflösung der Landwehr. Der stattdessen beschrittene Weg einer zweijährigen Reservedienstpflicht konnte die Schaffung einer rasch aufbietbaren, starken strategischen Mobilisierungsreserve nur unvollkommen erfüllen. Somit war das Heer von der Erringung von raschen Anfangserfolgen offensiver Kriegsführung abhängig, weil für längere Kriegshandlungen die erforderlichen Reserven fehlten.

Durch die Aufstellung eines 20 000 Mann starken Gendarmeriekorps, mit dem sich der neoabsolutistische Staat ein weiteres straff zentralistisch gelenktes Werkzeug zur Aufrechterhaltung der Kontrolle über seine Untertanen geschaffen hatte, wurden dem Heer viele der besten Soldaten entzogen.

Die Regimenter wurden planmäßig aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt, nach einem Rotationsverfahren im Turnus immer wieder in weit voneinander entfernte Garnisonen verlegt, um einen allzu vertrauten Umgang mit der ortsansässigen Bevölkerung zu verhindern. Ausbildung und innerer Zusammenhalt der Verbände litten jedoch unter dem Gemisch von bis zu elf Sprachen und fünf unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen. Viele Unteroffiziere beherrschten nur die etwa 80 im Reglement festgelegten Kommandos und waren mit ihren Untergebenen sonst nicht kommunikationsfähig. Die Masse der Linieninfanterie bestand nach wie vor aus Analphabeten, weil Rekruten mit Schulbildung von den zunehmend expandierenden technischen Waffengattungen, wie z. B. den Pionieren und der Artillerie, aufgesogen wurden. Unter solchen Verhältnissen war es schwer vorstellbar, den Schwerpunkt des Gefechtsdienstes auf die Erziehung zur Gewandtheit im selbstständigen Handeln zu richten, wie es der richtige taktische Gebrauch moderner Handfeuerwaffen eigentlich erfordert hätte - mit allen daraus resultierenden negativen Folgen, auch für die Überlebenschancen des einzelnen Soldaten.

Der Oberbefehlshaber der k.k. Armee Feldzeugmeister Franz Graf Gyulai von Maros-Németh und Nádaska hatte zu Beginn des Krieges gegen das Königreich Sardinien 107 000 Mann und 364 Geschütze zur Verfügung. Diese Stärke sollte quantitativ ausreichen, um die piemontesische Armee mit ihren 60 000 Mann und 90 Geschützen zu schlagen, noch bevor sie sich mit dem französischen Heer vereinigen konnte.

Doch der mit beeindruckender Präzision und unerwarteter Schnelligkeit erfolgte Aufmarsch der französischen Armeen verschob die Gewichte über Nacht. Dabei bewegten sich die französischen Truppen nicht allein über die Pässe der Westalpen, sondern bewältigten in dampfgetriebenen Schiffen auch den maritimen Anmarsch in Afrika stationierter Kontingente, die in Genua an Land gingen, um dann in zügigen Eisenbahntransporten nach Norden zu gelangen. Durch diese für die österreichische Seite unerwartete Verlagerung des Schwergewichtes war eine strategisch-operative Überraschung gelungen, die den gesamten weiteren Feldzug maßgeblich beeinflussen sollte.

Österreich vermeinte bei seinem am 29. April 1859 erfolgenden Einmarsch in Piemont-Sardinien einen unterlegenen Gegner vor sich zu haben. Durch zögerliches Vorgehen und Unstimmigkeiten in der Planung der offensiven Operationen wurde jedoch die wesentliche Chance vergeben, den Truppen Piemont-Sardiniens vor ihrer Vereinigung mit den französischen Armeen eine entscheidende Niederlage beizubringen.

Doch der Krieg zeigte schon in den ersten Tagen die Schwächen der habsburgischen Armee auf. Der vom kaiserlichen Generaladjutanten Karl Graf Grünne protegierte Gyulai war in der höheren militärischen Führung vollkommen unfähig. Die strategischen Planungen seines Generalstabs lehnte er von vornherein ab. Ebenso fehlten genaue Landkarten. Eine ausreichende Versorgung der Soldaten mit Verpflegung war - im Gegensatz zur französischen Armee - nicht gegeben, von den nötigen Bargeldmitteln ganz zu schweigen.

Gyulai drang mit seiner Armee nach Überschreiten des Tessin (Ticino) in die bereits vom Feind geräumte Lomellina ein. In den nächsten vier Wochen ließ er seine Soldaten je nach Inhalt von Grünnes durch Telegramme übermittelten Befehlen planlos hin und her marschieren. Die Folge war eine erschöpfte eigene Armee und ein ungeschlagener Gegner, der sich mittlerweile mit den Franzosen vereinigt hatte.

Am 4. Juni 1859 kam es zur Schlacht bei Magenta. 56 000 Österreicher standen mit 167 Geschützen 44 000 Franzosen mit 88 Geschützen gegenüber. Nach Anfangserfolgen hatte Gyulai die Schlacht verloren und musste den Rückzug sowie die Räumung der Stadt Mailand befehlen. Die k.k. Armee zog sich auf das linke Ufer Mincio zurück. Gyulai legte das Kommando nieder. Zwischenzeitlich war Kaiser Franz Joseph auf dem Kriegsschauplatz eingetroffen und übernahm persönlich den Oberbefehl. Die nächste Phase der Operationen war nun um den 20. Juni geplant. Am Fluss Chiese sollten Napoleons Truppen und die Sardinier zur Schlacht gefordert werden. Auf dem Vormarsch zum Flusslauf trafen beide Heere unerwartet aufeinander. Die Franzosen überraschten die noch in ihren Nachtruhestellungen befindlichen Österreicher. (Unser Heer, 300 Jahre österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden, S. 245.) Der erste Schusswechsel erfolgte um drei Uhr morgens, bereits um sechs Uhr früh trafen rund 300 000 Soldaten aufeinander.

Aus österreichischer Sicht erhoffte man sich, mit der 2. Armee das Zentrum im Raum Solferino halten zu können, während man mit der 1. Armee die Entscheidung in der südlich davon gelegenen Ebene suchte. Die Franzosen griffen im Zentrum an. Die einzelnen Korps der k.k. Armee erschöpften sich allerdings in kaum zusammenhängenden, kleineren Offensivstößen und konnten ihre kavalleristische Überlegenheit nicht ausnützen, was sie letztlich am Nachmittag desselben Tages zu einem zum Teil chaotischen Rückzug zwang. Die Franzosen nahmen Solferino ein, nur das VIII. Korps unter Feldzeugmeister Ludwig von Benedek am rechten Flügel konnte sich nördlich von Solferino bei San Martino halten und sogar die piemontesischen Truppen zurückwerfen, musste aber spät abends ebenfalls dem Rückzugsbefehl Folge leisten.

Die Schlacht bei Solferino am 24. Juni 1859 wurde mit ungeheurer Heftigkeit geführt und gilt als eine der blutigsten im 19. Jahrhundert. Sie endete nicht nur mit einer bitteren Niederlage für die k.k. Armee, sondern war gleichzeitig die erste persönliche militärische Niederlage Kaiser Franz Josephs. Obwohl die österreichischen Truppen im Festungsviereck von Peschiera - Mantua - Legnago - Verona noch eine starke Rückhaltsposition besaßen und man im französisch-piemontesischen Lager Schwierigkeiten sah, den Kampf fortzuführen, beeilte sich Franz Joseph, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Im Vorfrieden von Villafranca am 8. Juli 1859 wurde die Lombardei von Österreich an Frankreich abgetreten, das sie 1860 an Sardinien-Piemont abtrat. Vereinbarungsgemäß erhielt Frankreich von Sardinien-Piemont das Herzogtum Savoyen und Nizza für seine "Schützenhilfe".

Das Haus Habsburg musste auch hinnehmen, dass seine italienischen Sekundogenituren verloren gingen. Großherzog Leopold II. von Toskana und Herzog Franz V. von Modena wurden durch Volksabstimmungen abgesetzt und Italien zu einem Nationalstaat geeint. Das von Sardinien-Piemont begehrte Venetien verblieb vorerst noch bei Österreich. Diese Bestimmungen wurden im Friedensschluss von Zürich am 10. November 1859 formell bestätigt. Die Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 war also die entscheidende Wende im Kampf für die Einheit Italiens. Denn für die italienische Seite war dieses Ereignis der bislang größte Erfolg des nationalen Einigungsprozesses, während es für die Franzosen einen weiteren Zugewinn an internationalem Prestige, verbunden mit der gelungenen Eindämmung des österreichischen Einflusses, darstellte und für den geschlagenen neoabsolutistischen Kaiserstaat jenen notwendigerweise zu entrichtenden Tribut bedeutete, der dem unentrinnbaren Zwang zur eigenen Selbstbehauptung zu zollen war.

Weitgehend vollzogen wurde diese Einigung durch die revolutionären Ereignisse von 1860/61 durch den militärischen oder freiwilligen Anschluss der Einzelstaaten an Sardinien-Piemont. Vollendet wurde sie nach dem Deutschen Krieg 1866, in dessen Folge Österreich Venetien an Italien verlor. (Die Habsburgermonarchie 1948-1918, Bd. 5 Die bewaffnete Macht, hg. Adam Wandruszka, Peter Urbanitsch, Wien 1987, S. 340-345.)

Das Schlachtfeld von Solferino - danach …

"Der anbrechende Morgen […] enthüllte ein schreckliches Bild. In dem Morast, in den der nächtlich niederströmende Regen das Gelände verwandelt hatte, lagen neben und über toten Menschen- und Pferdeleibern die Verwundeten, hilflos der wachsenden Sonnenglut preisgegeben, die Wunden mit Schlamm bedeckt." (zitiert nach Unser Heer, S. 248.) Insgesamt blieben auf dem Schlachtfeld über 6 000 Tote und 40 000 verwundete Soldaten beider Seiten liegen. Die vorhandenen medizinischen Versorgungseinheiten beider Parteien waren absolut überfordert. Die Franzosen hatten mehr Veterinärmediziner als Humanmediziner für die Versorgung abgestellt, Transporte konnten aus Mangel an geeigneten Fuhrwerken nicht durchgeführt werden und Verbandmaterial war schon vor der Schlacht zurückgelassen worden. Die k.k. Armee hatte vor Kriegsbeginn nahe des mutmaßlichen Kriegsschauplatzes zehn Feldspitäler errichtet, deren Aufnahmekapazität völlig unzureichend war. Der Korpsverbandplatz, auf dem die ersten chirurgischen Eingriffe vorgenommen werden konnten, war rund eine Stunde vom Gefechtsfeld entfernt. Sanitätspatrouillen der k.k. Armee in der Stärke von zehn bis zwölf Mann übernahmen die Bergung auf dem Gefechtsfeld und den Transport bis zum Verbandplatz, doch Teile dieses sanitätsdienstlichen Personals waren bald gefangengenommen worden. Wer noch irgendwie gehen konnte, schleppte sich nach Castiglione in der Hoffnung, dort medizinische Hilfe zu finden.

Der damals 31jährige Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant wollte zu jener Zeit in der Schweizer Niederlassung in Sétif in Algerien eine von ihm gebaute Getreidemühle in Betrieb nehmen. Dafür fehlte ihm allerdings die nötige Konzession, und diese musste Napoleon III. ausstellen. Also reiste Dunant Napoleon III. auf das Schlachtfeld von Solferino nach, wo er am Abend nach der Schlacht eintraf. Erschüttert schilderte er seine Eindrücke: "[…] Auf den steinernen Fliesen der Spitäler und Kirchen von Castiglione liegen Seite an Seite Kranke aller Nationen: Franzosen, Araber, Deutsche und Slawen. Man legt sie einstweilen dort nieder wo Platz ist, und sie haben nicht mehr die Kraft sich zu bewegen und können sich auf dem engen Raum nicht rühren. […] Sie haben schwere Mühen ausgestanden, sie haben Nächte ohne Schlaf verbracht, dennoch können sie keine Ruhe finden. Verzweifelt flehen sie nach einem Arzt, sie werfen sich in Zuckungen hin und her bis schließlich der Starrkrampf eintritt, oder der Tod sie erlöst. Da sind Soldaten, welche glauben, dass das kalte Wasser, das man auf ihre Wunden gießt Würmer erzeugt, aus dieser lächerlichen Angst heraus wollen sie ihre Verbände nicht mehr anfeuchten lassen. Anderen, die man bereits in Feldlazaretten verbunden hat, wird der Verband während ihres erzwungenen Aufenthaltes in Castiglione nicht mehr erneuert. Mit Rücksicht auf die Stöße während des Transports hat man die Binden sehr scharf angezogen. Da sie nun weder erneuert noch gelockert werden, ist dies für die Unglücklichen eine wahre Qual. Ihre Gesichter sind schwarz vor Fliegen, welche sich auf den Wunden sammeln. […] Da sind einige, bei denen Mantel, Hemd, Fleisch und Blut eine unbeschreiblich schauervolle Mischung bilden, in die sich die Würmer eingefressen haben. […] Dort liegt ein völlig entstellter Soldat, dessen Zunge übermäßig lang aus dem zerrissenen und zerschmetterten Kiefer heraushängt. […] Ich benetze seine vertrockneten Lippen und seine verdorrte Zunge. Dann nehme ich eine Handvoll Scharpie, tauche sie in einen Kübel, den man mir nachträgt und drücke das Wasser aus diesem Schwamm in die unförmige Öffnung, die die Stelle des Mundes vertritt. […]" (J. Henry Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, Neuauflage Wien 1997, S. 41-42.) Aus dieser Situation heraus organisierte Dunant notdürftig mit improvisierten Mitteln an Ort und Stelle eine Hilfsaktion. Obwohl bereits jedes Haus in der Umgebung eine Pflegestätte geworden war, gelang es ihm noch, zahlreiche Frauen, teils sogar blutjunge Mädchen, aus dem Volk zu rekrutieren und sie für die Versorgung der verletzten Soldaten einzusetzen. Diese reinigten die verschmutzen Körper, verbanden Wunden und versorgten die Verletzten notdürftigst mit Wasser und spärlich vorhandenen Nahrungsmitteln. Aus Brescia ließ Dunant seinen Kutscher Vorräte holen, darunter getrocknete Kamille, Malven, Zitrusfrüchte, Leinenbinden, Schwämme, Hemden und Stecknadeln. Nun konnte man die Wunden mit Malvenwasser waschen, lauwarme Umschläge machen, die Verbände wechseln und Zitronenlimonade zubereiten. Unterstützt wurde die Versorgung durch Vertreter der Geistlichkeit, die vor allem seelischen Beistand leisteten. In der größten Kirche des Ortes, der Chiese Maggiore, initiierte Dunant die Errichtung eines Behelfsspitals für etwa 500 Patienten. Bis zum 27. Juni blieb Dunant in Castiglione, ehe er nach Genf reiste. Das Geschehene konnte er allerdings nicht vergessen.

(wird fortgesetzt)


Autorin: Mag. Dr. Daniela Claudia Angetter, Jahrgang 1971, Geschichte- und Germanistikstudium an der Universität Wien, 1993 Sponsion, 1995 Promotion zum Dr. phil. mit ausgezeichnetem Erfolg, ab 1996 Militär- und Medizinhistorikerin am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien, seit 2001 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, befasst sich seit der Studienzeit u. a. mit dem österreichischen Militärsanitätswesen, mit Medizin und Nationalsozialismus sowie mit Biographik.

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