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Gläserne Übungen

Echtzeitauswertung macht die Gefechtsausbildung so transparent wie noch nie

Die Einführung der Echtzeitauswertung (EZA) bei den für alle Waffensysteme - vom Sturmgewehr bis zum Kampfpanzer - in Verwendung stehenden Duellsimulatoren ist für das Österreichische Bundesheer ein Meilenstein zur Verbesserung der Gefechtsausbildung. Nunmehr sind Österreichs Soldaten in der Lage, den Kampf der verbundenen Waffen realitätsnah in jedem Gelände und bei jeder Witterung auszubilden. Darüber hinaus kann jede Übungsphase genau mitverfolgt und detailliert ausgewertet werden, um Verbesserungen der Gefechtstechnik und der taktischen Abläufe zu erzielen.

Duellsimulatoren und die dazu gehörigen Auswerteapplikationen bieten den Übenden die Möglichkeit, "ihre" Übung im Detail selbst auszuwerten und daraus Lehren und Konsequenzen zu ziehen (siehe dazu auch "Duellsimulatoren" in TD 2/2004, S. 120, und "Mehr Simulatoren, mehr Möglichkeiten, mehr Effizienz" in TD 5/2007, S. 404). Zur Auswertung größerer Übungen und zur Entlastung der übenden Truppe dienen darüber hinaus zwei Duellsimulations- und Übungsauswertegruppen (eine in Eisenstadt und eine in Saalfelden), die zur Grundlagenabteilung der Heerestruppenschule gehören. Beide Gruppen verfügen über echtzeitfähige Duellsimulatoren sowie über die dazu erforderliche Hard- und Software. Die Duellsimulations- und Übungsauswertegruppen (DuSim&ÜbAuswGrp) sollen

  • die übende Truppe bei der Vorbereitung von Übungen mit Simulatoren beraten,
  • die Übungsteilnehmer mit echtzeitfähigen Duellsimulatoren ausstatten und
  • dem Übungsleitenden die Daten, die für die Übungsauf- und -nachbereitung zur Erreichung der Ausbildungsziele erforderlich sind, gleichsam in Echtzeit liefern.

Beide Duellsimulations- und Übungsauswertegruppen verstehen sich als Serviceeinrichtungen für die Übenden - ohne jede Überprüfungs- und Kontrollfunktion.

Die Einbindung einer Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe ermöglicht die Darstellung aller übenden Parteien (auch mehr als zwei, zum Beispiel beim Üben von Friedensunterstützungseinsätzen) gleichsam in Echtzeit. Dazu werden alle Ereignisdaten (Positionsermittlung mittels Global Positioning System, Status des Übungsteilnehmers, Waffenwirkung usw.) über Datenfunk zum Rechner der eingesetzten Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe übertragen. Die Aktivitäten der Schiedsrichterdienste können genauso gespeichert werden wie die Sanitätsversorgung.

Das (simulierte) Steilfeuer wird computergestützt gemäß der Feuerunterstützungsplanung des Übenden ausgelöst. Die Einsätze von ABC-Kampfmitteln sowie die Sperrmaßnahmen werden - den Vorgaben der Übungsleitung entsprechend - vom Auswerter der Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe über dessen Computer eingespielt. Die Übungsteilnehmer erhalten über die Sprachausgaben der Helm- und Körperausrüstungen bzw. über die Intercom-Anlagen der Kampffahrzeuge unverzüglich aktuelle Informationen, die die Wirkung von Waffen und Kampfmittel betreffen (z. B. Treffer, Schäden am Fahrzeug, Ausfall von Teilsystemen oder Verstrahlung).

Unbewaffnete Radfahrzeuge werden mit so genannten Universalzielsimulatoren ausgestattet. Diese zeigen mittels Sensoren "Treffer" am Fahrzeug an und sind als Passivsysteme ausgelegt. Das bedeutet, dass sie keine eigene Waffenwirkung simulieren. Mit den Universalzielsimulatoren können auch ausländische und zivile Teilnehmer (z. B. Rettungsfahrzeuge) in Übungen eingebunden und in Echtzeit dargestellt werden.

Alle diese Daten sind auf dem Bildschirm der Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe praktisch in Echtzeit verfügbar. Das ermöglicht dem Übungsleiter in Verbindung mit seinem vor Ort eingesetzten Schiedsrichterteam die verzugslose Verfolgung des Übungsverlaufes sowie die detaillierte Auf- und Nachbereitung der Übungsphasen. Dabei können alle gefechtsrelevanten Daten wie z. B. die Faktoren Kraft, Raum und Zeit, der Munitionseinsatz, die Waffenwirkung im Ziel und die Versorgungsabläufe herangezogen werden.

Zur optimalen Auswertung von Übungen sollte ein qualifiziertes Verbindungsorgan zum Übungsleiter den Übungsverlauf direkt am Gefechtsstand der Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe mitverfolgen. In Abstimmung mit dem Übungsleiter können so - unter Heranziehung gefechtsrelevanter Daten - zur Zielerreichung erforderliche Wiederholungen einzelner Phasen festgelegt werden. Weiters besteht die Möglichkeit, in Abstimmung mit dem Übungsleiter jene Gefechtssequenzen auszuwählen, die detailliert aufbereitet bzw. bei der abschließenden Übungsbesprechung detailliert nachbereitet werden sollen.

Mit der Komplettierung des Systems in der Endausbaustufe durch Aufzeichnung des Funkverkehres und Videoaufzeichnungen (z. B. im Ortskampf) wird eine nahezu lückenlose Dokumentation jeder Übung ermöglicht.

Die Voraussetzung dafür ist allerdings eine gediegene Ausbildung an den Duellsimulatoren sowie deren permanente Verwendung bei der Gefechtsausbildung. Nur dann können die volle Leistung der Duellsimulatoren ausgeschöpft und aus den Ergebnissen Lehren zur Weiterentwicklung der Gefechtstechniken und der Taktik gezogen werden.

Tipps für Übungsleiter und Kommandanten

Wie aber kann der Übungsleiter die Echtzeitdarstellung, die dabei gespeicherten Daten und die damit verbundene, bislang unerreichte Transparenz zur Übungsauswertung bestmöglich nutzen?

Die Nutzungs- und Analysemöglichkeiten haben eine große Bandbreite, die bis zur Fehlerkorrektur beim einzelnen "Schützen" reicht. In der Folge werden - unter Zugrundelegung des taktischen Führungsverfahrens - aber nur jene Punkte angesprochen, die mittels Echtzeitauswertung und der dabei zur Verfügung gestellten Daten detailliert bearbeitet werden können und die primär die Kommandanten und Stabsmitglieder betreffen. Grundsätzlich kann die Übung für diese auf zwei Ebenen auf- bzw. nachbereitet werden: auf der taktischen und der stabsdienstlichen.

Bei der Analyse der (der Übung zugrunde liegenden) Feindlage kann vor allem das Ergebnis der eigenen Gefechtsaufklärung untersucht werden. Hiebei ist es möglich, den Meldungen über aufgeklärte Feindteile die tatsächlich eingesetzten Feindteile gegenüberzustellen - unter Berücksichtigung von deren örtlicher und zeitlicher Verfügbarkeit.

Weiters ist es möglich, die eigenen Aufklärungsmaßnahmen u. a. hinsichtlich des eigenen Kräfteeinsatzes, der Raumordnung und der Zeitansätze zu analysieren. Daraus lassen sich - auf der Basis der geltenden Vorschriften - Folgerungen für die Ausrüstung, die Ausstattung, den Zeitplan, die Raumordnung, die Anwendung taktischer Verfahren usw. ableiten.

Im Umkehrschluss lässt die Untersuchung der Aufklärungsergebnisse auch Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der (von der Übungsleitung zugrunde gelegten) taktischen Verfahren des Gegners zu.

Unter Zuhilfenahme der gespeicherten Daten kann demnach zielgenau evaluiert werden, ob die Übenden die vermutliche Feindabsicht im eigenen Verantwortungsbereich erkannt und die erforderlichen Maßnahmen zur richtigen Zeit befohlen und umgesetzt haben.

Der Ersteller der Übung kann aber auch überprüfen, ob die vorgegebene Feindlage das von ihm erwartete Verhalten der Übenden aufgrund der gültigen Normen und Anhalte überhaupt ermöglichte bzw. erwarten ließ.

Die Auswertung der eigenen Lage kann hinsichtlich der Verfügbarkeit der eigenen Kräfte im Allgemeinen und situationsbezogen erfolgen. Möglich ist auch ein Kräftevergleich, z. B. bezogen auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Entschlusses des Kommandanten, aber auch zu jedem beliebigen anderen Zeitpunkt und damit in jeder beliebigen Übungsphase. Erst diese Transparenz - basierend auf detailliert aufbereiteten Daten - ermöglicht Folgerungen hinsichtlich verschiedener Planungshorizonte, der Befehlsreichweiten sowie der Zeiten für das Führungsverfahren, aber auch Kampfkraftvergleiche und Rückschlüsse auf bisher gültige Normen (Bestätigung bzw. Falsifikation).

Ein weiterer Abschnitt der Übungsnachbereitung ist die Analyse der Durchführung mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit der Kampftruppe und der Kampfunterstützungselemente bei der Auftragserfüllung zu ermitteln.

Der auf dem Entschluss des Kommandanten basierende Plan der Durchführung einschließlich der Truppeneinteilung und der Beilagen wie Aufklärungsplan, Feuerplan, Panzerabwehrplan, Sperrunterlagen und Maßnahmen der Truppen-ABC-Abwehr bildet dabei die Grundlage der Bearbeitung. All diese Pläne sind im Auswerterechner gespeichert und werden durch die laufend eingehenden Daten ergänzt bzw. aktualisiert.

Mit diesen Informationen kann der Übungsleiter jede Phase der geplanten Einsatzführung hinsichtlich der Faktoren Kraft, Raum und Zeit, der Wirkung der eingesetzten Kräfte, der Einhaltung der Führungs- und Einsatzgrundsätze sowie der Normen und Anhalte (z. B. die Umsetzung der Anhalte gemäß dem Handakt Taktik der Landesverteidigungsakademie) auswerten.

Die in Echtzeit erfassten Ergebnisse in der Umsetzung des Feuerplanes (gemäß Feuerunterstützungskonzept NEU, Führung und Koordinierung der Steilfeuerunterstützung), des Panzerabwehrplanes, der Sperrunterlagen sowie Maßnahmen aus dem Bereich der ABC-Abwehr ermöglichen eine genaue Analyse des gesamten Bereiches der Kampfunterstützung.

Die detaillierten Daten der Echtzeitauswertung erleichtern die Analyse der Einsatzunterstützung u. a. durch die Darstellung des Munitionsverbrauches der Waffen und Kampffahrzeuge, des Abschubs von schwerem Schadgerät, des Kraftstoffverbrauches (ermittelbar aus der Anzeige der zurückgelegten Wegstrecken der Fahrzeuge), der Verwundetenversorgung, der Versorgung Gefallener und des Personalersatzes.

Das ermöglicht dem Übungsleiter, basierend auf Daten und Fakten, nahezu den gesamten Bereich der Einsatzunterstützung auszuwerten und daraus Folgerungen zur Optimierung von Abläufen zu ziehen.

Im Bereich Führungsunterstützung können z. B. die Fernmeldeverbindungen hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Klarheit aufgrund der Auswirkungen der befohlenen Maßnahmen auf dem Gefechtsfeld ausgewertet werden.

Zusätzlich hat der Übungsleiter die Möglichkeit, die während der Übung am Gefechtsstand erfassten Daten mit den "realen" Daten der Echtzeitauswertung zu vergleichen. Auch die Abläufe auf dem Gefechtsstand sowie die Auswirkung der Befehle auf dem Gefechtsfeld können mit Hilfe der Auswertungsdaten evaluiert werden. Daraus ergeben sich gesicherte Aussagen über die Aktualität der Lageführung auf dem Gefechtsstand, über die Abläufe im Stab (z. B. Informationsverarbeitung, Bearbeitungszeiten, Aktualität, Prioritätenreihung, Bearbeitungszuständigkeit, Steuerungsmaßnahmen, inhaltliche Umsetzung), aber auch über die konkreten Auswirkungen der Stabsarbeit auf dem Gefechtsfeld.

Unverzichtbar: Zeit zur Nachbereitung

Die Nachbereitung einer Übung erfordert Zeit! Deshalb sollte jeder Übungsleiter bzw. Kommandant dafür von vorneherein entsprechende Zeitansätze einplanen. Nur dann können nachhaltig Lehren aus Übungen gezogen werden. Eine gediegene Übungsnachbereitung dient somit der Qualitätssicherung der Ausbildung im Österreichischen Bundesheer.

Eine Übung ist erst dann wirklich erfolgreich abgeschlossen, wenn unter Einbindung aller verfügbaren Quellen eine gediegene, gründliche Nachbereitung durchgeführt wurde und die daraus resultierenden Folgerungen konsequent umgesetzt werden.

Wer seine Tätigkeit als Übungsleiter oder Kommandant ernst nimmt, sollte - im Sinne der einsatznahen Ausbildung seiner Soldaten - die einzigartige Möglichkeit der Übungsnachbereitung mittels Echtzeitauswertung nützen. Damit wären auf lange Sicht alle Übungsteilnehmer Gewinner!


Autor: Oberst Ernst Gögele, MSD, Jahrgang 1957. 1981 als Jägeroffizier an die Jägerschule (Saalfelden) ausgemustert, Verwendung als Lehroffizier Jäger und Hauptlehroffizier Truppenpionierdienst und ABC-Abwehr. 1998 Abschluss des Truppenkommandantenkurses. Ab 2001 Abteilungsleiter der Lehrabteilung 1 der Jägerschule; 2006 Abschluss des Lehrganges universitären Charakters "Sicherheitsmanagement", 2007 Verwendung im BMLV im Rahmen von BH2010. Seit 2008 Kommandant der 2. Duellsimulations- und Übungsauswertegruppe der Grundlagenabteilung der Heerestruppenschule (Wallner-Kaserne, Saalfelden). Auslandseinsätze auf Zypern (1987/88) und in Kuwait (1992/93).

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