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150 Jahre Schlacht bei Solferino (II)

Die Gründung des Roten Kreuzes

Noch unter dem Eindruck der Schlacht von Solferino gründeten Henry Dunant, Gustave Moynier, Guillaume-Henri Dufour, Louis Appia und Théodore Maunoir 1863 das "Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege", aus dem 1876 das "Internationale Komitee vom Roten Kreuz" entstand.

In seinem 1862 erschienenen Tatsachenbericht "Un Souvenir de Solférino", zu Deutsch "Eine Erinnerung an Solferino", verarbeitete Dunant nicht nur seine Eindrücke und Erlebnisse, sondern erschütterte mit seiner Beschreibung der Schlacht und des Schicksals der verwundeten Soldaten ganz Europa. Das Buch war ein Riesenerfolg, wurde in fast alle Sprachen der Welt übersetzt und vor allem von einflussreichen Herrschern und Staatsmännern, aber auch Heerführern, Ärzten, Schriftstellern und Geistlichen gelesen. Als Lösung zur Verbesserung der Militärsanitätsdienste schlug Dunant vor, in Friedenszeiten freiwillige Helfer ausbilden zu lassen, deren neutrale Rolle auch auf dem Schlachtfeld anerkannt werden sollte: "So braucht man also freiwillige Wärter und Wärterinnen, die im voraus ausgebildet, geschickt und mit ihrer Aufgabe vertraut sind, die außerdem von den Armeeführern anerkannt und daher in jeder Weise unterstützt werden." (J. Henry Dunant, Eine Erinnerung an Solferino, Neuauflage Wien 1997, S. 87) Vier Genfer, der Jurist Gustave Moynier, General Guillaume-Henri Dufour sowie die Ärzte Louis Appia und Théodore Maunoir, schlossen sich Dunant an und gründeten das "Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege", aus dem 1876 das "Internationale Komitee vom Roten Kreuz" (IKRK) entstand. Das erste Treffen des fünfköpfigen Komitees erfolgte am 17. Februar 1863. Von Anbeginn an vertrat man die Ansicht, dass die freiwillige militärsanitätsdienstliche Versorgung ohne Risiko für das ärztliche und das Pflegepersonal erfolgen müsse.

Am 25. August 1863 entschied das Komitee die Abhaltung einer internationalen Konferenz zur Verbesserung der medizinischen Leistungen bei militärischen Einsätzen. Man stellte sich die Aufgabe, "über Mittel, mit denen man dem Sanitätsdienst im Felde zur Hilfe kommen könnte" zu beraten. Einladungen zu dieser Konferenz ergingen an alle europäischen Staaten, führende Persönlichkeiten und wohltätige Organisationen. Rege Werbetätigkeit für die Ziele des Komitees in Deutschland, Österreich, Frankreich und England sollte zahlreiche Zusagen zur Teilnahme an der Konferenz erwirken. Diese Genfer Konferenz, bei der 36 Teilnehmer, darunter 14 Regierungsdelegierte, sechs Delegierte von verschiedenen Organisationen und sieben Privatleute anwesend waren, wurde durch General Dufour am 26. Oktober 1863 eröffnet. Sie endete mit dem Beschluss von zehn Resolutionen, die das Wohlergehen verwundeter Soldaten sicherstellen sollten. Damit war der eigentliche Gründungsakt des Roten Kreuzes gesetzt, da in diesen Beschlüssen alle Grundlagen enthalten sind, auf denen das heutige völkerrechtliche Vertragswerk der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften beruht. Bereits 1864 unterzeichneten zwölf Staaten einen Vertragsentwurf des Internationalen Komitees zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten im Feld.

In dieser "Ersten Genfer Konvention" wurde festgelegt, dass Ambulanzen, Lazarette und das Sanitätspersonal des Roten Kreuzes als neutral anerkannt, geschützt und geachtet werden und Verwundete ohne Unterschied der Nationalität und Partei aufgenommen, versorgt und gepflegt werden müssen. Dieses Abkommen verbot kriegführenden Ländern, Verwundete zu misshandeln oder zu töten, und verpflichtete sie zur Hilfeleistung. Ebenso war die Zerstörung sanitätsdienstlicher Einrichtungen untersagt. Ärzte und Pflegepersonal genossen internationalen Schutz (siehe auch Daniela Angetter, Krieg als Vater der Medizin, Wien 2004, S. 46). Das Rote Kreuz wurde fortan ein wichtiger Faktor in der Verwundeten- und Krankenpflege. Sein international anerkanntes Schutzzeichen ist ein rotes Kreuz auf weißem Grund. Diese Umkehrung der Schweizer Flagge wurde zu Ehren Dunants sowie des Gründungslandes des Roten Kreuzes gewählt. 1876 wurde in den islamischen Ländern als zusätzliches Zeichen der rote Halbmond eingeführt. Der Iran verwendete zwischen 1924 und 1980 einen Roten Löwen mit der Sonne. Seit Dezember 2005 gibt es zusätzlich das Schutzzeichen des Roten Kristalls für jene Länder, die weder das Rote Kreuz noch den Roten Halbmond als Symbol führen wollen.

Österreich trat der Genfer Konvention im Jahre 1866 bei. 1880 wurde die "Österreichische Gesellschaft vom Rothen Kreuze", der Vorläufer des heutigen Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), gegründet.

Dem Ersten Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde aus 1864 folgte 1907 das Zweite Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, 1929 das Dritte Genfer Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen und 1949 das Vierte Genfer Abkommen zum Schutz der Zivilpersonen in Kriegszeiten. 1977 wurden zwei Zusatzprotokolle, nämlich der Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte und der Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte angeschlossen. Allen vier Genfer Konventionen ist folgender Satz gemein: "Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Mitglieder der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder irgendeine andere Ursache außer Kampf gesetzt sind, werden unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt, ohne jede auf Rasse, Farbe, Religion oder Glauben, Geschlecht, Geburt oder Vermögen oder auf irgendeinem anderen ähnlichen Unterscheidungsmerkmal beruhender Benachteiligung." Die Republik Österreich hat im Jahre 1953 die vier Genfer Abkommen in der Fassung aus 1949 sowie 1982 die beiden Zusatzprotokolle ratifiziert. Daraus erwachsen Österreich Verpflichtungen, das Internationale Rote Kreuz in seinen Wirkungsbereichen nach den Inhalten der Genfer Konventionen zu unterstützen.

Derzeit gibt es 186 anerkannte Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, also in fast allen Staaten der Welt. Freiwillige und hauptberufliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leisten weltweit rund um die Uhr ihren Dienst für Menschen in Not nach einheitlichen Grundsätzen im Zeichen der Menschlichkeit (Quelle:Archiv des Österreichischen Roten Kreuzes, Wien).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist die älteste international tätige humanitäre Organisation. Seine weltweiten Aktivitäten beinhalten die Vermittlung zwischen Kriegsparteien, die Pflege von Verwundeten, den Besuch von Kriegsgefangenen und politischen Häftlingen, die Wiederherstellung des Kontaktes zu Angehörigen, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und weitere Formen der Unterstützung von Konfliktopfern. Die 186 nationalen Gesellschaften sorgen für die Umsetzung der Ziele und Grundsätze der Bewegung. In jedem Land kann es nur eine einzige anerkannte Rotkreuz- oder Rothalbmondgesellschaft geben. Diese muss so autonom sein, dass sie ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit den Rotkreuzgrundsätzen ausüben kann. Insgesamt hat diese Bewegung heute rund 100 Millionen Mitglieder und beschäftigt 275 000 Personen hauptberuflich. Das 1880 gegründete Österreichische Rote Kreuz ist mit seinen heute rund 5 500 hauptberuflichen und 48 500 freiwilligen Mitarbeitern Teil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Die Aufgaben des ÖRK umfassen Rettungs- und Krankentransportdienst, Gesundheits- und soziale Dienste, Blutspendedienst, Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit, Suchdienst, Aus- und Fortbildungen. Diese werden an mehr als 1 000 Standorten durchgeführt.


Henry Dunant

Henry Dunant wurde am 8. Mai 1828 in Genf als Jean-Henri Dunant geboren. Aus einer calvinistisch frommen Familie stammend, begann der älteste Sohn eines reichen Kaufmanns ohne höheren Schulabschluss eine Ausbildung zum Bankangestellten und war zunächst auch im Bankwesen tätig. Geprägt von den wohltätigen Aktivitäten seiner Eltern engagierte sich Dunant von Jugend an für Arme, Hilfsbedürftige und sozial Schwache. 1853 reiste er geschäftlich nach Algerien, Tunesien und Sizilien. 1856 gründete er eine Kolonialgesellschaft, wo er im französisch besetzten Algerien eine Landkonzession und 1858 ein Mühlengeschäft erwarb. Dunant, der zufällig an den Schauplatz des entsetzlichen Geschehens bei Solferino gelangt war, weil er zur Erlangung einer Konzession eine Audienz bei Napoleon III. beantragt hatte, begnügte sich jedoch nicht mit der Rolle des Beobachters.

Für ihn bedeutete der spontane Entschluss, unabhängig von der Nationalität der Kriegsopfer unmittelbar persönliche, neutrale und unparteiliche Hilfe zu leisten, zu organisieren und die beschafften Hilfsgüter aus eigener Tasche zu bezahlen, eine Lebenswende. Seinem Beispiel folgend, wurden von den Bewohnern der umliegenden Dörfer die Verwundeten aller Armeen mit derselben Güte und Hingabe geborgen, gepflegt und versorgt. "Tutti fratelli!" ("Wir sind alle Brüder!") war der humanitäre Grundsatz, der zum geflügelten Wort jener entscheidenden Stunden wurde.

Mit der Gründung des Internationalen Komitees zur Versorgung Verwundeter und der Funktion als Geschäftsführer dieses Komitees nahm sein Bekanntheitsgrad stetig zu. Bald ging er in den herrschaftlichen Häusern Europas ein und aus. 1867 wurde er nach dem Bankrott seiner algerischen Firmen vom Genfer Handelsgericht aber als Betrüger hingestellt. Somit musste er auch die Geschäftsführung des Rotkreuz-Komitees zurücklegen, zumal es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Moynier gab. Dunant lebte zunächst fast mittellos in den Straßen von Paris und versuchte sich - allerdings erfolglos - für Verwundete und Kriegsgefangene einzusetzen. Dennoch wurde er Ehrenmitglied der nationalen Rotkreuzbewegungen von Österreich, den Niederlanden, Schweden, Preußen und Spanien. Während des Deutsch-Französischen Krieges im 1870/71 gründete Dunant eine Allgemeine Fürsorgegesellschaft und kurz darauf die "Allgemeine Allianz für Ordnung und Zivilisation" und spendete den nach Paris gebrachten Verwundeten persönlich Trost. Damals führte er die Militärmarke zur Identifizierung gefallener Soldaten ein. Nach dem Friedensschluss beschäftigte ihn erneut das Problem der Kriegsgefangenen. Sein Bestreben, eine diplomatische Konferenz einzuberufen, wurde seitens Russlands unterstützt, England hingegen boykottierte ihn. In der Folge verfasste er Artikel und hielt Vorträge, nachdem er sich schon Anfang der 1860er-Jahre für die Befreiung der Sklaven in Nordamerika eingesetzt hatte, und regte die Gründung einer Weltbibliothek an. Trotz allen öffentlichen Interesses folgten für Dunant Jahre des unsteten Wanderlebens und völliger Armut. Sein Weg führte ihn in das Elsass-Gebiet, weiter nach Deutschland und Italien und endete 1887 im schweizerischen Dorf Heiden, wo er im dortigen Bezirksspital seinen Lebensabend verbrachte. Als in einer deutschen Illustrierten 1895 ein Zeitungsbericht über Dunant als Begründer des Roten Kreuzes erschien, schien die Erinnerung an ihn zurückgekehrt. Dunant erhielt zahlreiche Ehrungen und eine jährliche Rente von Maria Feodorowna, der Witwe des russischen Zaren. In dieser Zeit lernte Dunant auch Bertha von Suttner persönlich kennen und führte mit ihr einen regen Briefwechsel. 1901 wurde ihm gemeinsam mit dem französischen Pazifisten Frédéric Passy der erste Friedensnobelpreis verliehen. 1903 erhielt er ein Ehrendoktorat für Medizin. Am 30. Oktober 1910 starb er in Heiden.

Die international anerkannten Schutzzeichen

Rotes Kreuz: Von den 186 anerkannten nationalen Gesellschaften verwenden derzeit 152 das Rote Kreuz als Kennzeichen. Ursprünglich zwar als Schutzsymbol ohne religiöse Bedeutung eingeführt, erklärte das IKRK im Jahre 1878 jedoch, dass der Grundsatz der Menschlichkeit wichtiger sei, als jede religiöse Überzeugung und somit für nicht-christliche Staaten die Möglichkeit bestünde, ein anderes Schutzzeichen als das Kreuz in die Genfer Konventionen aufzunehmen.

Roter Halbmond: Der Rote Halbmond wurde erstmals im Russisch-Türkischen Krieg (1876-78) vom Osmanischen Reich geführt, und im Jahre 1929 durch eine diplomatische Konferenz der Unterzeichnerstaaten der Genfer Konventionen als gleichberechtigtes Schutzzeichen anerkannt. Seither dient er in dieser Rolle in fast allen islamisch geprägten Ländern als Symbol.

Roter Kristall: Bereits im Jahr 2000 gab es nach einer über mehrere Jahre geführten Diskussion erstmals einen Versuch, ein weiteres Zeichen neben dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond einzuführen. Hintergrund war die Debatte um die Anerkennung der israelischen Gesellschaft Magen David Adom (mit ihrem Roten Davidstern), die zahlreiche islamische Staaten seit Jahrzehnten blockieren. Am 21. Juni 2006 wurde auch der Rote Kristall weltweit anerkannt.


Autorin: Mag. Dr. Daniela Claudia Angetter, Jahrgang 1971, Geschichte- und Germanistikstudium an der Universität Wien, 1993 Sponsion, 1995 Promotion zum Dr. phil. mit ausgezeichnetem Erfolg, ab 1996 Militär- und Medizinhistorikerin am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien, seit 2001 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, befasst sich seit der Studienzeit u. a. mit dem österreichischen Militärsanitätswesen, mit Medizin und Nationalsozialismus sowie mit Biographik.

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