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Europäische Sicherheitsarchitektur und Österreich

Der Stellenwert Österreichs in der europäischen Sicherheitslandschaft hat sich seit dem Beginn dieses Jahrzehnts sukzessive verändert. Nach der Auflösung des Warschauer Paktes verlor unser Land zunächst seine strategische Position als territoriale ”Pufferzone” zwischen den beiden Bündnissystemen. Im Zuge der weiteren Entwicklung konnte sich die NATO als wirksamste Organisation sicherheitspolitischen Konfliktma-nagements profilieren, weil sie über politische Maßnahmen hinaus auch über militärische Mittel verfügt und daher tatsächlich ”umfassend” tätig werden kann. Die Allianz bildet nunmehr zweifellos das Kernstück einer europäischen Sicherheitsarchitektur.

Reaktion Österreichs

Österreich reagierte zunächst vorsichtig auf diese Entwicklungen, was sich erstmals in einem Beschluß des außenpolitischen Ausschusses des Nationalrates im November 1992 betreffend der ”Entwicklung eines Systems der kollektiven Sicherheit in Europa” niederschlug. Damit wurde die Bundesregierung zur Sicherstellung der Teilnahme Österreichs an der Entwicklung eines derartigen Sicherheitskollektivs aufgefordert.
1995 trat Österreich dann der 1994 initiierten NATO-Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace/PfP, später ”erweiterte” Partnerschaft für den Frieden/PfP+) bei, deren Schwerpunkt die Zusammenarbeit mit Nicht-NATO-Staaten insbesondere im Bereich von Friedensmissionen ist.
Im Oktober 1995 nahm das Bundesheer mit einem Versorgungsstab erstmals an einer PfP-Übung teil. Im gleichen Jahr beschloß Österreich, sich mit einer Transportkompanie an der NATO-Operation zur Implementierung des Abkommens von Dayton (IFOR) zu beteiligen - auch für die Nachfolgemission SFOR stellt Österreich ein Kontingent.
Inzwischen nimmt das Bundesheer regelmäßig an PfP-Übungen teil, z.B. 1996 mit 47 Mann an ”Cooperative Osprey ‘96” (USA) und 1997 mit 43 Mann an ”Cooperative Safeguard ‘97” (Island). Im November 1998 findet in Slowenien die Übung ”Cooperative Adventure Exchange ‘98” statt, an der das Bundesheer mit rund 300 Soldaten (Infanterie und Sanitätspersonal) teilnimmt.

Weiterführende sicherheitspolitische Optionen

Im März 1996 vereinbarte die Regierungskoalition, ”alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen, einschließlich der Frage einer Vollmitgliedschaft Österreichs in der WEU, einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen und dem Parlament hierüber ... spätestens im Laufe des ersten Quartals 1998 zu berichten.” Die Tatsache, daß sich die Koalition bis März 1998 über den sogenannten ”Optionenbericht” letztlich nicht einigen konnte, führte die Uneinigkeit der Regierung über die sicherheitspolitische Zukunft des Landes gerade in einem Jahr, in welchem Österreich ab Jahresmitte den EU-Vorsitz zu übernehmen hatte, drastisch vor Augen.
Die für das Scheitern des Optionenberichtes letztlich verantwortliche zentrale Passage im Entwurf lautet: ”Deshalb beauftragt die Bundesregierung den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, ... einen intensiven Dialog aufzunehmen. Mit der NATO wird dieser in Form eines ‘intensivierten Dialogs’ geführt werden.”
Zentrum dieser Uneinigkeit ist der Status der immerwährenden Neutralität, der sich nicht mit der in Art. 5 der NATO-Gründungsakte festgelegten Beistandspflicht zwischen den Mitgliedern im Angriffsfall vereinbaren läßt. Für diejenigen, welche die sich in letzter Zeit verdichtenden zeitgeschichtlichen Indizien (etwa am Beispiel Schweden) für die seinerzeitige Wirkungslosigkeit dieser Neutralität im Falle einer Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt als Manipulation abtun, ist sie weiterhin der Garant für die zukünftige Unantastbarkeit des Landes bei kriegerischen Handlungen im Umfeld.

Sicherheitspolitische Isolation

Im Zuge ihres 50jährigen Bestandsjubiläums im April 1999 wird die NATO, wie im ”Gipfel von Madrid” im Juli 1997 beschlossen, Ungarn, Polen und Tschechien als neue Mitglieder aufnehmen. Außerdem werden die Weichen für eine weitere Aufnahmerunde im Jahr 2002 gestellt werden, wobei Slowenien, Rumänien und evtl. Bulgarien Berücksichtigung finden könnten. Daraus resultiert die verbreitete Auffassung mancher Österreicher, daß ein Beitritt zur NATO gar nicht notwendig sei, da das Land ohnedies in naher Zukunft von NATO-Mitgliedern umgeben sein wird. Diese von Kritikern als imageschädigende ”Trittbrettfahrermentalität” bezeichnete Haltung negiert allerdings die schädlichen Auswirkungen einer tendenziellen sicherheitspolitischen Isolation.

Europäische Solidarität

Österreich nimmt als EU-Mitglied an der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion teil und kann dort auch als verhältnismäßig kleines Land mitreden, mitbestimmen und somit mitgestalten. Spätestens seit der Ratifizierung des im Juni 1997 geschlossenen ”Amsterdamer Vertrages” durch Österreich, der eine stärkere Einbindung der bereits im ”Vertrag von Maastricht” zum ”integralen Bestandteil der Entwicklung der EU” aufgewerteten WEU in die EU vorsieht und langfristig sogar auf eine Verschmelzung der beiden Organisationen abzielt, hat Österreich de facto seine europäische Solidarität auch im Sicherheitsbereich vor der Neutralität signalisiert. Schon in der ”Petersberger Erklärung” vom Juni 1992 hatten sich die WEU-Mitglieder nämlich bereit erklärt, militärische Einheiten auch ”für friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich der Maßnahmen zur Herbeiführung des Friedens” zu stellen.
Bereits der innerösterreichische Entscheidungsprozeß für den EU-Beitritt war langwierig und mühsam, ebenso die Debatte über die Teilnahme an der europäischen Einheitswährung. Eine stärkere Einbindung in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik/GASP erfordert natürlich ebenfalls wohlüberlegtes und verantwortungsvolles Abwägen möglicher Vor- und Nachteile für das Land. Im Falle der Wirtschafts- und Währungsunion bot sich für Österreich die Alternative ”Partizipation oder Isolation”, ”mitentscheiden oder draußen bleiben”. Die Entscheidung für eine aktive europäische Solidarität resultierte also letztlich aus der Frage der Alternativen. Die gegenwärtige sicherheitspolitische ”Alternative” Österreichs zu einem NATO-Beitritt wäre wohl nur, gegebenenfalls Solidarität zu demonstrieren und sich an NATO-Einsätzen zu beteiligen, jedoch in den Entscheidungsprozessen keine Stimme zu besitzen. Noch hat Österreich die Wahl.

MjrdhmfD Mag. Walter EISELSBERG, ÖMZ

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