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Wissen Sie wirklich etwas über den Islam?

Lange hat sich die westliche Öffentlichkeit nur oberflächlich mit der weltweit zweitgrößten monotheistischen Religion auseinandergesetzt. Die Bilder, die sich viele Europäer vom Mittleren Osten und dem Islam machen, reichen daher vom romantisch verklärten edlen Orientalen über den Krummsäbel schwingenden Türkenkrieger vor Wien bis zum Mullah mit dem Sturmgewehr oder Osama bin Ladens Videobotschaften. Diese Bilder sind aber lediglich kleine Ausschnitte, die manchmal aus Unwissen, manchmal aber auch aus politischen Gründen gezielt eingesetzt werden. Dem Gesamtbild der sehr heterogenen Islamischen Welt werden sie in keiner Weise gerecht.

Im Fernsehen sind es die einstürzenden Twin Towers und in der U-Bahn die Frauen mit den Kopftüchern: Neben Berichten und Kommentaren über den Anschlag auf das World Trade Center, über die Kriege in Afghanistan und im Irak (von den meisten europäischen und US-amerikanischen Medien monokausal als religiös motivierte Konflikte dargestellt) oder über ähnliche Ereignisse prägen auch die zahlreichen muslimischen Migranten in den europäischen Großstädten das hiesige Bild vom Islam. Genau diese eingebürgerten muslimischen Europäer werden nicht - wie viele meinen - in Zukunft eine soziale Realität darstellen, mit der man sich irgendwann einmal beschäftigen muss, sie stellen bereits jetzt eine solche dar, man hat sie nur bis dato größtenteils ignoriert.

Dem müssen auch die Angehörigen des Österreichischen Bundesheers Rechnung tragen. Letztere sind oftmals sogar direkt und persönlich davon betroffen - sei es bei Auslandseinsätzen in islamisch dominierten Regionen (Golan, Bosnien, Kosovo, …) oder bei der Ausbildung muslimischer Rekruten und Kaderanwärter.

Der Beitrag soll ein Einstieg in die Materie sein und gleichzeitig eine kleine Hilfe zum besseren Verständnis bieten.

Ein Blick in die Geschichte Über die Zeit vor dem Islam gibt es für Arabien nur wenige historische Quellen. Der Großteil der verfügbaren Informationen stammt aus der arabischen Literatur des 6. Jahrhunderts.

Während es in Südarabien bereits starke jüdische und christliche Einflüsse gab, ist Zentralarabien zur Zeit der Geburt des islamischen Propheten Muhammad ("Mohammed") noch vorwiegend von polytheistischen Religionen geprägt. Zahlreiche Stammesheiligtümer, wie Bäume, Steine und Grotten waren das Ziel von Wallfahrten. Das wichtigste Wallfahrtszentrum dieser Zeit war Mekka mit seinem berühmten schwarzen Stein, der Kaaba.

Der Prophet Muhammad …

Muhammad wurde um das Jahr 570 abendländischer Zeitrechnung als Sohn des Abdallah aus dem Clan Hashim (Stamm Quraysh) in Mekka geboren. Seinen Vater lernte Muhammad jedoch nie kennen, denn Abdallah starb noch vor der Geburt seines Sohnes. Auch seine Mutter verlor er relativ früh, deshalb wuchs er zuerst bei seinem Großvater und später bei seinem Onkel Abu Talib auf. Als junger Mann trat Muhammad in die Dienste einer reichen Kaufmannswitwe, ehelichte diese einige Jahre später und leitete auch nach der Heirat ihr Unternehmen als Prokurist. Mekka war zu dieser Zeit nicht nur die wichtigste Pilgerstätte Westarabiens, sondern auch ein bedeutender Handelsknotenpunkt an der Weihrauchstraße zwischen Syrien und dem Jemen.

Der Islam hat seinen Ausgangspunkt demnach in einem wirtschaftlich prosperierenden urbanen Zentrum. Er ist damit keineswegs, wie er oft romantisiert dargestellt wird, eine Religion der Wüste, sondern eher eine städtische Erscheinung. Auch in seiner weiteren Geschichte bleibt der Islam urban geprägt. Seine Zentren waren Basra, Kufa, Damaskus, Bagdad, Cordoba usw.

… und die Entstehung des Islam

Um das Jahr 610, also im Alter von ungefähr 40 Jahren, hatte Muhammad in einer Höhle am Berg Hira bei meditativen und asketischen Praktiken seine ersten Visionen. In diesen übermittelte ihm der Erzengel Gabriel Teile des Korans, die vor allem von dem einen Gott (Allah) und vom Jüngsten Gericht handeln. Von diesen Visionen erfuhren vorerst nur Muhammads engste Vertraute, nämlich seine Frau Khadiga und sein Cousin und späterer Schwiegersohn Ali, der Sohn Abu Talibs. Beide gelten nach muslimischer Auffassung als die ersten Anhänger des Islam. Muhammad sah sich als Gesandter Gottes in der Nachfolge der vor ihm gesandten Propheten des Juden- und Christentums. Muhammad selbst hat sich immer als Mensch gesehen und niemals als göttliches Wesen. Das Wort Islam bedeutet die völlige Hingabe an den Willen Gottes; derjenige, der sich Gottes Willen unterwirft, ist der Muslim. Als strenger Monotheismus grenzt sich damit dieser Glaube klar von den alten polytheistischen Religionen der arabischen Halbinsel ab.

Muhammads Anhängerschaft blieb relativ begrenzt und rekrutierte sich anfangs vor allem aus den sozialen Unterschichten. Nicht zuletzt aufgrund seines sozialen und politischen Engagements begann in Mekka der Widerstand gegen ihn und seinen Clan zu wachsen.

Als 619 seine Gattin Khadiga und sein Onkel und Ziehvater Abu Talib starben, verschärfte sich in Mekka die Lage für Muhammad. So begann er Verhandlungen mit den Oberhäuptern zweier Stämme aus Yathrib, dem späteren Medina, zu führen, die 621 zu einem Abschluss kamen. Sie solten die Auswanderung seiner Anhänger in diese 350 Kilometer nordwestlich von Mekka gelegene Stadt regeln. Nachdem der Umzug der Gemeinde mehrere Monate gedauert hatte, trafen zuletzt auch Muhammad und sein enger Vertrauter Abu Bakr am 24. September 622 in Yathrib ein. Dieses Ereignis wird in der islamischen Geschichtsschreibung Hijra ("Hedschra", "Flucht nach Medina") genannt und aufgrund seiner Wichtigkeit vom späteren Kalifen Omar zum Jahr 1 der neuen islamischen Zeitrechnung erklärt. Demnach fällt z. B. heuer der Österreichische Nationalfeiertag, der 26. Oktober 2005, auf den 23. Ramadan 1426.

In Yathrib schaffte es Muhammad, seine Macht stark auszubauen. Im Jahre 623 entstand die "Gemeindeordnung von Medina", die heute als erste islamische Verfassung gilt. Das Besondere an diesem Regelwerk ist, dass es nicht, wie damals großteils üblich, für einen abstammungsmäßig definierten Stamm galt, sondern dass sich eine ideologisch ausgerichtete Gruppe dieser Ordnung unterwarf. Muhammad nahm dabei gleichsam die Stellung des Stammesführers ein.

Eines der Hauptziele dieser neuen Ideologie war es, sämtliche Stammesgrenzen zu entfernen und ein egalitäres System zu etablieren, bei dem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe keine soziale und politische Rolle mehr spielen sollte.

Muhammad, der sich bis zu diesem Zeitpunkt in direkter Tradition mit dem Christen- und Judentum sah, begann nun, seine Religion bewusster von diesen beiden Strömungen abzugrenzen. Um den Islam stärker als eigene Religion zu profilieren, wurde die Gebetsrichtung von Jerusalem nach Mekka gewechselt und der Fastenmonat Ramadan eingeführt. Die geänderte Gebetsrichtung war aber auch ein Anzeichen für die neue politische Orientierung, denn Muhammad konzentrierte sich zunehmend darauf, seine ehemalige Heimatstadt militärisch und ideologisch zu erobern. Nach einigen kleineren, über mehrere Jahre andauernden Kämpfen gelang es ihm schließlich, nach acht Jahren Abwesenheit im Triumph in seine Heimatstadt einzuziehen. Von den Einwohnern Mekkas, die ihn noch einige Jahre vorher vertrieben hatten, wurde er nun freundlich empfangen.

Im selben Jahr bekehrte Muhammad die Stämme Arabiens zum Islam, teils durch Verträge, teils durch Heiratspolitik und teils durch militärische Mittel. Zwei Jahre später starb er in den Armen seiner Lieblingsfrau A’ischa.

Muhammad hatte verabsäumt, rechtzeitig vor seinem Tode ausdrücklich einen Nachfolger zu bestimmen. Er hinterließ auch kein Regelwerk für die Auswahl eines solchen, weshalb es zu Streitigkeiten unter seinen Anhängern kam, die später zur Trennung zwischen Sunniten und Schiiten führte.

Der Koran

Der Koran ist das heilige Buch der Muslime, egal welcher Gruppe sie sich zuordnen. Für die gläubigen Muslime ist er das Wort Gottes, das er seinem Propheten Muhammad durch den Erzengel Gabriel in arabischer Sprache diktiert hat. Die arabische Bezeichnung Qur’an bedeutet auch nichts anderes als "rezitiere". Die Sprache des Korans ist also arabisch, und heute noch werden sämtliche Übersetzungen desselben in andere Sprachen lediglich als "Kommentare" bezeichnet, weil die arabische Version als unübersetzbar gilt.

Zu Lebzeiten Muhammads existierte der Koran nur in mündlicher Form. Muhammad selbst und viele seiner Gefährten waren in der Lage, ihn vollständig auswendig zu rezitieren.

Die erste schriftliche Ausgabe geht auf den dritten Khalifen Uthman ("Osman") zurück, der alle verfügbaren mündlichen und schriftlichen Quellen auswertete und zusammenfasste. Dies geschah nur wenige Jahre nach dem Tode Muhammads. Viele seiner frühen Anhänger, die dafür als wichtigste Quellen gelten, waren damals noch am Leben. Diese Ausgabe, auch "Osmanischer Koran" genannt, wurde nun für verbindlich erklärt und in die wichtigsten islamischen Zentren der damaligen Zeit verschickt.

Man unterscheidet so genannte mekkanische und medinensische Suren, wobei erstere eher spirituell und zweitere eher legislativ geprägt sind, weil sie zunehmend das Gemeinwesen in Medina zu regeln hatten.

Auch heute sind Muslime, die den gesamten Koran auswendig rezitieren können, keine Seltenheit. Besonders Knaben mit schönen Stimmen werden schon früh für diese Aufgabe vorgesehen. Sie dürfen nach erreichtem Ziel den Titel Hafiz führen.

Die Fünf Säulen des Islam

Unter der Vielzahl der islamischen Vorschriften gibt es für den gläubigen Muslim Grundpflichten, die als die "Fünf Säulen" bezeichnet werden:

Das Glaubensbekenntnis

"Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt und dass Muhammad der Gesandte Gottes ist." Das einfache Aussprechen dieses Satzes in arabischer Sprache und vor Zeugen macht einen erwachsenen und mündigen Menschen zum Muslim. Er bekennt sich damit zum absoluten Monotheismus sowie zu Muhammad als dessen wichtigsten Verkünder und somit auch zum Koran, als das ihm offenbarte Wort Gottes.

Das Glaubensbekenntnis (Schahada) steht in diesem Wortlaut nicht im Koran, sondern wurde in den ersten Jahrhunderten in Abgrenzung zu anderen Religionen entwickelt. Vor allem der zweite Teil dieses Credos zieht eine Trennlinie zu Christen- und Judentum.

Der Wechsel zu einer anderen Religion ist, wenn man vorher zum Islam konvertiert oder als Muslim geboren ist, von islamischer Seite verboten.

Das Gebet

Der zweite Stützpfeiler der Religion sind die täglichen Ritualgebete (Salat). Fünfmal - nämlich im Morgengrauen, zu Mittag, am Nachmittag, bei Sonnenuntergang und am Abend - ruft der Muezzin die Gläubigen zum Gebet. Heute geschieht dies in den Städten häufig mit Hilfe von Lautsprechern oder überhaupt nur noch mittels Kassette oder neuerdings mittels MP3 (ein Dateiformat für Audiodateien).

Vor dem Gebet bedarf es einer speziellen Waschung. Verpflichtend ist die kleine Waschung, bei der das Gesicht, die Haare, die Arme bis zu den Ellenbogen, und die Füße bis zu den Knöcheln unter frischem, fließendem Wasser gewaschen werden. Nach dem Geschlechtsverkehr, der weiblichen Menstruation und dem Wochenbett ist eine große Waschung erforderlich, bei der der gesamte Körper gewaschen werden muss. Es steht hier jedoch nicht der hygienische Aspekt im Vordergrund, sondern es handelt sich eher um eine spirituelle Reinigung.

Das Gebet selbst beginnt mit der Absichtserklärung, ein solches zu verrichten. Darauf folgt eine je nach Gebet unterschiedliche Anzahl von bestimmten Körperhaltungen. Dann werden hockend das Glaubensbekenntnis, der Segen für den Propheten und die Gläubigen gesprochen und die Absichtserklärung zur Beendigung des Gebetes bekundet. Seinen Körper muss der Betende dabei geografisch in Richtung der Kaaba in Mekka orientieren. Nach dem vorgeschriebenen Pflichtteil kann der Gläubige vor Gott seine persönlichen Anliegen vortragen.

Das Gebet wird alleine oder gemeinsam vollzogen, der Ort des Gebetes kann frei gewählt werden. Es ist demnach nicht notwendig und auch nicht unbedingt üblich, dass man einander bei jedem Gebet in einer Moschee trifft, man kann dies auch zu Hause oder am Arbeitsplatz erledigen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass der Boden, auf dem gebetet wird, rituell und physisch rein ist. Aus diesem Grund ist innerhalb einer Moschee das Tragen von Schuhen verboten. Findet das Gebet außerhalb einer Moschee statt, verwendet man hierfür oft einen kleinen, zusammenrollbaren Gebetsteppich, der eine solche Reinheit gewährleistet; aber auch ein Stück Karton oder eine aufgefaltete Zeitung erfüllt zur Not diesen Zweck. Wenn man aufgrund bestimmter Umstände, sei es wegen einer Reise oder aus beruflichen Gründen, daran gehindert wird, zu den vorgeschriebenen Zeiten zu beten, können die versäumten Gebete problemlos zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.

Das Gebet wird vom Gläubigen als reinigend empfunden. Es ist auch eine Art Meditation, durch die man kurz dem Alltag entfliehen und neue Gedanken fassen kann.

Am Freitag, dem muslimischen Feiertag, kommt in den größeren Moscheen zum Gebet noch die so genannte Freitagspredigt hinzu ("Freitagsgebet"). Im ersten Teil dieser Predigt gibt der Imam der Gemeinde Unterweisungen zu unterschiedlichen Themen und im zweiten wird ein Gebet für den Herrscher gesprochen. Beide Teile können, vor allem in radikal-islamisch dominierten Moscheen, politisch sehr heikel sein.

Die Almosenspende

Die Almosenspende (Zakat) wurde bereits zur Zeit der islamischen Urgemeinde in Medina eingeführt. Aufgrund der Auflösung der traditionellen Stammesbindungen innerhalb der Umma (Gemeinschaft der Muslime) musste ein Ersatzsystem geschaffen werden, welches Muslimen, die in finanzielle Not geraten waren, schnell Hilfe bringen konnte.

Die Empfänger sind im Koran genau festgelegt: Die frommen Spenden sind (zu verwenden) nur für die Armen und Bedürftigen, für diejenigen, die sich darum bemühen (d. h. für die Eintreiber), für diejenigen, deren Herzen gewonnen werden sollen, für den Loskauf von Sklaven, für die Verschuldeten, für den Weg Gottes (d. h. Unternehmungen im Interesse der Religion) und für den Sohn des Weges (den Reisenden), als Verpflichtung von Gott, dem wissenden und weisen! (Koran 9,60) Der Zakat hat auch die Funktion der Reinigung oder Legitimierung von weltlichem Vermögen. Die Höhe der Almosenspende ist im Koran nicht erwähnt, hat sich jedoch in der Praxis - ab einem gewissen Freibetrag - auf einen Richtwert von ca. 2,5 Prozent eingependelt. Die meisten mehrheitlich islamischen Staaten heben keinen Zakat ein, somit bleibt die Entscheidung beim einzelnen Muslim, ob, wie viel und vor allem an wen er seinen Solidarbeitrag leistet. Freiwillige Spenden können direkt an bedürftige Familien und Personen, aber auch an soziale Vereine und Gruppierungen jeder Art geleistet werden.

Das Fasten

Die vierte Säule des Islam ist die Einhaltung des Fastenmonats (Ramadan). Während des gesamten Monats ist es dem gläubigen Muslim tagsüber verboten, zu essen, zu trinken, zu rauchen und Geschlechtsverkehr zu haben. Sobald die Sonne untergeht, trifft man einander in meist größerem Kreise, um täglich gemeinsam das Fasten zu brechen und ein üppiges Mahl einzunehmen. Wenn es dann morgens wieder dämmert, und man "einen schwarzen von einem weißen Faden unterscheiden kann", beginnt der nächste entbehrungsreiche Tag. Oft wird vor Morgengrauen noch gehaltvoll gefrühstückt, um zumindest den ersten Teil des Tages den Hunger in Schranken zu halten.

Ausgenommen vom Fasten sind durch den Koran Kranke und Reisende, sowie im Analogieschluss dazu auch Greise, Schwangere, Ammen und schwer Arbeitende. Diese sollen jedoch nach Möglichkeit das Fasten zu einem anderen Zeitpunkt nachholen oder/und eine Ersatzleistung erbringen, zum Beispiel einen Armen speisen oder Geld für eine karitative Einrichtung spenden.

Bedingt durch das islamische Mondjahr wandert der Ramadan durch die Jahreszeiten, und beginnt jedes Jahr, verglichen mit dem Sonnenjahr, um elf Tage früher. Besonders im Sommer wird es in heißen Gebieten für den fastenden Muslim schwierig, tagsüber keinen einzigen Tropfen Wasser zu trinken. Auch für Gläubige in nördlichen Ländern, in denen es im Sommer lange hell ist, entstehen gewisse Probleme. Vielfach richtet man sich hier nach dem Zeitpunkt der Dämmerung in der nächstgelegenen muslimischen Metropole.

Das Fasten wird von relativ vielen Muslimen praktiziert, auch von solchen die gewöhnlich die anderen islamischen Grundpflichten wie z. B. das Beten nicht einhalten. Es gilt oft auch, losgelöst vom religiösen Kontext, als eine Art Gemeinschaftserlebnis. Außerdem stärken die allabendlichen Festessen im größeren Familien- und Freundeskreis den sozialen Zusammenhalt.

Die Pilgerfahrt nach Mekka

Diese letzte der fünf Säulen des Islam geht auf einen vorislamischen altarabischen Brauch zurück, der von Muhammad in die neue Religion integriert wurde. Ziel dieser Wallfahrt ist die große Moschee in Mekka mit der berühmten Kaaba, dem aus Stein gebauten, würfelförmigen Gebäude in ihrem Mittelpunkt.

Die Pilgerfahrt nach Mekka ("Hadsch") findet jährlich statt und ist auf einen bestimmten Termin festgelegt. Sobald er sich im heiligen Bezirk befindet, tritt der Pilger ("Hadschi") in einen Weihezustand ein. Dazu gehören eigene Waschungen sowie das Tragen eines speziellen, weißen Pilgergewandes. Im Laufe einer Woche werden nun täglich genau festgelegte Rituale durchgeführt, die am letzten Tag mit dem Opferfest, dem Eid al-’Athha enden. Dieses gilt als höchstes islamisches Fest und wird von allen Muslimen weltweit mitgefeiert. Zu diesem Zwecke werden - je nach Einkommen - verschiedene Tiere geschlachtet, ein Teil davon wird verschenkt und ein Teil selbst konsumiert.

Die Pilgerfahrt ist eine Gelegenheit, zu der sich Muslime aus allen Erdteilen - sei es aus Westasien, Schwarzafrika, Europa oder Südostasien - treffen. Keiner nimmt dabei eine höhere Stellung ein als der andere, und man fühlt sich zumindest eine Woche lang als eine einheitliche Umma (Gemeinschaft der Gläubigen).

Das islamische Gesetz

Als das islamische Gesetz (Scharia) bezeichnet man die Gesamtheit der göttlichen Vorschriften, Empfehlungen und Verbote, die die Beziehung der Menschen zu Gott und die Beziehung der Menschen untereinander regeln sollen. Die Scharia ist keine einheitliche, kanonisierte Sammlung von Paragraphen und auch kein Buch, das ein Jurist aus dem Regal nehmen und darin nachschlagen kann oder die in einem modernen Staat plötzlich zu nationalem Recht gemacht werden kann. Die Vorgehensweise ist bei diesem Prozess immer selektiv.

Die von sämtlichen Strömungen anerkannte Hauptquelle des Gesetzes ist der Koran. Die aus ihm herausgefilterten Regeln besitzen höchste Autorität vor allen anderen grundlegenden Texten.

Die zweite, wichtige Quelle der Scharia ist die Sunna oder die so genannten Hadithe. Sie sind biographische Aufzeichnungen von Taten und Aussagen des Propheten Muhammad, die von dessen Gefährten und Zeitgenossen mündlich überliefert und später von Hadith-Sammlern niedergeschrieben wurden. Schon früh in der islamischen Geschichte entstand eine eigene Wissenschaft, die sich mit der genauen Überlieferungskette und der Authentizität der einzelnen Hadithe beschäftigte. Es wurden mehrere Sammlungen angelegt, die heute, je nach religiöser Orientierung, mehr oder weniger anerkannt und verwendet werden. Trotzdem gilt für alle Hadith-Sammlungen, dass sie in ihrer Autorität und Authentizität eindeutig unter dem Koran anzusiedeln sind.

Zusätzlich bildeten sich im sunnitischen Islam noch vier Rechtsschulen (Hanafiten, Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten) aus, die heute gleichberechtigt nebeneinander stehen und deren Anhängerschaft meist regional konzentriert ist.

Seit dem 12. Jahrhundert gelten diese Rechtsschulen als mehr oder weniger abgeschlossen, was zur Folge hat, dass sie teilweise nur ungenügend auf aktuelle Themen eingehen können. Deshalb sind viele modernistische Rechtsgelehrte bemüht, das so genannte bab al-igdihad, also das Tor der Rechtsentwicklung, wieder zu öffnen.

Die Rechtsgelehrten

Im engen Zusammenhang mit der Scharia stehen die Rechtsgelehrten (Ulama). Diese sind meist Absolventen eines religiösen Rechtsstudiums und gelten als offizielle Scharia-Spezialisten und Gutachter. Nachdem es im sunnitischen Islam weder eine kirchenähnliche Struktur noch eine Hierarchie gibt, fußt deren Einfluss großteils auf persönlicher Kompetenz.

Die Ulama haben das Recht, Fatwas, also religiöse Gutachten, zu erstellen. Diese können quasi jeden Lebensbereich betreffen: Arbeit, Kindererziehung, korrekte Kleidung, Umgang mit Andersgläubigen, kulturelle Neuerungen bis hin zu erlaubten Sexualpraktiken. Entschieden wird dann, was mit dem Islam vereinbar ist und was nicht. Neben dem Konsens über grundlegende Punkte gibt es im Kreis der Ulama bei vielen Themen recht gegensätzliche Meinungen.

Ein bestelltes Gutachten ist nicht bindend, und man kann beliebig viele Gegengutachten einholen. Das Gutachten eines bekannten und geachteten Ulama hat in der Praxis aber mehr Gewicht als das eines unbekannten. Besondere Autorität kommt z. B. Direktoren bekannter islamisch-juristischer Universitäten zu, wie jenen von al-Azhar in Kairo oder der Zaituna in Tunis. Manche Länder, wie Ägypten, haben auch die Institution eines obersten Gutachters (Oberster Mufti).

Fatwas sind in der islamischen Welt etwas ganz Alltägliches. So geben viele islamisch-juristische Fakultäten und islamische Organisationen regelmäßig erscheinende Zeitungen heraus oder betreiben Internetseiten, die Fatwas zu allen erdenklichen Themen veröffentlichen, wobei es im Ermessen jedes einzelnen Gläubigen liegt, ob er sie befolgt oder nicht.

Vielfältige Praxis

Diese Auswahl an Informationen sollte lediglich als Verständnishilfe dienen. Es gibt nicht "den Islam", sondern es gibt viele Glaubensrichtungen, Auslegungen und praktische Lebensweisen. Die oben angeführten Punkte repräsentieren größtenteils den Standpunkt der sunnitischen Gruppe, zu der sich weltweit fast 90 Prozent der Muslime bekennen. Manche dieser Punkte, wie z. B. die "Fünf Säulen des Islam" stellen ein Ideal dar, an dem sich gläubige Muslime orientieren. In der Praxis werden die religiösen Vorschriften von manchen Muslimen nur teilweise oder überhaupt nicht eingehalten, denn nicht jeder Muslim ist automatisch ein konservativer, gläubiger Muslim, der sein Leben vollständig nach dem Koran ausrichtet. Es führt ja auch nicht jeder Christ sein Leben streng im Einklang mit dem Katechismus. Die Orientierungen sind vielfältig und können von radikal über konservativ und moderat bis westlich-laizistisch gehen. Jedoch auch ein Muslim in Europa, der sich dem hiesigen Lebensstil angepasst hat, wird sich in der Regel nach wie vor als solcher bezeichnen, und das sollte man auch respektieren.

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Wie ist das eigentlich mit …

… dem Koran?

Jede Koransure gilt als heilig - egal ob handgeschrieben, kopiert oder gedruckt. Der respektlose Umgang mit dem Koran oder einem Teil davon (z. B. durch Beschmutzung oder auf den Boden werfen) wird daher als Frevel angesehen.

… dem Zeigen religiöser Symbole?

In einigen muslimisch regierten Ländern ist das demonstrative Zeigen religiöser Symbole anderer Religionen unerwünscht und fallweise sogar strafbar.

… Allah?

Allah ist kein Name wie "Zeus" oder "Schiwa", sondern das arabische Wort für (den einen) Gott. Dieser darf - anders als z. B. im Christentum - niemals bildlich dargestellt werden.

… dem Djihad?

Der Djihad - eine Pflicht jedes Muslims - bedeutet grundsätzlich nicht "Heiliger Krieg". Er ist im ursprünglichen Sinne die "Anstrengung im Dienste des Islam" zur Verteidigung der Religion, aber auch der ständige, persönliche Kampf gegen die eigenen Fehler und Schwächen.

… der Moschee?

Die Moschee ist kein "geweihtes Haus Gottes" (also keine "Kirche"), sondern lediglich ein Ort des Gebetes und gleichzeitig ein beliebter kommunaler Treffpunkt. Sie darf nur ohne Schuhe betreten werden.

… Hunden?

Der Hund ist für den gläubigen Muslim - so wie das Schwein - unrein. Von einem Hund "angepratzelt", beleckt oder beschnüffelt zu werden, empfinden daher manche Muslime als ekelerregend.

… einem religiösen Oberhaupt?

Es gibt kein "weisungsberechtigtes, in Glaubensfragen unfehlbares religiöses Oberhaupt" aller Muslime, das in seiner Stellung z. B. mit dem Papst vergleichbar wäre.

… Religion und Staat?

Der Islam ist für viele gläubige Muslime nicht "Privatsache", sondern regelt verbindlich das Zusammenleben und ist damit die angestrebte Basis einer staatlichen Ordnung bzw. einer Verfassung.

… der Farbe Grün?

Grün steht in den oftmals unwirtlich heißen Gegenden des mittleren Ostens für Fruchtbarkeit (Vegetation), ist aber auch die Farbe mit der stärksten religiösen Symbolkraft. Grün findet sich daher häufig auf Fahnen, Stirnbändern und Koran-Einbänden bzw. Koran-Texten.

… Verschleierung und Kopftuch?

In einigen muslimischen Ländern müssen Frauen, wenn sie das Haus verlassen, Haut und Haare verhüllen, sie tragen dann ein bodenlanges, blickdichtes Gewand. Das häufiger getragene Kopftuch muss, wird es aus Glaubensgründen getragen, die Haare komplett verdecken. Frauen, die sich in Europa so kleiden, tun dies oft freiwillig und zeigen damit ihre Religiosität.

… Gesten?

Das Zeigen der Fußflächen - egal ob mit oder ohne Schuhwerk - gilt als unhöflich, ebenso wie der Gebrauch des Zeigefingers, Schulterklopfen und Zuzwinkern.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Mag. Benjamin Dörfler, Jahrgang 1977. Studium der Ethnologie, Politikwissenschaft, Arabistik und Humanbiologie an der Universität Wien. Lehrgang für Akademische Orientstudien an der Orient-Akademie Wien. Mehrere Feldforschungsaufenthalte im Mittleren Osten. Diplomarbeit zum Thema "Politischer Islam in Ägypten und Algerien" im Rahmen eines Praktikums am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie (IFK/LVAk). Derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am IFK/LVAk.

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