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EU-Referenden, ESVP und die Herausforderungen der Vorsitzführung

Seit den negativen Abstimmungen über die Unionsverfassung in Frankreich und in den Niederlanden sind einige Wochen verstrichen. Das politische Moment, das die Prozesse von Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union bisher angetrieben hat, ist spürbar geschwächt. Die Analysen, was hier wirklich passiert ist und welche Richtung die europäische Politik nun gehen soll, stehen erst am Anfang. Vor dieser Ausgangssituation bieten sich einige Überlegungen zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik an, zumal Österreich in einigen Monaten selbst den Vorsitz übernehmen wird.

Die ESVP wurde auf der Grundlage der Verträge von Amsterdam (1998) und Nizza (2000) entwickelt. Bei der Entstehung des Verfassungstextes im Konvent wurden zwar wesentliche Aspekte der ESVP erörtert und in Bestimmungen gegossen, doch war die ESVP naturgemäß nicht das zentrale Element des Verfassungstextes und auch nicht des Anliegens der Verfassung. Unabhängig von der Entstehung der Verfassung wurden wesentliche Felder der ESVP, vor allem der Verteidigungspolitik, durch steten Konsens zwischen den Mitgliedstaaten weiterentwickelt. Vor allem die Konzepte über die Bereitstellung militärischer Fähigkeiten für Operationen der EU wurden rasch bearbeitet. Daraus ergaben sich im Laufe des Jahres 2004 besonders zwei Elemente: Die Gefechtsverbände (Battle Groups) und die Europäische Verteidigungsagentur (European Defence Agency - EDA).

Es ist unbestritten, dass diese beiden Elemente sowie das Planungsziel 2010 (Headline Goal 2010) und die Weiterführung der bestehenden EU-Operationen, aber auch die Initiative zu neuen Operationen, durch den Misserfolg der Verfassung nicht berührt werden. Im Allgemeinen ist die Akzeptanz der Idee von durch die EU geführten militärischen Operationen zur Friedenserhaltung und zur Wiederherstellung des Friedens hoch. Die oben dargestellten Instrumente zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten der Union werden damit in der Öffentlichkeit ausreichend akzeptiert, um eine politische Weiterarbeit zu ermöglichen. Das hat auch der britische Ratsvorsitz zu Beginn seiner Arbeitsperiode festgestellt und setzt daher im Bereich der ESVP eher einen noch stärkeren Akzent. Die ESVP birgt allerdings sehr komplexe Themen in sich, und es zeigt sich, dass sechs Monate nicht ausreichen, die schwierigeren Fragen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Der Kontinuität der Bearbeitung kommt daher in der Abfolge der Präsidentschaften wachsende Bedeutung zu.

In diesem Sinne wird sich auch der österreichische Vorsitz, so weit es die Entwicklung militärischer Fähigkeiten im Rahmen der EU angeht, eng mit dem britischen und dem finnischen Präsidentschaftsteam abstimmen. Ein erster Schritt wurde bereits mit einem gemeinsamen Ansatz zur besseren Koordinierung ziviler und militärischer Fähigkeiten in der EU unternommen. Die Kontinuität der Entwicklung dieser Fähigkeiten ist bereits durch die enge technische Verflechtung der Arbeit der Vorsitzführungen gegeben. Auch in den Operationen ist eine Zäsur zwischen den Vorsitzperioden auf jeden Fall zu vermeiden.

Damit sind auch die Hauptthemen des vor kurzem gestarteten britischen Vorsitzes "more coherent, more active and more capable" angesprochen. Der österreichische Vorsitz wird sich mit den gleichen Themen zu beschäftigen haben. Allenfalls können Akzente so verschoben werden, dass sich Österreich mit jenen Bereichen stärker und sichtbarer auseinander setzt, in denen es die größte politische Glaubwürdigkeit aufweist. Das sind vor allem die koordinierte Nutzung ziviler und militärischer Ressourcen im Rahmen der Europäischen Union und die Fortsetzung der Stabilisierung am Balkan. Auch in diesen Bereichen wird Österreich vor allem die anstehenden Aufgabenstellungen aufarbeiten und allenfalls ein sich ergebendes politisches Moment aktiv nützen. Beide Themen, "Zivil- militärische Koordination" (Civil Military Coordination - CMCO) und "Balkan", sind in der EU und in Österreich fachübergreifende Themen. Es wird daher besonders wichtig sein, jene Bereiche herauszuarbeiten, in denen militärische Fähigkeiten benötigt werden. Das Zusammenwirken mit anderen Ministerien, insbesondere dem Außenministerium, steht bei diesen komplexen Themen deutlich im Vordergrund. Auch die Kompetenzverteilung zwischen den EU-Institutionen ist zu beachten.

Die anstehenden Aufgaben sind vielfältig und die österreichische Vorsitzführung braucht die Unterstützung aller, damit unser Land einen aktiven Beitrag für Europa leisten kann. Professionalität steht dabei im Vordergrund. In vielen Bereichen sind die Herausforderungen durch den EU-Vorsitz eine besondere Chance. Im Verteidigungsministerium ist der Abteilung Militärpolitik die inhaltliche Vorbereitung und Koordination für den EU-Vorsitz übertragen. Dort liegen die Chancen für eine breitere Information über die EU und die ESVP, für vertiefte internationale Kontakte, zu einer noch engeren und konsequenteren Abstimmung mit anderen Ministerien und in der Möglichkeit, Ressourcen des Bundesheeres zu erschließen, die über den Vorsitz hinaus auch später genutzt werden können. Gerade in den komplexen neuen Aufgaben im Grenzbereich zwischen militärischen und zivilen Operationen gewinnen berufliche Fähigkeiten zusätzliche Bedeutung, die im Bereich unserer Miliz vorhanden und in zahlreichen Auslandseinsätzen erprobt sind.

Autor: Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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