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Non-Governmental Organisations und Streitkräfte

Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit im Einsatz

Beide wollen das Gleiche: in Krisengebieten rasch und effektiv Hilfe leisten. Doch bei der Zusammenarbeit von Streitkräften und Non-Governmental Organisations (NGOs) gibt es fallweise Probleme. Manche davon sind vermeidbar, vor allem wenn die Soldaten Ziele, Aufbau und "Eigenheiten" der NGOs kennen und respektieren - und umgekehrt.

Hört oder liest man von humanitärer Hilfeleistung, denkt man unwillkürlich in erster Linie an Naturkatastrophen, nicht aber an komplexe Notsituationen wie humanitäre Katastrophen in Konfliktzonen. Komplexe Notsituationen (z. B. Unterernährung und Wassermangel in überfüllten Flüchtlingslagern) sind zum Teil die Folge widerstreitender Interessen von Konfliktparteien, zum Teil werden sie dadurch verschlimmert.

Oft fehlt in solchen Situationen eine funktionierende staatliche Ordnung, so dass nicht nur die Hilfe selbst, sondern auch deren Koordination von außen unerlässlich ist. Die Kontrolle bzw. Nötigung der lokalen Bevölkerung durch lokale "Kämpfer" beeinträchtigt in manchen Fällen ernsthaft alle Hilfsanstrengungen. Über Feindseligkeiten gegenüber der Zivilbevölkerung hinaus werden oft sogar wichtige zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Flüchtlingslager und kulturelle Einrichtungen als "Kriegsziele" geplündert bzw. zerstört.

In der Zeit des Kalten Krieges war der Einsatz von Soldaten zur Friedenserhaltung auf wenige Konflikte beschränkt. Die weltweite Akzeptanz neutraler militärischer Kräfte der United Nations (UN), etwa zur Trennung von Streitparteien, gab diesen ein anerkanntes Maß an Immunität. Damals etablierten die UN, aber auch die nicht militärischen Hilfsorganisationen ihre Glaubwürdigkeit als unparteiische Organisatoren. In der Mehrzahl der Einsätze genossen sie einen neutralen Status und eine hohe Bewegungsfreiheit in der Konfliktzone. Damals leisteten aber meist nur das United Nations Development Program (UNDP), die UN Relief and Work Agency (UNRWA) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) Hilfe vor Ort.

Der Begriff NGO

Der Begriff Non-Governmental Organisation (NGO) ist ein offizieller Begriff der Charta der Vereinten Nationen (Artikel 71). Er steht für den weiten Bereich der nicht auf Gewinn orientierten Organisationen (Non-Profit Organisations), motiviert durch religiöse und humanitäre Werte und üblicherweise unabhängig von Regierungen, den Vereinten Nationen, aber auch von kommerziellen Vereinigungen.

Andere Bezeichnungen dafür sind Organisation Non-Gouvernementale - ONG (französisch - spanisch), Private Voluntary Organization - PVO (Private Freiwilligenorganisation) bzw. Voluntary Agency - VOLAG (Freiwilligenagentur) (US-Bezeichnungen).

Die Größe der NGOs reicht von der kleinen Garküche bis zur multinationalen Gesundheits- oder Lebensmittelverteilungsorganisation.

NGOs unterscheiden sich rechtlich von UN-Agenturen, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) oder anderen internationalen oder regionalen Organisationen. Sie werden nicht von Regierungen oder internationalen Institutionen gegründet, obzwar sie von ihnen anerkannt sein können, sondern durch Privatpersonen. Sie bilden sich gleichsam selbst, verfassen ihre eigene Charta und erteilen sich selbst Aufträge.

Geänderte Rahmenbedingungen

Nach dem Ende der Konfrontation der Supermächte brachen bislang unterdrückte Konflikte in Regionen und Staaten auf, die vorher noch relativ stabil waren. Die Streitkräfte des Kalten Krieges zogen ab oder wurden drastisch reduziert, Unruhen brachen aus, angeheizt nicht zuletzt durch den Überfluss an Waffen in diesen Gebieten. Doch die UN können nun auch auf Konflikte reagieren, in denen zuvor Interessen der Supermächte ihr effektives Einschreiten verhindert haben.

Auch die Natur der Konflikte hat sich geändert. Bei vielen Bürgerkriegen und innerstaatlichen Konflikten ist die staatliche Autorität zu einer Quasi-Anarchie verkommen. Die militärischen Kräfte stehen daher nicht wie bisher trennend zwischen den Konfliktparteien, sondern müssen sich oft aktiv in den Konflikt einmischen, z. B. um bedrohte Volksgruppen zu schützen.

Bei vielen komplexen Notsituationen stehen einander derzeit nicht mehr reguläre Armeen gegenüber, sondern eine Vielzahl militärischer und paramilitärischer Gruppierungen mit unterschiedlichsten Zielrichtungen. Und diese Milizen, irregulären Kräfte und sonstigen bewaffneten Gruppen in einem zusammengebrochenen Staat unterscheiden sich grundsätzlich von disziplinierten Streitkräften eines funktionierenden Staates. Bewaffnete irreguläre Kräfte bestehen meistens aus Banden unter einem lokalen Warlord. Diese sind trotz klingender Formationsbezeichnungen ("Brigaden") und Titel ("General") nur lose zusammengefasste lokale "Gangs" mit losen Kontakten zu Vorgesetzten oder Nachbarn. Sold und Nachschub sind selten, Alter, Erziehung und professionelle Erfahrung ihrer Kämpfer unterschiedlich. Sie kämpfen aus persönlichen Gründen, zu ihren Motiven zählt oft der Wunsch nach ethnischer oder politischer Selbstbestimmung. Unglücklicherweise ziehen irreguläre Kräfte auch Individuen mit anderen Motiven an: Rache, Söldnermentalität, Rassismus oder religiöser Fanatismus.

Im Gegensatz zu regulären Soldaten versorgen sich diese Kräfte aus lokalen Quellen oder durch Plünderung und haben daher ein besonderes Interesse an örtlichen Fragen. Stört die internationale Gemeinschaft ihre (räuberischen) Aktivitäten, reagieren sie feindselig. Wo einander ethnisch oder kulturell unterschiedliche Gemeinschaften feindlich gegenüberstehen, führen Rachsucht und Fundamentalismus zu Situationen, die für die zivilisierte Welt inakzeptabel sind. Isoliert durch den Krieg und getrieben von Hass oder von lokalen, persönlichen Interessen, sehen diese Kämpfer oft gar nicht, dass die für sie "normale" Kriegführung für die internationale Gemeinschaft als Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschenrechte gilt. Ihren Führern fehlen in der Regel politische Erfahrung und das Vertrauen in das Humanitäts- und Kriegs(völker)recht. Friedensprozesse scheitern oft an lokalen Engstirnigkeiten. Die unmittelbaren Ziele der lokalen Gruppierungen liegen weit unter dem Lösungsniveau der internationalen Verhandlungen. Örtliche paramilitärische Truppen zerfallen zu Kleingruppen oder Banden. Die Macht verlagert sich abwärts: aus der Hand von Politikern in die Hand örtlicher Führer. All das erschwert die verlässliche Umsetzung der Ergebnisse von Friedensverhandlungen.

Der Anteil der zivilen Kriegsopfer steigt seit den siebziger Jahren ständig, sowohl als direktes Resultat von Kampfhandlungen wie auch als Folge von Vertreibungen und Plünderungen. Die Zivilbevölkerung wird immer häufiger selbst Kriegsziel und Ziel von Übergriffen. Rivalisierende Milizen greifen öfter die Zivilbevölkerung an als ihre Gegner. Milizen bedrohen Minderheiten, um ethnische Säuberungen zu erreichen. Die Bevölkerung wird von der Nahrungsversorgung abgeschnitten, um humanitäre Hilfe anzuziehen. Diese wird dann direkt geraubt oder der Bevölkerung abgepresst und den eigenen Kriegsressourcen hinzugefügt.

So erfolgten z. B. im Kosovo ethnische Säuberungen und Vertreibungen in bisher ungeahnter Grausamkeit. Was mit Artilleriebeschuss auf kosovarische Dörfer begann, endete mit Vertreibungen und Massenhinrichtungen und konnte erst durch das massive Eingreifen der NATO gestoppt werden.

Eine rasche Aussöhnung erscheint unvorstellbar und ein gedeihliches Zusammenleben der rivalisierenden Gruppen auf Generationen hin unmöglich. Auch das gilt es bei zum Teil von "außen" erzwungenen Friedenslösungen zu berücksichtigen, denn ohne oder gar gegen den Willen der Betroffenen sind die gesteckten Ziele nur schwer realisierbar.

Neue Ansätze humanitärer Hilfe

Geänderte Szenarien erfordern auch andere Lösungsansätze. So entstand in den neunziger Jahren - u. a. als Konsequenz der Verwicklung in innerstaatliche Konflikte - wieder der Bedarf an größeren und besser ausgerüsteten Streitkräften. Auch der Status der Peacekeeper und der Nothelfer änderte sich, denn rebellierende militärische und paramilitärische Kräfte sind weniger verlässlich und ungleich schwieriger zu behandeln als die (relativ) verlässlichen Armeen und Gruppierungen, mit denen es die "Peacekeeper" bisher zu tun hatten. In den erbitterten "Kleinkriegen" der Gegenwart bedeutet die Immunität der Hilfskräfte den Streitparteien wenig. Letztere drohen sogar fallweise, den Hilfskräften die Zustimmung zum Einsatz und damit die Immunität zu entziehen. Militärische und nichtmilitärische Hilfskräfte werden damit mehr und mehr zu Teilen der Konflikte, und ihre Aktivitäten unterstützen oder behindern das Erreichen der Kriegsziele zumindest einer Streitpartei. Kurz: die Gültigkeit örtlicher Zusagen wackelt, und die Unparteilichkeit der Hilfskräfte wird unterminiert.

Internationale Streitkräfte und Hilfsorganisationen ziehen nun auch in Einsätze, bevor ein Waffenstillstand ausverhandelt ist, ebenso in Regionen, in denen Gesetz und Ordnung zusammengebrochen sind. Das bisherige Erfolgsrezept der UN ist also nicht mehr wie gewohnt umsetzbar. Die militärischen Elemente zeigen deshalb nun nicht mehr nur Flagge, sondern auch Stärke. Sie sind straffer organisiert, haben erhöhte militärische Kapazitäten und sind besser geschützt: Gepanzerte Kampfverbände und die erforderlichen Kampfunterstützungsverbände haben die leicht bewaffneten "Peacekeeper" der Vergangenheit ersetzt. Die zivilen Elemente müssen enger zusammenarbeiten und die Schlüsselrolle des Militärs zum Erfolg anerkennen, ebenso ein Beschneiden ihrer Individualität. Denn in Krisensituationen von heute sind Gruppierungen erforderlich, die über ein breites Spektrum an Kapazitäten verfügen, bereitgestellt von den unterschiedlichsten Organisationen und militärischen Kontingenten.

Für eine multinationale Gruppierung, die in einer Kriegs- oder Katastrophenzone operiert, ist militärische Wachsamkeit überlebenswichtig. Die militärischen Elemente müssen für das sichere Umfeld sorgen, in dem nichtmilitärische Organisationen arbeiten können. Darüber hinaus können militärische Kräfte die Hilfskräfte zu Beginn mit ihren verlässlichen Führungs- und Versorgungsmitteln und ihrer Mobilität unterstützen. Ist aber ein relatives Maß an Sicherheit hergestellt, sind soziale und politische Strukturen neu zu schaffen oder wiederherzustellen. Dies ist die Hauptaufgabe der zivilen Hilfskräfte, die militärischen Kräfte treten in den Hintergrund, sorgen aber weiter für sichere Arbeitsbedingungen.

Neutralität der Helfer - weniger Schutz als früher

Humanitäre Hilfeleistung soll neutral und unparteiisch sein. Doch egal wie neutral und unparteiisch die Hilfeleistung auch (gemeint) sein mag, vor Ort wird sie mehr und mehr für voreingenommen und parteiisch gehalten; das liegt in der Natur vieler komplexer Notsituationen. Selbst Frauen und Kinder sind sowohl Verursacher als auch Opfer von Feindseligkeiten. Die Hilfskräfte fühlen sich in zunehmendem Maß bedroht, werden sie doch als Helfer und Unterstützer der jeweils anderen Konfliktpartei angesehen. Die Kluft zwischen den Hilfskräften und Hilfsbedürftigen wird immer breiter.

Auch aus der Sicht von Regierungen in den Einsatzgebieten gibt es eine Menge von Gründen für eine negative Haltung gegenüber humanitären Interventionen, egal wie gut sie auch gemeint sind. Die Helfer müssen zur Kenntnis nehmen, dass ihre Anwesenheit ein Zeichen der Schwäche der Regierung darstellt und dass ihre Absichten möglicherweise konträr zu den politischen Absichten der Regierung sind, scheinen doch die Hilfsmaßnahmen deren Souveränität zu gefährden. Die Hilfskräfte müssen sich deshalb über die politische Sensibilität ihrer Maßnahmen im Klaren sein. Auch müssen sie unter Umständen mit Leuten zusammenarbeiten, die unter Stress stehen und gefährlich sind.

Hilfeleistung umfasst immer die Hilfsorganisationen und die Hilfe empfangende Bevölkerung, die auf keinen Fall als "Opfer" betrachtet werden soll. Auch Menschen in Notsituationen erwarten, ein Teil jenes Prozesses zu sein, der ihre persönliche Zukunft mitbestimmt. Abgelehnte Mitarbeit kann direkt oder indirekt dazu führen, dass auch bestens gemeinte Anstrengungen der Hilfskräfte unterlaufen werden.

Ein Netzwerk, aber kein System

Die UN, bilaterale Organisationen, nationale Behörden und nichtstaatliche Organisationen bilden kein System. Sie sind eher ein Netzwerk ohne permanenten, fixen Rahmen, ohne zusammenhängende Zielsetzungen und mit nur wenigen festgelegten Beziehungen. Dieses Netz ist keine Folge konkreter Einsatzerfordernisse, sondern besteht vielmehr aus losen, unverbindlichen Kontakten über verschiedenste Kommunikationskanäle - und dem Wissen um die anderen.

Verschiedenartigkeit und Wettstreit kennzeichnen die humanitären Akteure, die in Notsituationen agieren. In der Theorie sollte jede Hilfsorganisation eine Aufgabe erfüllen, die die anderen nicht erfüllen können, in der Praxis ist die Situation aber vielschichtiger.

Vermehrung und Verbreitung von NGOs

Sind militärische Organisationen, aber auch jene der UN oder des IKRK noch übersichtlich und klar, so sind NGOs extrem unterschiedlich: Zehntausende Gruppen, die in Größe, Erfahrung, Fachwissen, Qualität und Aufgabe differieren.

Rund 65 Prozent der gesamten internationalen Hilfe werden durch NGOs geleistet. So ist zum Beispiel in manchen Ländern der Anteil an Lebensmitteln, die durch NGOs verteilt wurden, innerhalb von zehn Jahren von 40 Prozent auf über 90 Prozent angewachsen.

In vielen westlichen Nationen wurde die Rolle des Staates geringer, und im selben Maß stieg die Bedeutung des privaten Sektors an. Die NGOs sind die Nutznießer der Privatisierung der humanitären und der Entwicklungshilfe. NGOs sind also modern, "trendy" bzw. "in" und haben enorm an Bedeutung gewonnen. Aus mehreren Gründen sind sie oftmals auch die bevorzugten Organisationen für viele staatliche Spenden/Geldmittel zur Finanzierung von Hilfe:

- In vielen komplexen Notsituationen, gekennzeichnet vom Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit und von innerstaatlichen Konflikten, finden es westliche Regierungen unmöglich, politisch inakzeptabel oder schlicht nicht opportun, nationale Institutionen im Krisengebiet zu unterstützen.

- Von NGOs erwartet man eine größere "Reichweite". Sie können Hilfe rascher und effektiver leisten als bilaterale oder multilaterale Organisationen, weil sie oftmals bereits im Einsatzraum auf der richtigen Ebene operieren.

- Westliche Regierungen sind stolz auf manche ihrer NGOs und haben eine enge Zusammenarbeit mit ihnen entwickelt.

- NGOs ziehen die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und öffentliche Spenden an. Sie sind daher äußerst publikumswirksam.

- NGOs bieten den Spendern etwas für ihr Geld, sie sind in manchen Fällen kostengünstiger als militärische Organisationen und UN-Agenturen.

Das permanente Anwachsen der Einsätze von NGOs ist signifikant und wurde von einer ständig steigenden Professionalität begleitet, brachte aber auch Probleme mit sich.

Der unschätzbare Vorteil von NGOs ist ihre relativ geringe Größe und ihre Unabhängigkeit. Weil aber manche NGOs auf Spenden offizieller Stellen angewiesen sind, bestehen echte Zweifel an der tatsächlichen Unabhängigkeit. Auch wenn sich die NGOs die Freiheit erhalten haben, ihren Stil und ihre Programme selbst zu bestimmen, so können sie "spenderabhängig" und daher mit mächtigen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft verknüpft sein. Die Meinung, dass manche NGOs nur Instrumente internationaler Machtpolitik seien, machte einige davon selbst zu Zielen von Übergriffen.

In den meisten Notsituationen sind nur einige Dutzend NGOs vertreten, in extremen Fällen kann die Zahl in die Hunderte gehen. So waren in Ruanda mehr als 200, in Haiti rund 800 im Einsatz, und in Sarajewo haben derzeit mehr als 400 ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Auch die Liste der derzeit im Kosovo arbeitenden NGOs liest sich wie ein Auszug aus dem "Who is Who" der humanitären Hilfe.

Der enorme Zuwachs an NGOs und deren Verbreitung hat auch einen entscheidenden Nachteil, er steigert die Konfusion vor allem zu Beginn eines Einsatzes, denn - er hält erfahrenere und fachlich geeignetere NGOs vom Einsatz in einer Situation ab, die sie als konfus beurteilen, - er steigert den Wettbewerb zwischen den verschiedenen NGOs und die Notwendigkeit, ihren Hilfseinsatz publik zu machen, "leben" doch NGOs gleichsam von öffentlicher Aufmerksamkeit und Medienpräsenz, das macht die Koordination extrem aufwändig und Überschneidungen unvermeidlich, - die Qualität des NGO-Einsatzes ist dadurch schwieriger zu überwachen und den Bedürfnissen anzupassen.

Eine breite Palette von NGOs

Der treibende Faktor der meisten NGOs ist Humanität. Ihr Spektrum reicht vom grundsätzlichen Ziel, Armut zu beseitigen, bis hin zu ganz speziellen Aufgaben, wie Unterstützung des örtlichen Gesundheitswesens einer durch einen Konflikt betroffenen Volksgruppe oder Unterstützung der Kinderhilfe in einem speziellen Land. Ihr Einsatzbereich liegt in der Grauzone zwischen öffentlichem und kommerziellem Bereich. NGOs lassen sich grob folgenden Gruppen zuordnen:

Internationale NGOs (INGOs):

Als solche werden NGOs bezeichnet, die in mehr als drei Ländern zum Einsatz kommen. So befassen sich z. B. mehr als 4 000 NGOs in den OECD-Ländern mit Entwicklungshilfe und arbeiten in Übersee. Obwohl die meisten dieser INGOs nicht nur Einsätze in Notsituationen leisten, sind doch viele bei Bedarf auch dazu bereit. Organisationen wie "Rettet das Kind", CARE (Cooperative for Assistance and Relief Everywhere Incorporated - Gesellschaft der Kooperation für Unterstützung und Hilfe überall) oder "Ärzte ohne Grenzen" sind Beispiele hiefür.

Multinationale NGOs:

Zahlreiche INGOs haben in vielen Ländern der Welt Tochterorganisationen. Darüber hinaus verfügen sie über eine internationale Dachorganisation, die sie repräsentiert. Diese multinationale Struktur ist von entscheidender Bedeutung für INGOs, sofern sie die Institutionen der internationalen Gemeinschaft beeinflussen möchten, um durch gemeinsames Vorgehen Geldmittel aufzutreiben. (Die INGO "Rettet das Kind" hat z. B. insgesamt 21 Schwesterorganisationen.) Koordinierungsorganisationen:

Auch davon gibt es viele. "Inter Action" z. B. repräsentiert die NGOs der Vereinigten Staaten. In Europa haben die NGOs mehrere solcher Organisationen gebildet. So koordiniert EURONAID mit Sitz in Den Haag die europäische Lebensmittelhilfe. Das ICVA (International Council for Voluntary Agencies - Internationaler Rat für Freiwillige Hilfsorganisationen) in Genf koordiniert weltweit ihre NGO-Mitglieder.

Nationale NGOs:

Innerhalb der OECD-Länder gibt es geschätzte 20 000 Organisationen, die als Partner mit INGOs, UN-Agenturen oder internationalen Geldgebern zusammenarbeiten. Die Masse dieser Organisationen ist nicht allein auf die Hilfeleistung in Notsituationen spezialisiert, leistet diese aber, wenn erforderlich. Ein repräsentatives Beispiel für diese Gruppe ist "Nachbar in Not".

NGOs, die auf "Klein-Gemeinschaften" aufbauen:

Zusätzlich zu den institutionalisierten größeren Organisationen gibt es jede Menge Organisationen, die von kleineren Gemeinschaften und Gruppierungen ins Leben gerufen wurden. Diese werden international als CBOs (Community Based Organisations - auf Gemeinschaften gestützte Organisationen) oder GROs (Grass Root Organisations - etwa: Provinzorganisationen) bezeichnet. Insbesondere soziale Gruppierungen fallen unter diesen Sammelbegriff. Es sind dies z. B. Kirchengesellschaften, Moscheenkomitees, Frauengruppen, Nachbarschaftshilfegruppen, Behindertenhilfe, Bauern- und Arbeitervereinigungen. Ihre Ziele sind soziale Aktionen, aber auch Repräsentation. Als Vertreter der betroffenen Gemeinschaft können sie als Vermittler, Planer und Manager wichtig in der Nothilfe sein.

NGOs der ersten und zweiten Generation:

NGOs unterscheiden sich auch in ihrer Geschichte und Erfahrung. Einige von ihnen verfügen über langjährige Erfahrung, doch schafft jede neue Krise neue NGOs. In Krisen wird eine Mischung von NGOs der so genannten ersten und der zweiten Generation auftauchen, also solche, die bereits lange vor der Krise bestanden haben, und jene, die z. B. erst aufgrund der Krise entstanden sind - ohne Erfahrung aus vorhergegangenen Einsätzen. Das hat Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit ihnen. NGOs der ersten Generation sind "alte" Organisationen wie "Rettet das Kind" (1919) oder CARE (1945). Sie haben langjährige Erfahrungen im humanitären Einsatz, eine erfolgreiche Arbeitsbilanz in betroffenen Ländern und eingespielte Arbeitsbeziehungen zu Spenderorganisationen, UN-Agenturen und Medien.

Doch Erfahrung und Professionalismus machen NGOs der ersten Generation nicht zwangsläufig erfolgreicher als jene der zweiten Generation. Eine typische NGO der zweiten Generation ist Österreichs sehr erfolgreiche "Nachbar in Not". Sie wurde erst aus Anlass des Krieges in Jugoslawien gegründet. Neue NGOs können von Leuten mit großer Erfahrung über das betroffene Land und dessen Bevölkerung inspiriert werden. Die schmale Einsatzbreite und der Verzicht auf bürokratische Strukturen erlauben es ihnen, manchmal rascher zu handeln als andere und mehr zu riskieren. Trotzdem stellen sie ein Risiko dar, wenn ihre Erfahrung nicht mit ihrem Enthusiasmus Schritt halten kann. "Wohltätigkeitsaktionen" für bedrohte Gruppen werden zu einem ernsten Problem für eine übergeordnete Hilfsstrategie, wenn sie plötzlich militärischen Schutz brauchen und ihr Medienecho im Vergleich zur tatsächlichen Hilfeleistung unangemessen hoch ist. Herablassend werden die Akteure von Insidern dann als "Come N’GOs" bezeichnet.

Politische und unpolitische NGOs:

Viele Organisationen bauen auf ihre Unparteilichkeit. Ihre Aufgabe ist die Verbesserung der humanitären Verhältnisse, ohne Rücksicht auf Rasse oder politische Ansichten. Im Gegensatz dazu sehen andere (partei)politische Absichten als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Arbeit für soziale Gerechtigkeit an und verzichten auf Unparteilichkeit zugunsten von Solidarität. Sie ergreifen z. B. Partei für spezielle Gruppen. Aber auch das Streben nach Selbstbestimmung für bestimmte Volksgruppen ist ein Hauptanliegen dieser Organisationen. Das könnte auch Anliegen von größeren NGOs sein, ist aber üblicherweise bei Solidaritätsgruppierungen anzutreffen.

Diese Gruppierungen treten vor allem in komplexen Notsituationen auf, in denen ethnische oder Parteikonflikte ein Faktor der Krise sind. In diesem Fall steht dann die Parteilichkeit dieser Gruppen in gravierendem Gegensatz zum PSO-Mandat, die Zusammenarbeit mit ihnen ist äußerst schwierig. Das PSO-Personal sollte daher über die Ziele und Absichten der NGOs genau informiert sein, und auch diese sollten alles daran setzen, ihren Standpunkt klar zu machen.

Religiöse NGOs:

Neben NGOs, die rein weltliche Wertvorstellungen haben und weltliche Ziele verfolgen, existieren solche, die religiöse Ziele verfolgen und von religiösen Wertvorstellungen geprägt sind. Viele Organisationen, sowohl international als auch regional, groß oder klein, fußen auf religiösen Überzeugungen und repräsentieren die praktische Dimension ihrer Religion und ihres Glaubens. Alle großen Weltreligionen - Christen, Moslems, Hindus, Buddhisten und Juden - verfügen über Organisationen zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Hilfe in Notsituationen. Kleine Gruppen organisieren sich rund um Kirchen, Moscheen, Tempel und Religionsschulen, stellen doch in vielen Kulturen die religiösen Zentren und ihre Führer bedeutende Bezugspunkte und Ressourcen für Führer von Gemeinschaften dar. Im Christentum unterhält jede Hauptrichtung (Katholiken, Protestanten, ...) ihre eigenen Organisationen. Religiöse NGOs können jedoch auch in überreligiösen Gruppen wie "World Vision" vertreten sein. Sie arbeiten oft mit gleichartigen Gruppierungen im Einsatzraum zusammen, haben aber Schwierigkeiten, wenn die vorherrschende Religion im Einsatzraum eine andere ist.

Religiöse NGOs haben meist ähnliche internationale oder übernationale Strukturen wie inter- bzw. multinationale NGOs. Katholische INGOs werden durch die Caritas repräsentiert, die nationalen Zweige von "World Vision" sind z. B. in "World Vision International" zusammengefasst.

NGOs mit missionarischen Zielen:

Egal welcher Religion oder Sekte sie angehören, können sich Unstimmigkeiten und Probleme daraus ergeben, in welchem Umfang NGOs im Einsatzraum Personen missionieren bzw. bekehren wollen. Die einen sehen ihre humanitären Aufgaben in der Verbesserung der physischen, materiellen und sozialen Lebensumstände und meinen, dass in ihren Aktionen ein Zeichen ihres Glaubens und eine Zeugenschaft ihres Gottes liegt. Daher exponieren sie sich auch nicht missionarisch. Für die anderen ist die Bekehrung ein wichtiger Bestandteil der Hilfeleistung. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, die Ziele der religiösen Gruppen zu kennen. Das hilft zu verstehen, warum sich manche Gruppen von einander distanzieren und nicht miteinander arbeiten wollen.

(wird fortgesetzt) Autor: Oberst Horst Malat, Jahrgang 1944. Nach der Offiziersausbildung Ausmusterung zum Panzerbataillon 10; Verwendungen als Zugskommandant, Stabsmitglied und Kompaniekommandant; 1983 bis 1992 Kommandant des Panzerbataillons 10. Seit Herbst 1992 als Referent im selbstständigen Referat "Ausbildungsgrundlagen" in der Ausbildungsabteilung des BMLV tätig

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