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Die "Pandur" II-Radpanzerfamilie 6 x 6 und 8 x 8

Neun von zehn ihrer Bauteile sind gleich - und trotzdem sind es vier verschiedene Basisfahrzeuge: 6 x 6, 6 x 6 amphibisch, 8 x 8 und 8 x 8 amphibisch. Die Radpanzerfamilie "Pandur" II der österreichischen Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug AG ist das Ergebnis einer systematischen Entwicklung, die sich über mehr als 20 Jahre erstreckte.

Die Schwierigkeiten der waffen- und fahrzeugtechnischen Industrie eines Staates von der Größe Österreichs sind mannigfaltig. Einerseits fehlt der finanzielle Rückhalt hinreichender Aufträge seitens der eigenen Streitkräfte, andererseits aber auch die Möglichkeit, mit solchen das Interesse ausländischer Kunden zu erwecken. Gleichzeitig müssen aber gerade für den Export die Lage und die Tendenzen auf den internationalen Märkten in Betracht gezogen werden.

Umso bemerkenswerter sind die Arbeiten der Steyr-Daimler-Puch Spezialfahrzeug AG & Co KG. Weil bereits in TRUPPENDIENST, Heft 5/2001, Seite 430 ff. die Entwicklung der "Pandur"-Radpanzerfamilie mit all ihren Varianten eingehend beschrieben wurde, soll nunmehr auf deren Weiterentwicklung eingegangen werden.

Grundlage dieser Weiterentwicklung waren zwei Faktoren. Einerseits lagen die Erfahrungen mit den bisher gebauten und auch in größerem Umfang exportierten Modellen vor, andererseits mussten internationale Tendenzen in Betracht gezogen werden: in vielen Ländern wird den 8 x 8-Fahrzeugen der Vorzug gegenüber den 6 x 6-Modellen gegeben. Ursache dafür sind sowohl die Vorbildwirkung anderer - insbesondere größerer - Staaten als auch der größere zur Verfügung stehende Innenraum. Man ist sich zwar durchaus bewusst, dass in gebirgigem Gelände und in Hohlwegen die größere Beweglichkeit dreiachsiger Fahrzeuge von Vorteil ist, diese hat sich insbesondere beim Einsatz der österreichischen "Pandure" am Balkan gezeigt. Trotzdem wird Achtrad-Fahrzeugen oftmals der Vorzug gegeben.

Das führte letztlich zur Entwicklung der neuen "Pandur" II-Familie, bestehend aus 6 x 6- und 8 x 8-Fahrzeugen. Wesentlich ist, dass für beide Versionen nicht weniger als 90 Prozent gleiche Bauteile Verwendung finden - ein beträchtlicher logistischer Vorteil für die Benutzer.

Das neue Basisfahrzeug 6 x 6

Viele Bauteile der früheren "Pandur"-Modelle konnten aufgrund der bewährten Bauweise beibehalten werden. Deshalb wird hier nur auf die Änderungen eingegangen. In diesem Beitrag nicht näher behandelte konstruktive Details sind u. a. in TRUPPENDIENST, Heft 5/2001, Seite 430 ff. beschrieben.

Wanne:

Der prinzipielle Aufbau der Wanne blieb unverändert, er entspricht etwa der bisherigen "Pandur"-Version mit der bereits verlängerten Wanne. Deren Radstand von 1 530 und 1 830 mm wurde beibehalten. Andere Abmessungen wurden allerdings vergrößert. So stieg die Gesamtlänge auf nunmehr 6 450 mm und die Breite auf 2 670 mm an. Letzteres nicht zuletzt wegen der für alle drei Achsen gleichen Spurweite von 2 293 mm. Die Höhe über die Wanne mit 2 060 mm blieb hingegen unverändert.

Durch diese Vergrößerungen steht der Besatzung (je nach der gewählten Bewaffnung bis zu zwölf Mann) mehr Innenraum zur Verfügung. Auch die mögliche Zuladung ist höher, beträgt doch die maximal zulässige Gefechtsmasse nunmehr 15,5 t. Die Beschusssicherheit blieb gleich. Ihre weitere Steigerung wäre nur im Rahmen der Einhaltung der maximal zulässigen Gefechtsmasse auf Kosten von anderen Parametern (Nutzlast, Treibstoff, ...) möglich.

Äußerlich erkennbare Änderungen sind die zwei Kuppeln für den Fahrer und den Kommandanten und die vier nach außen zu öffnenden Klappen über dem Mannschaftsraum.

Zu den möglichen Optionen zählen weiterhin der "Spall Liner" (eine Kunststoffauskleidung des Kampfraumes zum Schutz der Besatzung vor Geschossfragmenten, welche die Wanne durchschlagen haben), ein Bodenschutzteppich gegen Minenwirkungen, eine Klimaanlage, ein ABC-Schutz- und ein Brandunterdrückungssystem für den Mannschaftsraum. Außerdem ist die Anbringung einer Winde zur Selbstbergung möglich.

Antriebsanlage:

Aufgrund des internationalen Trends zur Verbesserung des Leistungs-/Masse-Verhältnisses und der nun höheren zulässigen maximalen Gefechtsmasse wird ein Motor mit abermals verstärkter Leistung eingebaut: ein flüssigkeitsgekühlter Sechs-Zylinder-Dieselmotor in Reihenbauart mit wahlweise 261 oder 298 kW. Der Motor besitzt einen Turbolader, Ladeluftzwischenkühler und einen hydrostatisch angetriebenen Ventilator. Dazu kommt noch ein elektronisches Motor-Management. Wie bei den bisherigen Modellen besteht die Möglichkeit des schnellen Ein- und Ausbaus des Motor-Getriebe-Blockes.

Neu hingegen ist die Verwendung eines elektronisch gesteuerten ZF-Sechsgang-Getriebes mit einer Überbrückungskupplung und einem Primärretarder sowie ein während der Fahrt schaltbares zweistufiges Zwischengetriebe.

Auch das von Steyr entwickelte Automatic Drivetrain Management-System (ADM-System) ist vorgesehen. Dieses steuert automatisch - auf Basis der Sensorenwerte von Räderschlupf, Radeinschlag und der Stellung des Fahr- und Bremspedals - über einen Computer die Zu- und Abschaltung des Längsdifferentials und der Achsdifferentiale. Dem Fahrer steht aber noch immer die Möglichkeit offen, diese Automatik mechanisch zu übersteuern. Der Vorteil dieses Systems liegt in einer Erleichterung der Ausbildung, einer Verbesserung der Geländegängigkeit sowie einer Verringerung der Beanspruchung und somit der Abnützung der Bauteile des gesamten Antriebsstranges.

Fahrwerk:

Dieses wurde nahezu unverändert beibehalten. Alle Räder besitzen eine unabhängige Radaufhängung mit hydraulischen Teleskop-Stoßdämpfern. Auch die Federung der gelenkten 1. und 2. Achse erfolgt weiterhin mittels Schraubenfedern, jene der 3. Achse mittels Drehstäben.

Für die Bereifung stehen weiterhin Reifen der Dimension 12.5 R 20 oder aber 365/80 R 20, beide mit Notlaufelementen, zur Verfügung. Eine Reifendruckregelanlage kann den Druck in allen sechs Rädern oder für jede Achse einzeln den Bodenverhältnissen anpassen, auch während der Fahrt.

Die Betriebsbremse arbeitet als hydropneumatische Zweikreisbremsanlage mit Bremsscheiben an jedem Rad. Dazu ist dem modernen Trend folgend ABS (Anti-Blockier-System) vorgesehen. Die Feststellbremse ist nunmehr eine federgespannte hydropneumatische Scheibenbremse.

Bewaffnung:

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Fahrzeug als Basis für die unterschiedlichsten Zwecke ausgelegt. So besteht die Möglichkeit, verschiedene Maschinenwaffen bzw. Panzerkanonen mit einem Kaliber bis 90 mm mit oder ohne Turm aufzusetzen, allerdings nur innerhalb der maximal zulässigen Gefechtsmasse.

Das Basisfahrzeug 6 x 6 amphibisch

Die amphibische Version unterscheidet sich nur in einigen Einrichtungen und Bauteilen vom normalen Basisfahrzeug. Die äußeren Abmessungen bleiben unverändert, die maximale Gefechtsmasse wurde jedoch zur Erhaltung der Schwimmfähigkeit auf maximal 15 t verringert. Dadurch ist das Maximalkaliber der Bewaffnung auf 30 mm begrenzt.

Äußerlich erkennbar sind vor allem die hydraulisch betätigte Schwallplatte am Fahrzeugbug und die Änderungen im Bereich des Motorraumes. Letztere sind erforderlich, da bei der Wasserfahrt die Motorkühlung automatisch von Luft-/Wasserkühlung auf Wasser-/Wasserkühlung umgeschaltet wird. Hinter der 3. Achse ist an jeder Fahrzeugseite ein Wasserstrahlantrieb angebracht, der mechanisch über Verlängerungswellen mit dem Antriebsstrang verbunden ist. Damit kann im Wasser eine Höchstgeschwindigkeit von 11 km/h erzielt werden. Zusätzlich ist eine Bergewinde vorgesehen, um das Verlassen des Gewässers bei schwierigen Uferverhältnissen zu erleichtern. Die für die Wasserfahrt erforderlichen Komponenten werden vollautomatisch zugeschaltet, sodass das Einfahren in das Gewässer ohne weitere Vorbereitungen, ja sogar ohne Fahrzeugstopp erfolgen kann.

Das Basisfahrzeug 8 x 8

Äußerlich fallen vor allem die zusätzliche Achse sowie u. a. zwei zusätzliche Klappen über dem Mannschaftsraum auf. Das Fahrzeug ist - aufgrund des Hinzufügens der 4. Achse - nunmehr 7 430 mm lang. Breite, Höhe und Spurweite blieben gegenüber der 6 x 6-Version unverändert. Der Radstand beträgt nun 1 530, 1 400 und 1 400 mm. Wie die 3.Achse ist auch die 4. mit Drehstäben gefedert. Der vergrößerte Innenraum bietet, abhängig von der eingebauten Bewaffnung, bis zu 14 Personen Platz. Aufgrund der höheren Masse ist allerdings nur der Einbau des stärkeren 298-kW-Motor vorgesehen. Die maximal zulässige Gefechtsmasse beträgt 20 t.

Das gestattet eine weitere Verstärkung der Bewaffnung. So existieren bereits Darstellungen mit einer rundum drehbaren, scheitellafettierten 105-mm-Panzerkanone.

Das Basisfahrzeug 8 x 8 amphibisch

Änderungen zum oben beschriebenen 8 x 8-Fahrzeug ergeben sich nur für die maximale Gefechtsmasse von nunmehr 18,6 t, was die Möglichkeiten der Bewaffnung einschränkt: diese kann nur mit Waffen bis zu einem Kaliber von 90 mm erfolgen. Der Wasserstrahlantrieb entspricht dem des amphibischen 6 x 6-Fahrzeuges, aufgrund der größeren Fahrzeugabmessungen liegt die Höchstgeschwindigkeit bei Wasserfahrt allerdings nur bei 10 km/h.

Autor: DI Franz Kosar, Jahrgang 1931. Studium der Fachrichtung Maschinenbau an der Technischen Universität in Wien, Diplomprüfung 1954. Anschließend als Konstrukteur in der Industrie und ab 1956 im In- und Ausland als Sachverständiger beschäftigt. Seit 1962 freier Mitarbeiter der Redaktion TRUPPENDIENST, Mitverfasser zahlreicher Fachpublikationen (TRUPPENDIENST-Taschenbücher, Jane‘s usw.) sowie Verfasser von mehreren Büchern (Fachgebiet Artillerie) und zahlreichen Beiträgen für militärische Zeitschriften in sieben Ländern.

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