Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Die Revolution von 1848

Aufteilung oder Fortbestand des Habsburgerreiches

Die Revolution von 1848 war kein Aufstand der Unterprivilegierten. Im Gegenteil: Das eher gut situierte Bürgertum forderte politische Mitsprache - und zum Teil auch nationale Selbstbestimmung. Für einen Vielvölkerstaat ergaben sich daraus natürlich Probleme.

Das Jahr 1848 war in fast ganz Europa vom Auf und Ab der Revolution gekennzeichnet. Die absolutistisch regierten Monarchien sollten in Verfassungsstaaten umgewandelt werden. Dabei kam es fast überall in Europa zu Konflikten zwischen gemäßigten liberal-konservativen Kräften, die einen Kompromiss im Sinne konstitutioneller Monarchien anstrebten, und radikalen demokratisch-republikanischen Strömungen.

Der Sturz des alten Regimes der Donaumonarchie im März 1848 erfolgte relativ unblutig, danach kam es aber zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen (die - gemessen an der Französischen Revolution nach 1789 oder der Russischen Revolution 1917 - eher milde waren). Die Niederlage der Radikalen im Herbst 1848 führte zu einem Gegenschlag, der zum Teil auch die liberalen Errungenschaften des Sommers 1848 zunichte machte.

Mit der Umgestaltung der alten Monarchien in Verfassungsstaaten, die ihren Bürgern politische Mitsprache gewährten, war in Mitteleuropa allerdings nicht bloß die Frage der Staatsform aufgeworfen, sondern auch die über den Fortbestand oder die Neuordnung der bestehenden Staaten.

Volkssouveränität oder Herrscherrecht von Gottes Gnaden?

Die liberale Verfassungsbewegung ging mit der nationalen Einheitsbewegung Hand in Hand. Das Prinzip der Volkssouveränität, das den Herrscherrechten von Gottes Gnaden entgegengestellt wurde, musste, konsequent durchgeführt, zur Bildung von Nationalstaaten führen, sprich: von Staaten, die möglichst alle Angehörigen einer ethnischen Gruppe umfassten. (Weil aber die Siedlungsgebiete nicht überall säuberlich zu trennen waren, ergab sich daraus zwangsläufig vielerorts das Problem nationaler Minderheiten.) In der Praxis führte das konkret zu folgenden Fragen:

  • Sollen sich die 39 Staaten des Deutschen Bundes in Hinkunft zu einem Bundesstaat vereinigen?
  • Soll das halbe Dutzend italienischer Fürstentümer einen Nationalstaat bilden, wie er unter Napoleon schon einmal ansatzweise existiert hatte?
  • Sollen die Magyaren und die slawischen Völker der Monarchie ihre eigenen Wege gehen?

Keine Dynastie war von diesen Optionen so existenziell betroffen wie die der Habsburger, deren Kaisertum Österreich nicht weniger als elf verschiedene Nationalitäten beherbergte. Es bestand die Gefahr der Aufteilung der Monarchie auf ihre Völker - insbesondere in die so genannten "historischen Nationen": Deutsche, Italiener, Ungarn und Polen. Daneben machten sich vor allem Tschechen und Kroaten bemerkbar, die befürchteten, bei einer solchen Aufteilung unter die Räder zu kommen.

Die Alternative eines großen Mitteleuropas von der Nordsee bis ans Schwarze Meer - eines "Reiches der 70 Millionen" - war weder den deutschen noch den nicht-deutschen Völkern dieses Raumes schmackhaft zu machen. Ein Habsburger, der an die Spitze eines vereinigten Deutschland getreten wäre, hätte demnach auf Ungarn, Galizien und die italienischen Besitzungen verzichten müssen. Diese Teilung des Herrschaftskomplexes wollte man in Wien nicht hinnehmen.

Die nationalen Konflikte innerhalb Österreichs entwickelten bald ihre eigene Dynamik: Doch gerade diese Konflikte, die die Utopie einer Brüderlichkeit der befreiten Völker Lügen strafte, schienen die Notwendigkeit einer übergeordneten Autorität zu bestätigen. (Bismarck sagte später einmal "Befreite Völker sind nicht dankbar, sondern anspruchsvoll.") Die Rivalitäten eröffneten der Krone - und ihrer Stütze, der (Berufs-)Armee - zugleich aber auch die Möglichkeit, die Ansprüche der Völker gegeneinander auszuspielen. Die Gegenrevolution war deshalb in Österreich früher siegreich als in den anderen Staaten des Deutschen Bundes.

Vom Zigarrenrummel zum Radetzkymarsch

Österreich wurde 1848 von der revolutionären Bewegung in einer besonders unglücklichen Situation überrascht. Das 1804 proklamierte Kaisertum Österreich bestand aus Ländern, die nur durch ein paar bürokratische Klammern zusammengehalten wurden, aber keine wirkliche politische Einheit bildeten. Diesem Österreich fehlte zudem seit 1835 ein regierungsfähiger Kaiser: Für den epilepsiekranken Kaiser Ferdinand I. führte eine Staatskonferenz die Geschäfte. Diese bestand aus dem jüngsten Onkel des Kaisers (Erzherzog Ludwig), dem Staatskanzler Klemens Lothar Fürst Metternich und seinem Rivalen Franz Martin Graf Kolowrat, die einander wechselseitig blockierten. Österreich wurde von der Eigendynamik der Bürokratie regiert und litt unter dem so genannten "Imperial Overstretch": seine Polizeiaktionen, vor allem seine Interventionen bei Unruhen in Italien, überstiegen Österreichs finanzielle Kräfte. Als aus Italien und Frankreich im Februar 1848 neuerlich Revolutionen gemeldet wurden und man allgemein mit einer neuerlichen Intervention rechnete, sank der Staatskredit. Nicht nur Studenten und Literaten, die mit der metternichschen Zensur unzufrieden waren, gingen am 13. März in Wien auf die Straße, auch das ängstliche Bürgertum untergrub indirekt das Regime, weil es seine Banknoten gegen Hartgeld eintauschte - eine Stimmung, die sich auf die Formel bringen ließ: "Es muss was g’scheh’n, sonst g’schieht was." Die Demonstrationen des 13. März gerieten außer Kontrolle. Das Heer war auf "Crowd and Riot Control" nicht vorbereitet und schnell aufgeworfene Barrikaden beschränkten die Bewegungsfähigkeit der Kavallerie in den engen Gassen der Innenstadt. Die "Stände" - machtlose Reste der altertümlichen, auf den Adel beschränkten Landtage - versuchten zu vermitteln. Noch am Abend des 13. März 1848 wurde Metternich - als der Stein des Anstoßes - entlassen und ein Ministerium ernannt, das den liberalen Forderungen entgegenkommen sollte. Dem Königreich Ungarn wurde eine eigene Regierung gewährt; für die anderen Erbländer eine Verfassung versprochen. (Auf diesen Anlass ist der Beinamen Ferdinands I. "der Gütige" zurückzuführen.) Inzwischen sollte eine aus bürgerlichen Freiwilligen bestehende Nationalgarde für Ruhe und Ordnung sorgen. Zugleich wurden die ersten allgemeinen Wahlen in die deutsche Nationalversammlung ausgeschrieben, die in der Paulskirche in Frankfurt zusammentrat. Zweck dieser Wahlen war nicht zuletzt, mit den konservativeren Österreichern und Preußen ein Gegengewicht zu den Radikalen im Südwesten Deutschlands zu schaffen.

Zu kriegerischen Auseinandersetzungen von Anfang an kam es hingegen in Italien, wo das Lombardo-Venetianische Königreich unter habsburgischer Herrschaft stand. Dort hatte ein Raucherstreik, der sich gegen das Tabakmonopol als Symbol der österreichischen Herrschaft wandte (der so genannte Zigarrenrummel), zu Zusammenstößen zwischen Zivilisten und Militär geführt. Auch in Mailand vermied die Armee den Straßenkampf und zog sich ins "Festungsviereck" zurück, gebildet von den vier Festungen Verona, Mantua, Peschiera und Legnago, die jeweils einen Tagesmarsch entfernt lagen und die Flussübergänge (über den Mincio und den Etsch) kontrollierten. Neben den Aufständischen marschierte auch das reguläre Heer des Königreiches Sardinien-Piemont in der Lombardei ein. König Karl Albert von Sardinien schloss sich der nationalen Bewegung des Risorgimento an, um nicht selbst hinweggefegt zu werden. Andere italienische Regierungen und selbst der Papst (der Kirchenstaat umfasste damals noch ganz Mittelitalien) sahen sich gezwungen, ihm zu folgen. In Venedig brach am 17. März ein republikanischer Aufstand aus; der Großteil der österreichischen Marine ging zu den Venetianern über, Triest wurde blockiert.

Zur ungeklärten Situation im Inneren kam damit von Anfang an ein Konflikt mit einem äußeren Gegner, der alleine vielleicht einer Großmacht nicht gewachsen war, aber unter den speziellen Umständen des Jahres 1848 nicht unterschätzt werden durfte. Die Handlungsfähigkeit der österreichischen Regierung wurde nämlich weiter eingeschränkt: Noch bevor der Reichstag, der über die Verfassung beraten sollte, zusammentreten konnte, brachen in Wien neuerliche Unruhen aus, die so genannten Sturmpetitionen (15. und 26. Mai). Der Hof floh nach Innsbruck; die Regierung in Wien galt als Gefangene der Revolutionäre und wurde in den Provinzen nicht mehr respektiert; Böhmen ging eigene Wege. Auch in Prag kam es im Juni 1848 zu einer Studentenrevolte (dem "Pfingstaufstand"), die vom kommandierenden General Alfred Fürst Windischgrätz niedergeschlagen wurde. Militärisch wenig bedeutend, machte der "Pfingstaufstand" die Rivalität von Deutschen und Tschechen in Böhmen deutlich, die beide liberale Entwürfe verfolgten, einander aber misstrauten und im Zweifelsfall lieber auf die Regierung setzten, weil die Deutschböhmen (Sudetendeutschen) die tschechische Mehrheit fürchteten, die Tschechen hingegen den Anschluss Böhmens an Deutschland.

Mit dem Verlust der Lombardei hatte man sich unter diesen Rahmenbedingungen eigentlich schon abgefunden. Es fanden bereits Verhandlungen statt, als im Sommer das Unerwartete geschah: Der Kommandant der Italien-Armee, der immerhin schon 82-jährige Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky, trat - ohne zahlenmäßige Überlegenheit (beide Seiten verfügten über 50 000 bis 70 000 Mann) - seinen siegreichen Vormarsch an. (Siehe auch "Nicht bloß um des Ruhmes Schimmer …" in TRUPPENDIENST Heft 1/2008, S. 18 ff.) Das Festungsviereck bot ihm ideale Voraussetzungen für ein Operieren auf der Inneren Linie: Nach Ausfällen nach Südwesten und Nordosten (Gefechte bei Curtatone und Vicenza) gelang ihm Ende Juli, während die Italiener vor Mantua standen, von Verona aus der Durchbruch. Am 6. August suchte Karl Albert um einen Waffenstillstand an. Die österreichische Herrschaft war dort stabilisiert, wo sie am meisten gefährdet war. Johann Strauß komponierte den Radetzkymarsch und Grillparzer widmete dem Feldherren das Gedicht: "In Deinem Lager ist Österreich". Im Lager Radetzkys hielt sich damals für einige Wochen auch Erzherzog Franz Joseph auf, der spätere Kaiser.

Von Warasdin nach Wien: der ungarisch-kroatische Konflikt eskaliert

Das Prestige der Habsburgerdynastie stieg wieder. In Wien wurde am 22. Juli der Reichstag eröffnet, ein neues Ministerium eingesetzt und der Hof kehrte zurück. In Frankfurt wurde Erzherzog Johann zum Reichsverweser gewählt, zum provisorischen Oberhaupt eines vereinigten Deutschland, das es noch nicht gab.

Eine neue Front zeichnete sich jedoch im Osten ab. Ungarn war habsburgisch, aber bis 1806 kein Teil des Heiligen Römischen Reiches gewesen, auch nicht des 1815 gegründeten Deutschen Bundes. Ungarn hatte auch die Unterordnung unter das Kaisertum Österreich nie akzeptiert, sondern seine eigene Tradition adeliger Selbstverwaltung behalten (die z. B. Steuerstreiks möglich machte und die Zensur erschwerte). Es nahm auch am Wiener Reichstag nicht teil.

Die politische Elite des Landes betrachtete das Verhältnis zu Österreich als eine Personalunion, verbunden nur durch die Person des Monarchen, und sah Kroatien sowie Siebenbürgen als Teil der Ungarischen Krone. Dagegen regte sich Widerstand bei den Kroaten, die Rückhalt fanden bei der Militärgrenze, die bisher immer getrennt verwaltet worden war. Der Ban (auch Banus, vergleichbar mit einem Statthalter) von Kroatien, Oberst Josef Baron Jellacic, nahm seine Absetzung durch Ungarn nicht zur Kenntnis und versicherte sich des Rückhaltes bei Hofe.

Was sich im Herbst 1848 abspielte, war kein "Aufstand der Ungarn", wie es oft heißt, sondern eine Eskalation, an der alle Seiten beteiligt waren. Jellacic machte den Anfang, als er am 11. September 1848 mit seinen Truppen bei Warasdin die Drau überschritt und in Richtung Budapest (damals noch getrennt: Buda und Pest) marschierte. Dieser Vorstoß führte zu empörten Reaktionen in Ungarn: Der Mob lynchte den kaiserlichen Kommissar und der populäre Abgeordnete Lajos Kossuth ergriff anstelle des zurückgetretenen Ministeriums die Macht.

Daraus ergab sich ein Dilemma für die Offiziere des Heeres, die in Ungarn stationiert waren. Sowohl Jellacic als auch die Ungarn waren in einem gewissen Sinne Rebellen, beriefen sich aber beide auf die Krone. Es war keineswegs klar, wer über die verfassungsmäßige Autorität verfügte und wem daher die Loyalität der Offiziere zu gelten hatte. Die Eskalation erreichte ihre nächste Stufe, als Jellacic mit seinen Truppen vor Budapest am 28. September bei Pákozd eine Schlappe erlitt und sich in Richtung Wien zurückzog. Der Wiener Kriegsminister Theodor Graf Baillet-Latour schickte ihm Verstärkungen. Diese ausmarschierenden Regimenter wurden aber am 6. Oktober von Demonstranten aufgehalten und liefen zum Teil über. Die Kämpfe dieser "Oktoberrevolution" griffen auf die Innenstadt über: Das Zeughaus wurde gestürmt, Kriegsminister Latour ermordet und der Hof floh ein zweites Mal, diesmal nach Olmütz.

Angesichts dieser gewaltsamen Konfrontation wurde die Gruppe der gemäßigten Liberalen zerrieben, die die Revolution "schließen" und in eine Verfassung münden lassen wollte. Beide Parteien hatten den Boden der Legalität verlassen. Militärisch freilich waren die Gewichte ungleich verteilt. Jellacic vereinigte sich mit Windischgrätz und Wien wurde eingeschlossen. (Die Ungarn leisteten den Aufständischen in Wien aber nur halbherzig Hilfe. Sie wurden in einem Gefecht bei Schwechat zurückgeworfen.) In den Kämpfen um Wien fielen ca. 2 000 Personen.

Bei den Übergabeverhandlungen kam es am 30. Oktober zu einem Missverständnis. Die Revolutionäre griffen nach der Kapitulation noch einmal zu den Waffen - Todesurteile waren die Folge. Furore machte die Hinrichtung von Robert Blum, eines Abgeordneten der Deutschen Nationalversammlung.

In der Nationalversammlung in Frankfurt kippte inzwischen die Stimmung. Man wollte die nationale Einheit nicht mehr mit den Habsburgern, sondern gegen - oder zumindest ohne sie verwirklichen. Der Österreicher Anton von Schmerling wurde als "Reichsministerpräsident" durch den Deutschen Heinrich von Gagern ersetzt, der das Problem der deutschen Einheit durch einen engeren und einen weiteren Bund lösen wollte - Österreich sollte nur dem weiteren Bund angehören, die Krone des engeren Bundes wurde hingegen Preußen angeboten. Doch der preußische König lehnte im Frühjahr 1849 ab - die deutsche Einheit, mit oder ohne Österreich, war vorerst gescheitert.

Nach der Belagerung Wiens übernahm in Österreich Felix Fürst Schwarzenberg (ein Schwager von Windischgrätz) die Regierung. Auch der Kaiser wechselte: Ferdinand I., im Frühjahr plötzlich wieder für regierungsfähig erklärt, übergab die Krone am 2. Dezember 1848 seinem Neffen Franz Joseph.

Der Reichstag war zuvor von Wien ins mährische Kremsier (tschechisch Kromeriz) verlegt worden. Er wurde im März 1849 aber aufgelöst, kurz bevor er seine Verfassung vollendet hatte. Einige seiner führenden Vertreter wurden sogar zur Verhaftung ausgeschrieben. Als bleibende Errungenschaft des Reichstages und des Jahres 1848 erwies sich die Aufhebung der Grunduntertänigkeit: Die Bauern konnten ab jetzt frei über ihren Grund und Boden verfügen. Die Entschädigung der Grundherren wurde gedrittelt (ein Drittel übernahm das Land, ein Drittel zahlte der Bauer, auf ein Drittel musste der Grundherr verzichten). Der junge Kaiser Franz Joseph I. erließ eine "oktroyierte" Verfassung, die jetzt auch Ungarn einschloss, aber nie in Kraft trat (und 1851 schließlich aufgehoben wurde).

Solange Ungarn Widerstand leistete, wurde Österreich de facto als Militärdiktatur regiert. Der ungarische Widerstand schien aber leicht zu brechen zu sein: Windischgrätz nahm im Jänner 1849 Buda und Pest ein, die Regierung Kossuth zog sich nach Debrecen zurück. Doch wiederum folgten die Ereignisse nicht den Erwartungen. Am 6. April wurde Windischgrätz bei Isaszeg geschlagen und musste den Rückzug antreten.

Venedig und Világos: die letzte revolutionäre Welle

Das Frühjahr 1849 war durch eine letzte revolutionäre Welle gekennzeichnet. In Ungarn erklärte am 14. April 1849 die Kossuth-Regierung die Habsburger für abgesetzt - allerdings gegen den Willen der Honvéd ("Vaterlandsverteidiger", die ungarische Armee) und ihres Oberkommandierenden Artur Görgey, die eine Kompromisslösung bevorzugt hätten. Die Kompromissbefürworter stießen dabei aber weder bei Kossuth noch bei der österreichischen Regierung auf Gegenliebe. Die Regierung beantwortete Kossuths Erklärung mit der "Verwirkungstheorie": Die Ungarn selbst hätten ihre alten Rechte aufgegeben und ihre Verfassung damit "verwirkt".

In Rom kam es inzwischen unter Garibaldi zu einem Aufstand und Sardinien unternahm im März 1849 einen zweiten Anlauf gegen die österreichische Vorherrschaft.

Auch in Deutschland kam es zu Kämpfen in Sachsen, vor allem aber in Südwestdeutschland. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte inzwischen eine Verfassung beschlossen; doch die Regierungen der deutschen Einzelstaaten erkannten diese Reichsverfassung nicht an.

Als Republikaner sich auf die Verfassung beriefen und zum Widerstand gegen die Regierungen aufriefen, gingen Österreich und Preußen gemeinsam gegen sie vor. Es kam zu einer Auswanderungswelle der "Achtundvierziger" in die USA, wo Deutsche bald die stärkste Einwanderergruppe stellten. Auch der "Bauernbefreier" Hans Kudlich, der im österreichischen Reichstag den Antrag zur Aufhebung der Grunduntertänigkeit gestellt hatte, lebte bis 1917 als Arzt in einem New Yorker Vorort.

In Italien konnte Österreich auf Frankreich zählen, wo inzwischen Napoleon III. die Macht ergriffen hatte, der in Rom gegen Garibaldi intervenierte. Gegen Sardinien benötigte Österreich keine Hilfe mehr: In einem Blitzfeldzug der "hundert Stunden" war Radetzky Karl Albert zuvorgekommen, hatte überraschend noch vor ihm den Grenzfluss Ticino überschritten und die feindliche Armee von Süden her aufgerollt: Die Schlacht von Novara am 23. März 1849 war der schönste militärische Erfolg der kaiserlichen Armee zwischen 1814 und 1914. Karl Albert musste abdanken und Sardinien musste eine Kriegsentschädigung zahlen. In Italien blieb als Widerstandsnest nur die venetianische Republik über.

Die Lagunenstadt ließ sich aber mit herkömmlichen Methoden nicht belagern. Zur Blockade Venedigs wurden deshalb die ersten Dampfer angemietet; schließlich gebührt den Österreichern auch der zweifelhafte Ruhm, das erste Luftbombardement der Geschichte durchgeführt zu haben - mittels Ballon-Bomben (System Uchatius). Am 22. August 1849 kapitulierte Venedig. (Siehe auch "Der erste ‚strategische‘ Luftangriff", TRUPPENDIENST, Heft 6/2001, S. 532 ff.) Schwieriger gestaltete sich die Situation in Ungarn. Hier entstand eine politische Hypothek: Österreich nahm trotz Bedenken die Hilfe des russischen Zaren in Anspruch, der vor allem wegen der Beispielwirkung auf Polen alle nationalen Revolutionen bekämpfte. Im Jänner 1849 hatte man schon einmal erwogen, die Russen zu Hilfe zu rufen, um in Siebenbürgen - im Rücken der Ungarn - aktiv zu werden. Der Plan wurde damals aber noch verworfen. Als man nach der Niederlage von Isaszeg jedoch mit einem neuerlichen Vorstoß der Ungarn auf Wien rechnete (zu dem es aber nicht kam, weil die Ungarn sich zu lange mit der Belagerung des Burgbergs in Buda aufhielten), ging Kaiser Franz Joseph I. im Mai auf das russische Hilfsangebot ein und besuchte den Zaren in Warschau.

Zwei Großmächten zugleich vermochte die ungarische Republik nicht zu widerstehen. Kaiserliche, Ungarn und Russen zogen mit je 150 000 bis 200 000 Mann ins Feld. Während die Österreicher die ungarische Hauptmacht banden und Kaiser Franz Joseph I. am 28. Juni 1849 als einer der ersten über eine brennende Holzbrücke in Raab einritt, marschierten die Russen ab Mitte Juni 1849 über die Karpaten bis nach Debrecen und Pest. (Ein kleines Korps wurde - bereits mittels Eisenbahn - auch nach Mähren verlegt.) Die Ungarn entgingen der Zangenbewegung, konnten aber die Gelegenheit nicht für einen Schlag gegen einen der beiden Gegner nutzen. Die Kossuth-Regierung floh nach Szegedin, die Armee Görgeys zog sich hinter die Theiß zurück. Ohne größere Schlacht kapitulierte Görgey - bewusst nicht vor den Österreichern, sondern vor den Russen - am 13. August 1849 in Világos. Mehrere politische Führer wurden hingerichtet ("Blutgericht von Arad"); Kossuth und der spätere österreichisch-ungarische Außenminister Gyula Andrássy flohen ins Osmanische Reich, dem alten Rivalen Russlands. Ungarn wurde in fünf Verwaltungsbezirke aufgeteilt.

Der Versuch, die gesamte Habsburgermonarchie von Wien aus zentralistisch zu verwalten, scheiterte dennoch. Nach zehn Jahren Neo-Absolutismus musste Ungarn eine Sonderentwicklung zugestanden werden, die in den "Ausgleich" des Jahres 1867 mündete. Mit diesem wurden zwei "Reichshälften" geschaffen, jede mit einem eigenen Parlament und einer eigener Regierung, aber mit einer gemeinsamen Außenpolitik und einem gemeinsamen Militär.

1848 auf einen Blick

Ab Jahresbeginn: Unruhen in Mailand, Padua und Brescia (der Zigarrenrummel); 3. März : Lajos Kossuth hält in Pest die "Taufrede der österreichischen Revolution"; 13. März : Unruhen in Wien; Metternich wird als Staatskanzler entlassen; 15. März :Aufhebung der Zensur, Erklärung der Pressefreiheit; 17. und 18. März:Aufstände in Venedig und Mailand; 15. und 26. Mai:neuerliche Unruhen in Wien; 18. Mai:Eröffnung der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt; 12. Juni:Studentenrevolte ("Pfingstaufstand") in Prag; 22. Juli:Eröffnung des Österreichischen Reichstages in Wien; 9. September:Kaiser Ferdinand I. bestätigt den Reichstagsbeschluss zur Aufhebung der Grunduntertänigkeit der Bauern; 6. Oktober:Beginn der Oktoberunruhen in Wien; 22. November:Wiedereröffnung des Österreichischen Reichstages in Kremsier (Kromeriz); 2. Dezember:Kaiser Ferdinand I. dankt ab, sein Bruder (Erzherzog Franz Karl) verzichtet zugunsten Franz Josephs auf den Thron.

Resümee

Das Heer - mit seinem Triumvirat Windischgrätz, Jellacic und Radetzky - hatte den Bestand des Reiches noch einmal gesichert. Die dahinterstehenden politischen Probleme waren deshalb noch nicht gelöst. Hinter dieser Feststellung verbirgt sich freilich ein Schuss Utopie, denn Nationalitätenprobleme sind nicht zu "lösen", weder demokratisch noch autoritär. Es kann dabei nur um tragbare Kompromisse gehen, darum - wie es jemand später einmal ausdrückte -, um die Völker in "wohltemperierter Unzufriedenheit" zu erhalten. Das gelang Franz Joseph I. bis zum Ende seines Lebens mit wachsender Routine. Abstriche musste er nur in den beiden Regionen machen, in denen es auch 1848 die meisten Schwierigkeiten gegeben hatte, in Italien und in Ungarn.

1848 hatte Österreich dem Ansturm widerstanden, weil die Kräfte der unruhigen Nationalbewegungen einander gegenseitig aufhoben; aber auch, weil sich die Großmächte - Frankreich, Preußen und Russland - entgegen manchen Befürchtungen solidarisch gezeigt hatten. Nur mit Kleinstaaten wie Sardinien oder Dänemark kam es zu offenen Auseinandersetzungen. Sobald Frankreich 1859 und dann auch Preußen 1866 gegen Österreich auftrat, musste Österreich seine italienischen Besitzungen bis auf "Trento e Trieste" schrittweise räumen und nach 1866 auch den Ungarn ihre "Reichshälfte" zugestehen. Der ungarische Außenminister Gyula Horn hat sich 1989 anlässlich der "Wende" daran erinnert: Damals habe die deutsche Einheit die ungarische Freiheit gebracht; diesmal werde es umgekehrt sein.

Was blieb, war die Finanznot. Österreich lag zwar strategisch an einem neuralgischen Punkt, ökonomisch jedoch - ohne direkten Zugang zu den Weltmeeren - gleichsam in einem toten Winkel. Darüber hinaus hatte während der industriellen Revolution ein Land ohne große Kohlenreviere schlechte Karten. Daher konnte Österreich seinen Großmachtstatus nur mit Mühe aufrechterhalten.

Diese Finanznot half jedoch, ein wesentliches Anliegen der Revolution von 1848 zu erfüllen. Man borgte der Monarchie nur dann Geld, wenn auch die Kontrolle sichergestellt war, sprich: die Kontrolle der kaiserlichen Verwaltung durch ein Parlament. Die Finanzmärkte waren deshalb wesentlich daran beteiligt, dass Österreich nach 1860/61 doch noch eine Verfassung erhielt - die einen Kompromiss von Volkssouveränität und Gottesgnadentum darstellte.

Kaiser Franz Joseph I. sagte einmal, er sei sich bewusst, dass sein Reich einen Anachronismus darstelle. Doch wer weiß? Die Balance von imperialen Strukturen - die auf die Wünsche der Bevölkerung nicht immer Rücksicht nehmen - und von populistischen Bewegungen - die auf die "Staatsräson" nicht immer Rücksicht nehmen - könnte das nächste multinationale Reich, die EU, prägen.


Autor: Univ. Prof. Dr. Lothar Höbelt, Jahrgang 1956. Nach der Matura Studium an der Universität Wien, 1982 Promotion sub auspiciis praesidentis zum Dr. phil., Studium der Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Anglistik. Forschungsaufenthalte u. a. in Rom und London. Ab 1981 Universitätsassistent, ab 1991 Universitätsdozent, 1992 Gastprofessur an der University of Chicago und seit 1997 ao. Universitätsprofessor für neuere Geschichte an der Universität Wien. Seit 2001 Lektor für Zeitgeschichte an der Theresianischen Militärakademie, Wiener Neustadt. Zahlreiche Publikationen u. a. zur politischen Geschichte Mitteleuropas seit 1848 und zur Militärgeschichte, darunter sieben Monographien und ca. 130 wissenschaftliche Artikel.

Literatur und Quellen (Auszug)

Lutz, Heinrich (1995) Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815 - 1866. Berlin sowie Höbelt, Lothar (1998) 1848. Österreich und die deutsche Revolution. Wien.

Kletecka, Thomas (Hg.) (1996) Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848 - 1867, Abteilung I: Die Ministerien des Revolutionsjahres 1848. Wien.

Zur militärischen Entwicklung vgl. Kiszling, Rudolf (1948) Die Revolution im Kaisertum Österreich 1848 - 1849. 2 Bde. Wien.

Deák, István (1989) Die rechtmäßige Revolution. Lajos Kossuth und die Ungarn 1848 - 49. Wien sowie Hauptmann, Ferdinand (1975) Jellacic Kriegszug nach Ungarn. Graz.

Lippert, Stefan (1998) Felix Fürst zu Schwar¬zenberg. Eine politische Biographie. Stuttgart sowie Gottsmann, Andreas (1995) Der Reichstag von Kremsier und die Regierung Schwarzenberg. Wien.

Birch v. Dahlerup, Hans (1911) In österreichischen Diensten. Bd. 1, Berlin Malnig, Dipl. Ing. Helmut W. (2001) Der erste "strategische" Luftangriff. In TRUPPENDIENST, Heft 6/2001.

Conte Corti, Egon Caesar, (1952) Mensch und Herrscher. Wege und Schicksale Kaiser Franz Josephs I. Graz.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle