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"COOPERATIVE LONGBOW" und "COOPERATIVE LANCER" 2007 (II)

Am 18. Oktober landete eine C-130 "Hercules" des Österreichischen Bundesheeres im militärischen Abschnitt des Flughafens von Tirana. An Bord der Maschine waren ein österreichisches und ein schweizerisches Kontingent, die an der Übung "COOPERATIVE LANCER" 2007 teilnahmen. Am Vormittag desselben Tages war die Maschine am Flugplatz Linz-Hörsching gestartet und hatte mit einem Umweg über die Schweiz den Flugplatz der albanischen Hauptstadt erreicht. Der zweite Teil der NATO-PfP-Übungsserie hatte begonnen.

Einige Wochen davor: Am Ende ihrer Sommerferien rückten die Frequentanten des 50. Lehrzuges des Bundesrealgymnasiums für Berufstätige (BRG) der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt wieder ein.

Jene Soldaten, die 2008 die Matura am BRG absolvieren und gerade das erste Semester abgeschlossen hatten, wurden mit einer besonderen Aufgabe bedacht. Ihnen wurde aufgetragen, das Kontingent für die NATO-PfP-Übung "COOPERATIVE LANCER" 2007 in der Stärke von zwei Jägergruppen zu stellen.

Im Lehrzug sind Unteroffiziere und Chargen gemischt, die schon Erfahrung mitbringen, da viele Mitglieder des Lehrzuges bereits einen Auslandseinsatz absolviert haben. Aber die gewissenhafte Vorbereitung charakterisiert die Vorgehensweise der österreichischen Soldaten, und so wurden die zwei Jägergruppen einer zwei Wochen dauernden vertiefenden Ausbildung unterzogen, wodurch die Mannschaften noch besser aufeinander abgestimmt werden sollten.

Vorbereitung

Federführend für die Vorbereitung zeichnete der S3 des Akademikerbataillons der Theresianischen Militärakademie, der die Männer des BRG in die Lage einwies und die Vorbereitungen organisierte. Auch der eingeteilte Halbzugskommandant, Stabswachtmeister Markus Höttinger, koordinierte in der Daun-Kaserne mit den Soldaten des BRG die Vorbereitung. Die Frequentanten hatten im Zuge ihrer Ausbildung natürlich auch Englischunterricht, was von großem Vorteil war, da Sprachkenntnisse bei einer multinationalen Übung unentbehrlich sind.

Die vorhandenen Sprachkenntnisse wurden durch einen intensiven zweitägigen Kurs in "Military English" aufgebessert, da der multinationale militärische Dienstbetrieb in englischer Sprache eine Reihe von Fachbegriffen beinhaltet. Die lernfähigen Frequentanten waren rasch in der Lage die Teile sowie die Funktionsweise ihrer Waffen in fließendem Englisch zu erläutern. Der Rest der Vorbereitung umfasste:

  • Scharfschießen;
  • PSO-Ausbildung;
  • das Errichten und Betreiben von Checkpoints;
  • Fuß- und Fahrzeugpatrouillen.

Erste Eindrücke

Wochen später am Flughafen Tirana: Die Medien waren äußerst interessiert am Eintreffen der Maschine und einige Kamerateams belagerten bereits die Landepiste. Nachdem die Kontingente (zwei schweizerische Infanteriegruppen waren Gäste an Bord der C-130 "Hercules") das erste Mal auf albanischem Boden antraten, stellten sich beide den Fragen der Journalisten, die besonders an der Herkunft, am Informationsstatus und an den Erwartungen an die kommende Übung interessiert waren. Der Kontingentskommandant Major Lampl sowie der Presseoffizier Major Michael Mayerböck waren unmittelbar nach der Landung zur Truppe gestoßen; alles war vorbereitet. Nach der Kontaktaufnahme mit dem albanischen Verbindungsoffizier, einem frisch beförderten Oberleutnant, verlegte das österreichische Kontingent zusammen mit den Schweizern per Bus auf den Truppenübungsplatz Zall Herr am Rand von Tirana. Bereits während der Fahrt konnten sich die Soldaten ein Bild von der Umgebung machen. Das Bild der albanischen Landschaft prägen unzählige verfallende Bunker. 700 000 dieser Überbleibsel aus dem Kommunismus zieren heutzutage die Umgebung. Die ersten Blicke auf die Hauptstadt und die Umgebung hinterließen bei den Soldaten des Kontingentes zahlreiche Impressionen. Die Spannung betreffs der Unterkunft für die nächsten zwei Wochen stieg, da das architektonische Bild, das sich darbot, nicht den österreichischen Standards entsprach.

Beim Eintreffen in der Kaserne des Truppenübungsplatzes Zall Herr herrschte rege Betriebsamkeit. Viele der Übungsteilnehmer waren bereits im Laufe des Tages oder am Vortag eingetroffen. Soldaten verschiedenster Nationen bezogen ihre Unterkünfte, entluden Ausrüstung und bereiteten Stationen vor, die sie betreiben sollten. Vor Ort erwartete der Halbzugskommandant Stabswachtmeister Höttinger die Truppe und koordinierte das Beziehen der Unterkünfte und das Lagern des Gerätes im Magazin.

Die Kaserne war unter Verwendung von NATO-Geldern erst relativ kurz vor der Übung baulich erweitert worden. Noch einige Wochen vor der Übung war an den Gebäuden gebaut worden. Die geräumige Unterkunft, der noch anzusehen war, dass sie vor kurzem in aller Eile errichtet worden war, bot jedem Übungsteilnehmer ein Zweibettzimmer. Schnell ergaben sich Probleme mit schiefen oder baufälligen Türen, tropfenden Wasserhähnen und regelmäßigen Stromausfällen. Aber österreichische Soldaten sind nicht wählerisch, und schon am ersten Tag wurden zahlreiche Improvisationen durchgeführt - immerhin, wer hat im Einsatz schon Zweibettzimmer?

Der offizielle Auftakt der Übung war am 19. Oktober, an dem sich alle teilnehmenden Kontingente im Rahmen einer Eröffnungszeremonie versammelten. Die Übung wurde nach Ansprachen von Generalmajor Sheptim Spahiu von der Albanischen Armee und dem NATO-Brigadegeneral Claudio Vercellotti aus Italien (Übungsleiter) eröffnet. Die Bataillone wurden formiert und die Teilnehmer hatten das erste Mal die Gelegenheit, sich ein Bild über ihre Kameraden der nächsten zwei Wochen zu machen.

Die Österreicher waren Teil der Bravo Company (B-Kompanie, B-Coy), die von einem österreichischen Offizier, Hauptmann Dieter Frühwirth, kommandiert wurde. Die Bravo Company bildete zwei Züge: einer bestand aus den zwei Gruppen Österreichern und zwei Gruppen der Kanadischen Armee, der zweite wurde aus Ungarn und Ukrainern formiert. Der Kommandant des ersten Zuges, in dem die Soldaten des BRG dienten, war ein kanadischer Hauptmann, sein Stellvertreter der österreichische Halbzugskommandant.

Drei-Phasen-Ausbildung

Die "COOPERATIVE LANCER" 2007 war in drei Phasen gegliedert:

  • Einzelausbildung in der ersten Phase,
  • Ausbildung im Halbzugs- und Zugsrahmen in der zweiten Phase,
  • die Anwendung des Erlernten im Kompanierahmen in der dritten Phase sowie
  • eine halbtägige Abschlussübung.

Zwischen den Phasen I und III war der Challenge Day angesetzt, an dem verschiedene Wettkämpfe mit anschließender Siegerehrung ausgetragen wurden.

Der Cultural Day war der einzige freie Tag während der zwei Wochen andauernden Übung.

Ziele der Übung waren

  • das Angleichen der verschiedenen Nationen an die NATO-Standards, um deren Fähigkeiten zur Zusammenarbeit zu erhöhen, sowie
  • der Austausch von Erfahrungen zwischen den Soldaten der diversen Nationalitäten.

Phase I

Die erste Phase der Übung war der Einzelausbildung gewidmet. Diese Phase enthielt die Ausbildungsthemen

  • Fahrzeug- und Personenkontrolle,
  • Vorgehen in Gebäuden,
  • Bergen von Verletzten unter Beschuss sowie
  • Erste Hilfe mit besonderem Augenmerk auf UXOs (Unexploded Ordnances) und IEDs (Improvised Explosive Devices), weil diese eine omnipräsente Gefahr bei Auslandseinsätzen darstellen.

Auch das Scharfschießen mit den Waffen der anderen Nationen war Teil der ersten Ausbildungsphase. Alle Themen wurden in einem ganztägigen Stationsbetrieb umgesetzt, der sowohl in Lehrsälen als auch auf dem Kasernengelände stattfand.

Diese erste Phase war die Gelegenheit, die Zusammenarbeit mit den Kanadiern zu vertiefen. Nachdem das gegenseitige Interesse an der militärischen Ausrüstung der Kameraden gestillt war, fand man sich gut zurecht. Jeweils ein Halbzug, bestehend aus einer kanadischen und einer österreichischen Gruppe, absolvierte eine Station. Die Station Fahrzeug- und Personenkontrolle wurde vom österreichischen Hauptmann Christian Luipersbeck und zwei schweizerischen Unteroffizieren betrieben. Das Vorgehen der Kanadier und der Österreicher beim Durchsuchen von Kraftfahrzeugen und Personen deckte sich bei dieser Station weitestgehend. Ein türkischer Offizier vermittelte die Gefahren, die von IEDs ausgehen, und erklärte bewährte Vorgehensweisen, um die Gefahr von IEDs zu minimieren.

Multinationaler Stationsbetrieb (Großbritannien) - Bergen von Verletzten unter Beschuss: Das Bergen von Verletzten unter Beschuss war eine der aktionsreicheren Aufgaben, die die Gruppe im Rahmen der Übung "COOPERATIVE LANCER" 2007 erhielt. Die Gruppe bekam einen Einblick in die unterschiedliche Art der Kennzeichnung von Toten und Verletzten auf dem Gefechtsfeld. Die Verletzten wurden mit einem Gewehr, das mit der Mündung (oder dem Bajonett) in den Boden gesteckt worden war, markiert. Bei den Toten wurde die Kopfbedeckung zusätzlich am Kolben der Waffe angebracht. Im Anschluss erhielten wir den Auftrag, unter Anwendung des Erlernten Verletzte in einem simulierten Gefechtsfeld aus der Gefahrenzone zu bergen. Der Gruppenkommandant wies bei der Befehlsausgabe den einzelnen Schützen die verschiedenen Aufgaben zu, und als eingespieltes Team meisterten wir diese Aufgaben zur vollen Zufriedenheit des britischen Ausbilders. Dieser fand nur lobende Worte für die Leistung der Gruppe und ihres Kommandanten und sprach vom besten Durchgang, den er im Rahmen dieser Übung gesehen hat.

Multinationaler Stationsbetrieb (USA) - Häuserkampf: Beim Thema Häuserkampf wurde sehr viel Neues gelehrt, wobei die Motivation der meist kriegserfahrenen amerikanischen Ausbilder nicht zu übersehen war. Die High and Low-Technik der Amerikaner war dabei eine ganz neue Erkenntnis, um eine Ecke bestmöglich mit zugleich starker Feuerkraft aufzuklären. Dabei kniet der Vorderste ab (low) und der Zweite steht (high) hinter ihm; beide schauen gleichzeitig um die Hausecke.

Weiters hat uns ein US-Ranger, der gerade erst seine Ausbildung beendet hatte, einige Vorgehensweisen im Gebäude erklärt, mit uns geübt und unsere Fehler ausgebessert.

Ebenso wurde uns das Finden, Melden und Umgehen von Sprengfallen näher gebracht.

Zum Abschluss fand noch ein Durchgang - vom Aufklären bis zum Stürmen eines Angriffszieles mit albanischen Feinddarstellern - statt, den wir ebenfalls zur Zufriedenheit der Ausbilder bestanden haben.

Multinationales Scharfschießen: Ein Highlight der ersten Ausbildungsphase war ohne Zweifel das Scharfschießen mit den Fremdwaffen. Nach einem Stationsbetrieb, bei dem die Sturmgewehre und Maschinengewehre vorgestellt und ihre Handhabung erläutert wurden, wurde scharf geschossen. Verwendet wurden bei den Sturmgewehren (StG)

  • das StG 77 der Österreicher,
  • das SA80 der Engländer,
  • das StG 90 der Schweizer,
  • das C7 der Kanadier und
  • der AK-47 der albanischen Gastgeber.

Bei den Maschinengewehren (MG) standen zur Verfügung

  • das österreichische MG 74,
  • das FN Mag der Briten sowie
  • die Minimi LMGs der Kanadier und der Schweizer.

Sehr interessant und lehrreich war die Möglichkeit, ältere und meist sperrige Waffen, wie etwa die alte weltweit verbreitete Kalaschnikow (aufgerüstet mit hochmodernem optischem Visier), mit moderneren Waffen, wie dem kleinen britischen SA80 oder dem schweizerischen Minimi (MG) zu vergleichen. Speziell der britische Ausbilder am MG wird uns ewig in Erinnerung bleiben, dem es nach minutenlangem "Kampf" doch noch gelang, das MG dazu zu bewegen, zwei aufeinander folgende Feuerstöße ohne Hemmung abzugeben.

Freundschaftliche Diskussionen mit den kanadischen Kameraden, speziell über die Qualität der Waffen, rundeten einen sehr lehrreichen Nachmittag ab.

Phase II

Die zweite Phase, der das Training auf Zugsebene zugrunde lag, beinhaltete das Betreiben von Observation Points (OPs), Temporary Checkpoints (TCPs), das Durchführen von Patrouillen sowie das Begleiten und Schützen eines Konvois.

Die Ausbildungsthemen TCP und OP waren großteils Wiederholungen, denn die standardisierten Abläufe der NATO waren nahezu identisch mit den österreichischen. Die Verwendung der englischen Sprache war in dieser Phase von besonderer Bedeutung, denn die Koordination des Zuges erforderte auch ein Mehr an Kommunikation. Die Beherrschung der NATO-Voice Procedure beim Funkverkehr war obligat. In dieser Phase waren viele Roleplayer (Feinddarsteller) - übrigens koordiniert vom österreichischen Major Ernst Ortner - eingesetzt.

Sportliche Herausforderung: An einem der letzten Tage im Camp in Zall Herr konnten sich die Österreicher mit den anderen Nationen im sportlichen Leistungsvermögen messen. Am frühen Vormittag musste der Zug eine kurze Laufstrecke - etwa drei Kilometer - im neuen Kampfanzug 03 absolvieren. Die Kanadier des Zuges begannen gleich mit extremen Aufwärm- und Dehnübungen. Beim Lauf selbst konnten sie nicht mit den Österreichern mithalten. Danach ging es zur Handgranatenanlage, wo drei Granaten punktgenau das Ziel finden mussten. Die Leistung der Österreicher war dabei eher durchschnittlich. Beim neuerlichen Scharfschießen konnten die Soldaten ihr ganzes Können unter Beweis stellen. Geschossen wurde mit den Waffen der anderen teilnehmenden Nationen. Dieses Mal waren die Österreicher sehr treffsicher und mussten sich nur dem schweizerischen Kontingent geschlagen geben. Im Großen und Ganzen war das keine schlechte Leistung der österreichischen Soldaten. Die Kanadier konnten - wie gesagt - mit der körperlichen Fitness der Österreicher nicht mithalten. Am Nachmittag wurde vom ungarischen Kontingent ein multinationales Fußballturnier veranstaltet. Österreich besiegte die Schweizer mit 4 : 0, erreichte ein 1 : 1 (3 : 2 im Penalty-Schießen) gegen Armenien und drang durch ein 1: 0 gegen die Ungarn in das Finale vor. Dort unterlagen wir aber nach aufopferndem Kampf dem Gastgeberland Albanien.

Cultural Day: Nach den Herausforderungen der ersten beiden Übungsphasen und des Challenge Days hatten sich die Soldaten einen Tag Ruhe redlich verdient. Der Cultural Day am 26. Oktober deckte sich mit dem österreichischen Nationalfeiertag, und deshalb wurde die österreichische Fahne vor dem Kommandogebäude der Kaserne gehisst. Der Kontingentskommandant hielt unter Beisein von Sergeant Major Clark und Generalmajor Sheptim Spahiu die Festansprache. Im Anschluss genossen die Männer einen erholsamen Tag und die kulinarischen Köstlichkeiten der albanischen Küche. Eine Tagestour, weit über die Grenzen Tiranas hinaus bis ans Meer, und ein anschließendes Abendessen in Tirana rundeten den Nationalfeiertag würdig ab.

Phase III

Die dritte Phase begann mit dem ganztägigen Üben des Erlernten im Kompanierahmen, eine halbtägige Abschlussübung war der Höhepunkt und das Ende der Übung.


Autorenteam: Schüler des 50. Lehrzuges am Bundesrealgymnasium für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie.


Aus der Praxis - Tagebücher der Soldaten der "COOPERATIVE LANCER" 2007

Errichten eines TCP mit Hindernissen (von Korporal Exenberger).

"In der Phase III der Ausbildung war der Auftrag unseres Halbzuges, bestehend aus einer kanadischen und einer österreichischen Gruppe, einen TCP am Übungsgelände zu errichten und zu betreiben. Am Zielpunkt angekommen, wurde ich von meinem Gruppenkommandanten, Wachtmeister Andreas Peitler, als Verkehrsregler eingeteilt. Ich wurde beauftragt, an dieser Übung teilnehmende Fahrzeuge zu melden, anzuhalten und zu kontrollieren.

Für die Durchführung bekam ich zwei kleine "Panzerigel" und ein ausziehbares Nagelbrett. Keine besondere Herausforderung, dachte ich, hatten wir doch zuvor in Österreich dieses Thema des Öfteren theoretisch und praktisch behandelt. Von den Schweizern hatten wir gelernt, wie man ein Fahrzeug anhält und die Identität der Insassen feststellt.

Als ich meine Position bezogen hatte, sah ich, dass auch der Platz des TCP ordentlich erkundet worden war. Wir hatten auf einem Hügel Stellung bezogen und hatten den Vorteil, herannahende Fahrzeuge und Personen auf der Straße schon aus geraumer Entfernung erkennen zu können. Wir selbst waren aber durch den üppigen Bodenbewuchs verdeckt.

Ich sperrte also die Straße für alle Fahrzeuge ab, bis meine Kameraden ihren Auftrag hatten und bereit waren. In diesem Zeitraum kam ein alter Bus, der nicht an der Übung teilnahm, die Straße entlang gefahren. Ich hielt die alte, rostige Karre an, und bat den Fahrer und seine Insassen um Geduld und Verständnis. Da sah ich, dass alle Insassen Gewehre bzw. Schrotflinten in den Händen hielten. Da niemand im Bus Englisch oder Deutsch verstand, fingen sie an, wild zu gestikulieren; sie hatten es wohl eilig.

Da ging die Tür auf und ich blickte in einen Gewehrlauf, ein sehr unangenehmes Gefühl.

Wider Erwarten stieß der Mann keinen unverständlichen Fluch aus, sondern zeigte mir mit seiner Flinte die Hasen, die er erlegt hatte. Ab diesem Moment war ich sehr erleichtert. Der TCP war mittlerweile errichtet worden, und ich konnte die Jäger passieren lassen.

Das nächste Fahrzeug war ebenfalls ein ziviles. Als ich das Fahrzeug vorbeiwinkte sah ich, dass ein Kind - nicht älter als zehn Jahre - das Fahrzeug steuerte. Ich traute meinen Augen kaum und warnte meine Kameraden vor dem allzu jungen Fahrer.

Nach diesen Aufregungen konnte das Training endlich beginnen. Da trieb plötzlich ein Hirte seine Schafe vom Feld auf die Straße. Er verstand kein Wort Englisch, geschweige denn Deutsch, und ich verstand es nicht, seine Schafherde aufzuhalten.

Übung und Theorie eines militärischen Ausbildungsthemas sind für den Soldaten wichtig, um Grundsätze im Verhalten und Auftreten zu erlangen. Die Praxis jedoch sieht mitunter anders aus"!

Aus der Sicht des Gruppenkommandanten (von Wachtmeister Peitler).

"Dienstag, 30. Oktober: Die Abschlussübung beginnt. Nach Frühstück, Körperpflege und Aufmagazinieren traten wir vor unserer Unterkunft an. Das Wetter war an diesem Morgen im Gegensatz zu manch anderen Tagen durchaus freundlich. Nach der Standeskontrolle hatten wir (die vier Gruppenkommandanten) Befehlsausgabe bei unserem kanadischen Zugskommandanten Hauptmann Estrela. Die Befehlsausgabe wurde wie immer in Englisch abgehalten. Die Aufträge lauteten wie folgt:

  • 1. und 2. Gruppe: QRF (Quick Reaction Force);
  • 3. und 4. Gruppe: Gelände abriegeln.

Das Hauptszenario der Abschlussübung waren Hausdurchsuchungen in einer Ortschaft. Ich informierte meine Kameraden über den Ablauf der Übung und über etwaige zusätzliche Aufträge an uns. Die Motivation meiner Leute war wie immer sehr hoch, aber auch unsere kanadischen Kollegen standen uns in dieser Sache um nichts nach. Die Fahrzeuge fuhren vor, und wir verlegten in Kolonne zu unserem Verfügungsraum, um zu warten. Bei uns waren Hauptmann Estrela und der ungarische stellvertretende Kompaniekommandant, Leutnant Haaz. Es dauerte nicht lange, bis der zweite Halbzug in ein Feuergefecht verwickelt wurde und er gleich drei Feinddarsteller stellen konnte.

Um die Integration zu verstärken, bestand ein Halbzug aus je einer österreichischen und einer kanadischen Gruppe. Nach Verbindungsproblemen mit den Funkgeräten entschloss sich unser Kommandant, den Verfügungsraum zu verlassen und zu unserem Kompaniekommandanten vorzustoßen.

Zeitweise war es schwer für mich, Lageinformationen an meine Gruppe weiterzugeben, da ich selbst nur sehr wenige Lageinformationen bekam. Nach einem Marsch von etwa zehn Minuten kamen wir bei unserem Kompaniekommandanten, Hauptmann Frühwirth, an. Ich setzte die Rundumsicherung ein und erkundigte mich bei meinem Kommandanten über die Lage. Dabei erfuhr ich, dass sich einer meiner Schulkameraden beim Hantieren mit einem AK-47 verletzt hatte - leider war das keine Übungseinlage. Ich dachte nur: ‚Muss das sein? Am letzten Tag noch einen Verletzten?‘ Korporal Lindenberg wurde mit einem Sanitätskraftwagen der albanischen Armee in die Kaserne zurückgebracht und erstversorgt. Nach etwa einer halben Stunde kam dann der Befehl ‚ENDEX‘, also ‚End of Exercise‘. Für unseren Halbzug endete diese Übung relativ unspektakulär. Wenn es im Einsatz nur auch so glimpflich ablaufen würde.

Für mich war die gesamte Übung mit ihren Höhen und Tiefen auf jeden Fall eine weitere positive Erfahrung. Und mir wurde vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass bei internationalen Einsätzen oder Übungen Einheitlichkeit herrscht - und zwar in Bezug auf die Sprache, die Ausrüstung und die Einsatztechniken".

Schussverletzung am linken Oberschenkel (von Korporal Lindenberg).

"Als am vorletzten Tag unseres Albanienaufenthaltes die finale Übung stattfand, hatte ich die Aufgabe, als Melder die Verbindung zwischen meinem Gruppenkommandanten und meinem Halbzugskommandanten sicherzustellen. Einige Male musste ich einen steilen Hohlweg auf und ab laufen. Überall waren heiße Feuergefechte im Gang, und es war offensichtlich, dass einige Feinddarsteller ganz in der Nähe waren.

Als ich die letzte Meldung überbrachte, passierte das Unglück: Nach einem kurzen Feuergefecht nahmen wir (der Halbzugskommandant, ein kanadischer Gruppenkommandant und ich) drei Zivilisten fest, zwei davon waren mit AK-47 bewaffnet. Nach dem Abtransport der Gefangenen übergab mir der Kanadier die zwei Waffen. Ohne wirklich hinzusehen, ergriff ich sie und nach einem lauten Knall knickte mein linker Fuß kraftlos ein. Ein Schuss - aus einer der mit Knallmunition geladenen AKs - hatte sich gelöst. Die rasche und einwandfreie Erstversorgung durch den Halbzugskommandanten ermöglichte mir - mit Hilfe eines Kameraden - den Abstieg zum etwa 700 Meter entfernten albanischen Sanitätskraftwagen.

Im Lazarett angekommen, erhielt ich eine schmerzhafte Behandlung durch einen albanischen Militärarzt, der nicht lange fackelte und sofort begann, mit einer Schere die Hautfetzen wegzuschneiden. Zu meinem Glück wurde er bald durch den österreichischen Majorarzt Dr. Andreas Kaltenbacher abgelöst. Für seine erstklassige und schmerzfreie Behandlung bin ich ihm nach wie vor sehr dankbar.

Am nächsten Tag flog ich mit meinen Kameraden nach Österreich zurück und begab mich sofort ins Krankenhaus Wiener Neustadt. Dort bekam ich einen Gips, den ich fünf Tage tragen musste, um den verletzten Fuß ruhig zu stellen. Heute (am 18. Dezember 2007), ist es mir erstmals wieder möglich, Sport zu betreiben. Die Wunde ist aber immer noch nicht ganz verheilt.

Sicher ist, dass ohne die hervorragende Behandlung des österreichischen Militärarztes weit schlimmere Folgen möglich gewesen wären.

Zwar sollte man sich bei der Übergabe der Waffen stets an die fünf Gebote des Hantierens mit Schusswaffen halten, doch in diesem Fall hätte das vermutlich meine Erblindung, oder wenigstens schwere Verletzungen im Kopfbereich bedeutet".

Internationale Verständigung.

Da der Normdienst meist um 2000 Uhr endete, ergab sich für die Soldaten des Kontingentes oft die Möglichkeit, Kontakte mit den anderen Nationen - vor allem mit den schon gut bekannten Kanadiern - zu pflegen. Am Abend unterlagen die Männer zwar striktem Alkoholverbot, aber es war ohnedies kein Problem, Stimmung zu schaffen.

Wachtmeister Pichler organisierte an den Abenden oft einen Overheadprojektor und stellte seinen Laptop zur Verfügung, um gesellige Filmabende abzuhalten, was allgemein gut ankam. So waren regelmäßig Soldaten zahlreicher Nationen gemeinsam in dem "improvisierten" Kino versammelt. Besonders bei diesen Abenden zeigte sich, wie gut die Englischkenntnisse der Österreicher waren, die einen regen verbalen Austausch pflegten.

Es entwickelten sich Freundschaften, die durch das Austauschen von E-Mail-Adressen auch das Übungsende überdauern sollten. Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle der amerikanische Sergeant Major Clark, der "Vater des Bataillons", der die Korporäle und Wachtmeister besonders ins Herz geschlossen hatte.

Rückreise nach Österreich (von Korporal Edlinger).

"Die Tagwache war wie gewohnt um 0600 Uhr, jedoch war das Aufstehen eine Qual, da die Abschlussfeier noch tief in unseren Knochen steckte. Das letzte Mal mit kaltem Wasser geduscht, das letzte Mal ohne Licht gewaschen und das letzte Mal Würstchen mit Ei gefrühstückt - es war der letzte Tag in Albanien. Während der kurzen Fahrt zum Flughafen warfen wir noch einen Blick auf die uns so fremde Landschaft. Am Flugplatz versuchten wir unsere Lek, die albanische Währung, in Getränke und Süßigkeiten umzutauschen. Essbares musste vorsichtig verzehrt werden, da viele von uns wegen des albanischen Essens Probleme mit der Verdauung hatten.

Nachdem die österreichische Maschine gelandet war, luden wir unser Gepäck auf und waren startklar. Als die Maschine abhob jubelten wir kurz, schlugen unsere Bücher auf. Manche schliefen auf der Stelle ein, andere ernährten sich während des Fluges von Kohletabletten, die unsere Sanitäter vor dem Flug ausgeteilt hatten. In der Schweiz wurden wir mit Alphornklängen und Schweizer Heeresschokolade, die wir in Albanien lieben gelernt hatten, begrüßt. Wir verabschiedeten uns von unseren neu gewonnenen Freunden und traten den Heimflug an. Am Heimatflughafen verloren wir nicht viel Zeit und verlegten zum letzten Mal an diesem Tag. Die Kohletabletten wurden zwar brüderlich geteilt, waren aber trotzdem ausgegangen. Aus diesem Grund saßen wir wie auf Nägeln und konnten die Landung nicht erwarten. Endlich kamen wir an. Ein schönes Gefühl wieder zu Hause zu sein!"

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