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Dschungelkampf in französisch Guyana

Auf Einladung der französischen Streitkräfte verlegten zwei Jagdkommandosoldaten Anfang Mai 2006 zu einem siebenwöchigen militärischen Kurs nach Französisch Guyana. Es sollte sich dabei um eine internationale Ausbildung von Zugskommandanten und Ausbildern für den Kampf im Regenwald handeln. In der Ausschreibung hieß es: Nicht physische Beanspruchung sei das Schwergewicht, sondern die Pädagogik stünde im Vordergrund. Doch was heißt schon Pädagogik im Dschungelkampf?

Während des achtstündigen Fluges nach Französisch Guyana erzählte ein Einheimischer stundenlang von der grauenhaften Fauna des Dschungels. Die Kursteilnehmer wurden in Cayenne am Flughafen abgeholt und zum 3. Infanterieregiment der Fremdenlegion in die Raketenstadt Kourou (Standort der Europäischen Weltraumbehörde) gebracht. Gewohnt wurde im Gästehaus, dem ehemaligen Regimentsbordell. Dänen, ein Finne, Tschechen, die südamerikanischen Kameraden aus Ecuador, Nicaragua, Belize, Surinam, Kolumbien, Guyana und zwei Legionäre vom Regiment fanden sich zur Begrüßungsrunde ein.

Am nächsten Tag standen Untersuchungen und physische Testungen auf dem Programm. Danach erhielten wir die Ausrüstung und die nächsten Tage ging es ab zur Urwaldausbildung - die eingangs erwähnte grauenhafte Fauna des Dschungels wartete auf uns. Der Ausbildungsleiter war ein Legionsunteroffizier; er kümmerte sich darum, dass es uns an nichts fehlte, dass uns niemals langweilig wurde und dass wir immer gut aufgewärmt zu den sportlichen Überprüfungen antraten. Letztere sind weit mehr als eine Formsache und prompt fielen einige unserer südamerikanischen Kameraden durch: Nachschulungen angesagt! "Die kriegen wir schon noch hin, das könnt Ihr mir glauben", motivierte der Ausbilder.

Französich Guyana

Französisch Guyana ist ein Übersee-Département Frankreichs, also französisches Staatsgebiet, und zu 98 Prozent von tropischem Regenwald bedeckt. In der Hauptstadt Cayenne ist das 9. Marineinfanterieregiment (9e RIMa) und in der Raketenstadt Kourou ist das 3. Infanterieregiment der Fremdenlegion (3e REI) stationiert.

CEFE/3e REI

Das CEFE (Centre d’entraînement en forêt équatoriale) ist das Ausbildungszentrum im Regenwald des 3. Infanterieregimentes der Fremdenlegion (3e REI).

Das 3e REI ist ein Infanteriebataillon mit Stabskompanie, Aufklärungs- und Kampfunterstützungskompanie und drei Infanteriekompanien, von welchen eine als so genannte compagnie permanente fungiert, die anderen aber compagnies tournantes sind. Das Personal einer compagnie permanente rotiert alle zwei Jahre (Individualrotationen; nur Personal der Legion). Das Personal der compagnies tournantes jedoch rotiert im Rhythmus von vier Monaten (Personal wird von Regimentern aller möglichen Waffengattungen des Heeres gestellt).

Das CEFE befindet sich an den Ufern des Stromes Approuage in der Nähe von Régina, etwa vier Autostunden südlich von Kourou.

Das CEFE ist in der Struktur gleich der Stabskompanie des 3e REI und wird von einem Hauptmann geführt. Der Posten entspricht in seiner Wertigkeit einem stellvertretenden Kompaniekommandanten. Ihm unterstellt sind ein Oberleutnant als Stellvertreter, ein Führungs- und Versorgungselement mit Funktrupp, die Küche und ein Sanitätstrupp mit Arzt, vier instructeurs (Ausbilder) im Range eines adjudant oder adjudant-chef (Offizierstellvertreters oder Vizeleutnants) und zehn aide-moniteurs en forêt (AMF - Hilfsausbilder) im Range eines caporal-chef (Zugsführers).

Das CEFE führt neben der internationalen Ausbildung auch das aguerrissement für das gesamte in Französisch Guyana befindliche Militärpersonal durch. Das aguerrissement (entspricht etwa unserem Begriff der Abhärtung) ist eine zweiwöchige Ausbildung mit dem Ziel, die französischen Truppen an die örtlichen klimatischen und topografischen Umfeldbedingungen zu gewöhnen.

Basistraining

Gleich am Ende der ersten Woche verlegte unser Kurs nach Régina, einen kleinen Ort mitten im Regenwald. Das Dschungelausbildungszentrum, kurz CEFE genannt (siehe Info-Box auf der nächsten Doppelseite), war unsere vorübergehende Heimat. In den ersten eineinhalb Tagen lernten wir sämtliche Handfeuerwaffen kennen und erfuhren, von welcher Art Pädagogik da in der Ausschreibung die Rede war: von der pédagogie de la légion nämlich. Dabei läuft man erst einmal nächtens im Kreis, macht Liegestütze oder "lungert" in der Liegestützausgangsstellung herum; Warteposition heißt das dann. Montagmorgens ging es ab in den Wald: Immer im Laufschritt, immer mit Rucksack, Ausrüstung und Waffe - alles dabei. Die Themen: Kampfbahn, Schießen, Orientierungsmarsch, wieder Kampfbahn (eine andere), Pflanzenkunde, wieder Kampfbahn (Gruppenkampfbahn), Selbst- und Kameradenhilfe (Tragen eines Verwundeten), Überwinden von Gewässern.

Der Dschungel erwies sich als sehr schwieriges Infanteriegelände, wenn man das überhaupt so nennen kann. Die Orientierungsmärsche - mit der Bussole arbeiten und Schritte zählen - waren anstrengender als gedacht. Durch Orientierungsfehler wurden aus drei Stunden leicht bis zu zehn Stunden, und das für eine Strecke, für die zu Hause gerade einmal 45 Minuten veranschlagt gewesen wären.

Um 0430 Uhr war stets Tagwache, ein paar Kekse mit entkeimtem Wasser aus dem Fluss als Frühstück, Abbauen der Hängematte und der Regenplane, Packen der Rucksäcke und rasch hinaus aus der Biwakzone, hinunter zum Antreteplatz. Um 0615 Uhr kam die Piroge (das Boot) mit den Ausbildern. Meldung, Flaggenparade, Rasurkontrolle, Waffenvisite: "Ihr seht ja aus wie die Landstreicher! Alles ab in den Fluss bis zum Scheitel!" Und dann: Liegestütze bis zum Umfallen. 0700 Uhr: Jetzt erst begann der neue Ausbildungstag: Kampfbahn, Orientierungsmarsch etc.

Um 1830 Uhr war Schluss. Das Reinigen der verdreckten Kampfanzüge und das Waschen des mit Ausschlägen übersäten Körpers im Fluss hatten Priorität. Danach wurden die Hängematte und die Plane wieder aufgebaut, bevor die Essensration verschlungen werden konnte und wir in einen tiefen Schlaf fielen. Nur das Prasseln des Regens oder ein explosionsartiger Knall eines fallenden Baumriesen weckte einen mitten in der Nacht auf.

Die erste Dschungelwoche endete mit einem zehnstündigen Orientierungsmarsch. Am nächsten Tag durchliefen wir noch einmal alle vorhandenen Kampfbahnen; "Ausleeren" nannte man das hier; es war bereits Sonntag.

Überlebenstraining

Noch am gleichen Tag begann die Überlebensausbildung. Der Ausbildungsleiter setzte den Zug irgendwo am Ufer eines großen Flusses aus: "Ihr müsst Euch drei Hütten bauen, eine überdachte Feuerstelle, einen Hochstand, drei Fallen, drei Reusen und drei Flöße. (Eine Reuse ist eine seit dem Mesolithikum, der Mittelsteinzeit; bekannte Vorrichtung, die überwiegend für den Fischfang genutzt wird. So genannte Molchreusen werden heute zum Nachweis von Amphibien genutzt. Reusen sind meistens tonnen- oder kegelförmig und bestehen aus einem Korb-, Netz- oder Drahtgeflecht - heutzutage oft auch aus Kunststoff - mit einem trichterförmigen Eingang, durch den die einmal hineingelangten Wassertiere nicht wieder zurückfinden.) Esst was ihr findet, findet Ihr nichts, esst ihr nichts. Bis bald!" Wir begannen sofort zu bauen. Das Holz ist hart und die Bäume waren schwer zu fällen - das machte uns schwach und müde. Zwei Kursteilnehmer gingen zur Jagd, um zwei Stunden später mit einem erlegten Wildschwein wiederzukehren. Jubel!

Ein Paca (großes Nagetier), zwei Landschildkröten und einige Fische ergänzen das Mahl; Früchte fanden wir nur wenige. Für 24 Mann und veranschlagte vier Tage war das nicht viel. Am Mittwochnachmittag - die meisten waren gerade mit dem Floßbau beschäftigt - gellte ein Freudenschrei durch den Busch: "Wir haben eine Anakonda erlegt!" Abermals Jubel! Sofort wurde das viereinhalb Meter lange und etwa 70 Kilogramm schwere Tier gehäutet und über dem offenen Feuer gegrillt.

Mit der Schlange im Bauch ging es am Donnerstag ab auf den Fluss. Nach vierstündiger Floßfahrt landeten wir an befohlener Stelle am jenseitigen Ufer an. Wir zerstörten die Flöße gemäß Auftrag und marschierten weiter, um uns erneut eine Behelfsunterkunft zu bauen. Im guten Glauben, die Übung sei zu Ende und das Essen nicht fern, waren alle Kursteilnehmer guter Dinge. Wieder einer der vielen Irrtümer dieser Ausbildung - übernachtet wurde wieder in der Lianenhängematte unter einem Palmenblätterdach - und es regnete wie immer.

Freitagmorgen begann dann endlich die Überprüfung des Ausbildungserfolges: Kampfbahn bis zum Erbrechen, Verwundetenbergung, Überwinden von Gewässern etc.

Freitagmittag durften wir essen: 20 Minuten Zeit; ein paar Kekse und eine Dose, mehr war nicht drin. Danach wurde wieder marschiert. "Hört denn das niemals auf?" Freitagnachmittag kamen wir endlich ins Lager. Entzündete Füße und Hände - Wunden heilen bei diesem feuchten Klima nur sehr langsam. Einziger Wunsch: Essen und Schlafen!

Das Gefecht im Dschungel

In der vierten Woche übernahm ein spanischer Legionsunteroffizier namens Lopez, der schon acht Jahre im Dschungel gedient hatte, das Kommando über unseren Zug. Er lehrte in den nächsten Wochen das Gefecht im Dschungel. Der Umgangston änderte sich: Anbrüllen und Liegestützpumpen hörten langsam auf, und die Hängematten durften auch tagsüber hängen bleiben. Ohne Rückengepäck startete die Gefechtsausbildung. Trotzdem blieb es anstrengend: Kampfbahn bleibt Kampfbahn und Marschieren bleibt Marschieren. Alle waren schon ziemlich abgemagert und jeder hoffte, dass er nicht so aussehen würde, wie das nebenstehende Gerippe am Waschplatz, das sich als Kamerad zu erkennen gab.

Lopez, ein Sarkast wie er im Buche steht, entschuldigte sich, dass er den Stress des Feinddrucks durch körperliche Strapazen simulieren muss. Die Kursteilnehmer waren es mittlerweile gewohnt, machten sich nichts daraus und sangen bis zum Hals im Dreck unter einem Stacheldraht liegend Yellow Submarine von den Beatles. Die Hilfsausbilder schäumten vor Wut, doch Lopez sagte: "Lasst sie doch singen! Das gibt mir Energie und diese Energie werde ich nachher wieder an sie weitergeben." Wir trugen einander dann abwechselnd einen steilen Abhang hinauf. "So, jetzt dürft Ihr weiter singen!", meinten die erbosten Hilfsausbilder. Wir stimmten sofort wieder an und Lopez lachte.

Einzelverhalten und Gefechtsdienst in der Gruppe standen vorerst auf dem Programm. Spuren lesen, Spuren tarnen, Aufklären, Schießen, Handstreiche - und immer wieder Pflanzenkunde; es war erstaunlich: Im Dschungel scheint gegen jede Krankheit ein Kraut gewachsen zu sein.

Jede Woche wurde nun mit einer Abschlussübung inklusive Feinddarstellung beendet. Die Feinddarsteller waren Legionäre, die sich als ausgezeichnete Kämpfer erwiesen. Meistens waren es Männer aus Osteuropa; oft arme Teufel, die das letzte Hemd für einen Kameraden geben. Bei allen Klischees, die es über die Legion gibt: Die für die Kursteilnehmer auffälligsten Merkmale der Legionäre waren Disziplin und Kameradschaft.

Bei den Abschlussübungen wurden die Themen der Woche praktisch angewendet und die Ausbildung endete letztlich stets mit einem gemeinsamen Lauf entlang einer asphaltierten Straße. Zehn bis vierzehn Kilometer waren veranschlagt, es sei denn, man erwischte nach etwa zwei Kilometern den Lastkraftwagen, der am Straßenrand auf die Schnellsten wartete.

Die letzten drei Wochen vergingen in ähnlicher Manier. Zu absolvieren waren noch zwei Wochen Gefechtsdienst im Zugsrahmen mit den Ausbildungsthemen: - Überfall; - Hinterhalt; - Verhalten im Hinterhalt; - Kontaktdrill; - Lager und Verstecke; - Gefecht am Fluss.

Abschlussübung

Wir marschierten wieder durch den Busch, manchmal bergauf, manchmal bergab, oft stundenlang bis zur Brust im Wasser. Nie enden wollendes Schwimmen war ebenfalls angesagt. Mittlerweile hatten wir wenigstens gelernt, mit den ungenauen Karten umzugehen, uns an Höhenschichtlinien und Bäche zu halten und die Bussolenzahl nur noch als Referenz zu gebrauchen. Das Global Positioning System (GPS) erwies sich als nahezu unbrauchbar; die Verbindung zum Satelliten konnte nur selten hergestellt werden.

Bei der Abschlussübung fanden wir im Wald eine aufgelassene Ananasplantage. Wir aßen das frische Obst, bis unsere Lippen und Rachen schmerzhaft von der Fruchtsäure brannten.

Scharfer Schuss im Dschungel

Am letzten Morgen der Abschlussübung führten wir einen Überfall im scharfen Schuss durch. Im Stoßelement kamen französische Gewehrgranaten zum Einsatz. Als Draufgabe rannte der Kurs geschlossen noch ca. 20 Kilometer nach Kourou, wo ein Frühstück in der Kaserne wartete.

Auszeichnung und Abfeiern

Nach sieben Wochen harter Arbeit, unendlich scheinenden Entbehrungen und verbissenen Kämpfen gegen den inneren Schweinehund wurde den Teilnehmern das Abzeichen verliehen. Jedoch nicht allen; dreien wurde das CEFE-Abzeichen vorenthalten - nicht bestanden. Sie können aber wieder kommen. Beide Österreicher haben bestanden.

Im Kasino wurde eine kleine Feier abgehalten. Es gab ein hervorragendes Buffet, die Kursteilnehmer aßen wie die Firmlinge. Ein Planter’s Punch wurde für Fruchtsaft gehalten - zuviel Kultur nach sieben Wochen ohne Fließwasser.

Lessons Learned

Der Kurs war für uns Soldaten eine lehrreiche Erfahrung im Hinblick auf Ausdauer, Gefechtstechniken und Überlebens-Tools. Das CEFE ist eine beeindruckende Institution mit einer überwältigenden Infrastruktur und vor allem ist es die einzige derartige Einrichtung auf rechtlich europäischem Boden inmitten Südamerikas.

Wichtige Erfahrungen

- Orientieren im Dschungel ist äußerst schwierig, Verirren meist tödlich.

- Keinen Schritt ohne Ausrüstung (mindestens Bussole, Signalpfeife und Machete).

- Nachts ist taktische Bewegung unmöglich.

- Die Kampfentfernungen im Dschungel sind gering.

- Das GPS funktioniert selten, das Orientieren unter Zuhilfenahme natürlicher Hilfsmittel (z. B. der Himmelssicht) ist unabdingbar.

- Hygiene und insbesondere Fußpflege sind überlebenswichtig.

- Das Vorhandensein von funktionierenden Verbindungsmitteln kann ebenso über Leben und Tod entscheiden; eine Reservenbildung von Fernmeldegeräten ist entscheidend.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Major Georg Dialer, Jahrgang 1969. Absolvent des Bundesrealgymnasiums für Berufstätige an der Theresianischen Militärakademie. Nach der Offiziersausbildung 1998 Ausmusterung zum Zentrum Jagdkampf; Verwendung bei den Kampfschwimmern als Lehroffizier, danach S 3 des Jagdkommandos.

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