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Weltgeschehen: Pakistan im Bann der Islamisten

Die pakistanischen Islamisten fordern den Präsidenten, General Pervez Musharraf, und seine Regierung offen heraus. Eine monatelange offene Provokation durch fundamentalistische islamische Agitationen in der "Roten Moschee" und fast täglich Selbstmordanschläge in vielen Landesteilen sind ein deutliches Zeichen. Die Islamisten wollen eine Revolution und einen "Islamischen Gottesstaat" mit der islamischen Rechtsordnung, der Scharia, errichten. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Islamisten ist, kommt es vor allem in den paschtunischen Stammesgebieten (Waziri-Stämme) immer wieder zu Massendemonstrationen und Selbstmordanschlägen. Und in den etwa 20 000 Koranschulen des Landes, aus denen jedes Jahr hunderttausende Absolventen hervorgehen, wird islamischer Fundamentalismus unterrichtet und zur Gewalt aufgerufen.

Die Stammesgebiete

In einigen Gebieten Westpakistans mit stark ausgeprägten Feudalstrukturen und clanähnlichen Stammesstrukturen ist das staatliche Gewaltmonopol eingeschränkt. Besonders in der von Großgrundbesitzern, paschtunischen Stammesführern und Taliban-Verbänden kontrollierten Grenzregion Waziristan, in den "Stammesgebieten unter Bundesverwaltung", übt Islamabad praktisch keinerlei Hoheitsrechte mehr aus. Seit 2004 kämpfen dort die pakistanischen Regierungstruppen gegen Taliban-Verbände, um die Regierungsgewalt in diesem Landesteil wieder zu erlangen.

Auch in einigen ländlichen Teilen Belutschistans und der Nordwestprovinz kann sich der Staat nur schwer gegen den Einfluss von Stammesführern und reichen Landbesitzern durchsetzen. Journalisten, die im Paschtunengürtel recherchiert haben, berichten von "Taliban-Staaten" mit bis zu 40 000 Anhängern, die in dem unzugänglichen Grenzgebiet entstanden seien. Die islamistischen Parteien, die in der Nordwestprovinz sogar die Regierung stellen, verfügen über Kräfte im ganzen Land.

Die Zentralregierung hat den Stämmen das Gebiet "überlassen", nachdem diese garantiert hatten, die Taliban-Al Qaida-Truppen unter Kontrolle zu halten. Das allerdings ist nicht geschehen - ja, es ist sogar zu Kämpfen zwischen Stammeskriegern und Taliban gekommen, weil letztere die Stämme herausforderten. Für die Taliban-Islamisten ist dieses Gebiet ein "sicherer Hafen". Von hier aus wechseln sie über die Grenze nach Afghanistan, greifen an und ziehen sich - ohne Gefahr, verfolgt zu werden - wieder zurück. Die Terrororganisation Al Qaida betreibt hier Ausbildungslager, und ihre Mitglieder - einschließlich Osama Bin Laden, den man in der Provinz vermutet - haben hier ihren Lebensraum. Im September 2006 erreichte die Regierung eine Friedensvereinbarung mit einigen Stammesführern, um Angriffe auf Regierungseinrichtungen im Austausch gegen Sicherheitsgarantien zu verhindern. Doch weil diese Vereinbarung nicht eingehalten wurde, musste die Armee wieder eingreifen. Daraufhin kündigten die Stämme Mitte Juli den Vertrag.

Die Gebiete von Waziristan und das südwestlich davon gelegene Belutschistan gelten als die größte Herausforderung für die Regierung. Waziristan ist eine Bergregion, deren Stammesbevölkerung - etwa 700 000 Menschen - mit den Taliban sympathisiert und Präsident Musharraf feindlich gegenübersteht, weil er die US-Streitkräfte in Afghanistan toleriert. Somit ist der Kampf gegen die Taliban für die Zentralregierung meist auch ein Kampf gegen die Paschtunen.

Gegen die Zentralregierung und westliche Ziele ist bereits seit vergangenem Oktober eine Welle von Selbstmordanschlägen im gesamten Land im Gang, nachdem die USA einen Luftangriff auf eine Koranschule (Madrasse) im nördlichen Teil der Stammesgebiete durchgeführt hatten. Auch wurden vor kurzem erstmalig islamistische Selbstmordanschläge gegen pakistanische Armeeangehörige verübt. Das ist eine neue Wendung, denn bisher gab es nur vereinzelt Sprengstoffangriffe und einige Anschläge gegen den Präsidenten. Das alles hat nun auch innenpolitisch den Ruf nach einer härteren Vorgangsweise gegen die Islamisten laut werden lassen.

Partner für die USA

Pakistan spielt eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Terrorismus und gegen die Taliban. Insbesondere beim Versuch der Wiederherstellung der Stabilität in Afghanistan und bei der Suche nach den Al Qaida-Führern in Pakistan sind die US-Truppen auf die tatkräftige Unterstützung Pakistans angewiesen. Die USA und deren westliche Verbündete üben seit geraumer Zeit ihren Einfluss aus, damit Islamabad mehr gegen die Taliban-Islamisten und die Al Qaida-Gefolgsleute im Grenzgebiet zu Afghanistan unternimmt. Aber gerade dies bezeichnen Regimegegner als "Willfährigkeit" gegenüber Washington und werfen der Regierung die Unterstützung des Antiterrorkrieges der USA vor. Die schwierige Lage der Regierung Musharraf lässt nun alle Verbündeten zögern, um nicht den Fall der Regierung zu bewirken. Denn ohne ein stabiles Pakistan gibt es keinen Frieden in Afghanistan.

(Abgeschlossen am 23. Juli 2007) Autor: Brigadier i. R. Prof. Dr. Horst Mäder

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