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Psychologie: Eurofighter - "Schwachstelle" ist der Mensch

Mit der Einführung des Eurofighter "Typhoon" bei den österreichischen Luftstreitkräften wird für die Sicherung des österreichischen Luftraumes künftig ein leistungsfähiger Abfangjäger zur Verfügung stehen. Der neue Flugzeugtyp ist nicht nur eine technische und logistische Herausforderung, sondern mit dem Wechsel von der F-5 "Tiger" II auf den "Typhoon" erfolgt auch ein Umstieg von der zweiten auf die vierte Jet-Generation. Dieser Generationswechsel bringt eine wesentlich komplexere technische Ausstattung mit sich, mehr Leistung und ein erweitertes Einsatzspektrum. Für die Piloten bedeutet das neue Gerät nicht nur neue fliegerische und technische Herausforderungen, sondern auch erhöhte geistige Anforderungen und steigende körperliche Belastungen.

Um den neuen Anforderungen, die mit der Einführung des neuen Flugzeugtyps einhergehen, und der Verantwortung für die Gesundheit der Piloten gerecht zu werden, haben die zuständigen Fachdienste Mitte 2006 die Humanfaktorgruppe (HFG) Eurofighter gegründet. Sie besteht aus einem Fliegerpsychologen, einem Fliegermediziner und zwei Jet-Piloten. Ihre erste Aufgabe war es, sicherzustellen, dass jeder zukünftige "Typhoon"-Pilot vor Beginn seiner Ausbildung die im Ausbildungsvertrag mit der Referenzluftwaffe (der Deutschen Luftwaffe) festgeschriebenen Eignungskriterien erfüllt. Für deren Feststellung ist eine spezifische, an NATO-Standards angelehnte, psychologisch-medizinische Begutachtung notwendig. Diese wurde von der HFG in Zusammenarbeit mit Experten anderer Betreibernationen erarbeitet, an österreichische Bedürfnisse angepasst und in die entsprechenden Vorschriften eingearbeitet. Sie ist der erste Schritt des künftigen Piloten auf dem Weg in das Cockpit eines Eurofighter "Typhoon".

Vorher ist aber eine Qualifikation in der Humanzentrifuge notwendig, wo die Piloten extremen Beschleunigungskräften ausgesetzt werden. Dadurch soll überprüft werden, ob der Pilot den hohen Belastungen durch die extreme Beschleunigungsfähigkeit und Wendigkeit des "Typhoon" standhält, bei denen der Mensch an die Grenzen seiner physischen Möglichkeiten stößt. Bei bestimmten Flugmanövern wird der Pilot in 0,8 Sekunden 9 g, also der neunfachen Erdbeschleunigung, ausgesetzt (in der Formel 1 werden maximal 5,5 g erreicht). Damit steigt auch sein Körpergewicht auf den neunfachen Wert. Untrainierte würden dabei aufgrund einer Versackung des Blutes in die unteren Extremitäten und der daraus resultierenden Minderversorgung des Gehirns augenblicklich das Bewusstsein verlieren. Um diese im Flugdienst meist fatale Folge zu verhindern, verwenden die Piloten anstelle des bisherigen Druckanzuges den neuen Druckanzug "Libelle". Beim klassischen Druckanzug wirken die in den Anzug eingearbeiteten schlauchartigen Druckluftmanschetten dem Absacken des Blutes in die unteren Körperregionen entgegen. Bei der "Libelle" wird - vereinfacht ausgedrückt - die Druckluft durch Flüssigkeit ersetzt, womit eine raschere und effizientere Wirkung erreicht wird. Den Hauptbeitrag muss jedoch auch weiterhin der Pilot leisten. Durch rechtzeitige Vorspannung der Muskulatur in Kombination mit einer speziellen Atemtechnik können die Piloten sogar bei 9 g das Flugzeug noch manövrieren und miteinander kommunizieren. Dies galt bisher als unmöglich.

Zur Vorbereitung auf diese Aufgabe entwickelte die HFG ein Trainingsprogramm, bei dem Muskelspannung und Atmung gemessen und mittels Bio-Feedback-Methode an den Probanden rückgemeldet werden. Individuelle Trainingsvorgaben und persönliches Coaching vermitteln Strategien zur Aktivierung der persönlichen Leistungsreserven. Damit können die Probanden mit dem psychischen Druck und der Sorge, im Falle eines Nicht-Bestehens aus dem Projekt auszuscheiden, besser umgehen. Mit diesem Gesamtkonzept waren alle angetretenen Piloten erfolgreich und für die Typenschulung in Deutschland bereit. Dort stimmte die HFG die medizinische Versorgung mit den deutschen Ärzten ab und stellte im Bedarfsfall (negative Ausbildungsverläufe, Probleme mit dem Ausbildungspersonal etc.) die psychologische Betreuung sicher.

Zusätzlich wurden nach einer Analyse der lokalen Trainingsinfrastruktur Überlegungen zum Thema Wirbelsäulentraining angestellt, weil die Beschleunigungskräfte nicht nur auf den Blutkreislauf des Menschen, sondern auch auf die Wirbelsäule überaus belastend wirken. Wiegt der Kopf eines Piloten mit Helm 7 kg, so ist seine Halswirbelsäule bei 9 g einem Druck von 63 kg ausgesetzt. Dies kann schlimmstenfalls sogar zu Wirbelbrüchen im Flug führen und stellt langfristig ein ernstes Potenzial für gesundheitliche Schäden dar. Aus diesem Grund wurde die HFG mittlerweile um einen Sportwissenschafter und einen Trainingsmethodiker erweitert, um ein mehrstufiges Trainings- und Präventionsprogramm zu entwickeln. Nach einer sportwissenschaftlichen Vermessung erhält jeder Pilot einen personalisierten Trainingsplan, der von einfachen gymnastischen Übungen über den Einsatz von speziellen Trainingsgeräten bis zur Physiotherapie reicht.

Das Ziel für die nahe Zukunft ist, dem gesamten fliegenden Personal adäquate Programme gegen die im Flugbetrieb auftretenden Belastungen zur Verfügung stellen zu können.

Autor: Mag. Christian Czihak

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