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Militärpolitik: Fokussierung der EU auf den afrikanischen Kontinent

Die Befassung der EU-Gremien mit Entwicklungen des internationalen Krisenmanagements geht unverändert weiter. Von einer Sommerpause kann kaum noch gesprochen werden. Die Situation im Kosovo, die politischen und strategischen Vorbereitungen für eine eventuelle Operation der EU im Tschad, eine EU-Operation in Guinea-Bissau, die Lage im Osten des Kongo und die Anlaufphase der EU-Operation in Afghanistan zeigen, dass die EU im internationalen Krisenmanagement Verantwortung übernommen hat, welche die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsgremien erfordert. Damit sind auch die militärischen Gremien, vor allem das EU-Militärkomitee und der EU-Militärstab, zunehmend involviert.

Die Liste der bevorstehenden Aktivitäten zeigt aber auch die Fokussierung der EU auf den afrikanischen Kontinent, vor allem südlich der Sahara. Österreich wird neuerlich gefragt werden, wie stark das sicherheitspolitische Prinzip, das die GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) und die ESVP (Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik) voll unterstützt, auch die zunehmend starke Rolle der EU in Afrika mitträgt. Bei der Lage auf dem westlichen Balkan sind die militärischen Beiträge zu den internationalen Stabilisierungsbemühungen in diesem Raum mittelfristig gut begründbar. Es ist nicht das strategische Ziel der internationalen Staatengemeinschaft, die militärische Präsenz auf dem westlichen Balkan zu einem Dauereinsatz werden zu lassen. Es geht im Gegenteil darum, langfristig wieder den Handlungsspielraum für eine aktive und rasche Beteiligung an internationalen Stabilisierungsmaßnahmen in möglichen neuen Schlüsselräumen zu erhöhen.

Afrika ist ein solcher Schlüsselraum, jedenfalls für die EU. Österreich ist eines von vielen EU-Ländern, in denen ein politisches und insbesondere militärisches Engagement in Afrika kaum von der Öffentlichkeit mitgetragen werden. Das gilt auch für die "innere Öffentlichkeit" im Bundesheer. Umso wichtiger ist daher die Transparenz bei der Vorbereitung militärischer Operationen der EU, gerade, wenn diese in Afrika stattfinden.

Dennoch gibt es zahlreiche Argumente für ein solches Engagement. Der afrikanische Kontinent birgt eine Vielzahl von Ressourcen, die für alle EU-Staaten, nicht nur für jene mit "besonderen Interessen" in Afrika, von Bedeutung sind. Die in den letzten Jahren rapid angewachsene und mittlerweile große Teile Afrikas umfassende Präsenz Chinas beweist das wirtschaftsstrategische Interesse, das auch Europa an Afrika zeigen sollte. Da jedes politische Vakuum gefüllt wird, kann dieses Auffüllen beim Vorliegen makroökonomischer Interessen rasch erfolgen und muss in Afrika nicht zwingend europäischen Interessen entsprechen. Dabei sollte nicht ein drohendes Vakuum durch europäische Präsenz aufgefüllt, sondern eine eigenständige Präsenz afrikanischer Staaten gefördert werden.

Darüber hinaus sind auch die nachteiligen Auswirkungen zu bedenken, die jegliche Destabilisierung auf dem Kontinent nach sich zieht. Der wachsende Migrationsdruck auf Europa ist dabei nur ein Aspekt. Europäischen Staaten mit kolonialer Vergangenheit vorzuwerfen, sie würden lediglich ihre noch immer bestehenden Interessen in Afrika verfolgen, greift zu kurz und vernachlässigt, dass jedes EU-Mitglied an einem stabileren und eigenständigen Afrika interessiert ist. Viel Terrain ist hier schon verloren gegangen, manches kann aber noch im Sinne Europas weiterentwickelt werden. Bestimmte Räume in Afrika spielen dabei eine besondere Rolle: Der Bereich der großen Seen ebenso wie das Länderdreieck Sudan, Tschad und die Zentralafrikanischen Republik.

Alle diese Aspekte sind zu berücksichtigen, wenn es im Herbst um die Frage geht, in der Region Darfur eine EU-Operation mit einer wesentlichen militärischen Komponente zu starten. Bei dieser Operation gilt es außerdem - ebenso wie im Kongo -, bereits angelaufene und geplante Aktivitäten der UNO zu unterstützen. Die Grenze zwischen dem nordöstlichen Tschad und dem Sudan (Darfur) ist schwer zu überwachen und die Sicherheit der Flüchtlingslager, die in diesem Raum auf dem Gebiet des Tschads liegen, daher gering. Außerdem können die Rebellen aus Darfur den naheliegenden Grenzraum des Tschads derzeit als Rückzugsraum nutzen. Diese Situation beeinträchtigt nicht nur die Sicherheit und Stabilität des Tschad und der Region Darfur, sondern auch der Zentralafrikanischen Republik.

Bei der Operation, über die im Herbst in der EU entschieden werden soll, geht es nicht um die militärische Beherrschung des Raumes durch Kräfte der EU, sondern um die Unterstützung der tschadischen Sicherheitskräfte und um den Aufbau einer UN-Präsenz. Diese Anstrengung im Sinne gemeinsamer europäischer Interessen sollte durch eine konstruktive Haltung aller EU-Mitgliedsstaaten honoriert werden.

Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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