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1960 bis 2010 - 50 Jahre österreichische Teilnahme an internationalen Einsätzen

Vor 50 Jahren nahmen erstmals Soldaten des Österreichischen Bundesheeres an Auslandseinsätzen teil - Anlass für einen kurzen Rückblick und den Versuch, über diese fünf Jahrzehnte der internationalen Einsätze "im Dienste des Friedens", Bilanz zu ziehen.

Heute gilt die Teilnahme an Auslandseinsätzen mit Sicherheit als eine der, wenn nicht als die Hauptaufgabe des Bundesheeres. Dem war nicht immer so: Bis zum Ende des "Kalten Krieges" sah das militärische Establishment Auslandseinsätze vielfach gar nicht gerne. UNO-Einsätze galten als gut bezahlter Urlaub, als "Beach-Keeping" unter Palmen, jedenfalls nicht als Aufgabe für österreichische Soldaten.

Heute ist das anders: Das Bundesheer sieht sich als Einsatzarmee mit starker professioneller Komponente. Eine Teilnahme an internationalen Einsätzen gilt für die meisten Soldaten des Kaders als Selbstverständlichkeit, ist vielfach sogar Voraussetzung für eine gute Karriere. Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse gewinnen im Bundesheer langsam jenen Stellenwert, den sie im zivilen Leben, in der Privatwirtschaft und im akademischen Bereich immer schon gehabt haben.

Was sind Friedenseinsätze?

In diesem Zusammenhang werden immer wieder Ausdrücke gebraucht, die oft unterschiedlich verstanden werden. Es gibt jedoch auch keine allgemeingültigen Definitionen. So verstehen manche unter "Peace-Making" (Frieden schaffen) diplomatische Vermittlungsbemühungen, andere hingegen Kampfeinsätze. Auch die bestehenden Definitionen der UNO, NATO usw. werden nicht allgemein gleich interpretiert.

Ein mögliches Modell ist das folgende: Friedenseinsätze oder Friedensunterstützende Einsätze ("Peace Operations", "Peace Support Operations") umfassen im Wesentlichen drei Typen von Einsätzen:

  • Das "traditionelle Peacekeeping" ("Friedenserhaltung") zwischen Staaten oder Territorien (z. B. die UN-Truppe UNDOF auf den Golanhöhen zwischen Israel und Syrien). Mit dem Einverständnis der Konfliktparteien wird eine Waffenstillstandslinie überwacht. Die UN-Truppe ist nicht in der Lage, einen Angriff einer Seite zu stoppen - das ist auch nicht ihre Aufgabe. Vielmehr soll sie durch die internationale Präsenz Vertrauen schaffen und verhindern, dass ein kleiner Zwischenfall unbeabsichtigt eskaliert. Diese Truppen sind meist nur leicht bewaffnet, Militärbeobachter ("Military Observers") in der Regel überhaupt (außer für den Selbstschutz) unbewaffnet.
  • Das "erweiterte Peacekeeping" ("Wider Peacekeeping") ist wie das traditionelle Peacekeeping konsensual, also mit dem Einverständnis der Konfliktparteien, aber in einem "internen Konflikt". In diesem Szenario gibt es keine trennenden Waffenstillstandslinien, wohl aber soll die internationale Präsenz die friedliche Entwicklung unterstützen. Dabei geht es vor allem um den (Wieder-)Aufbau stabiler Strukturen, die Abhaltung von Wahlen, die Schaffung einer verlässlichen Polizei- und Justizordnung usw. Daher auch der Ausdruck "erweitert". Das Militär soll Sicherheit schaffen, ist aber nur eine von mehreren Komponenten. Daneben agieren Polizeibeobachter und zivile Experten, die mit zunehmender Stabilisierung des Einsatzraumes immer wichtiger werden. Ein Beispiel für einen derartigen Einsatz ist die EU-Truppe (EUFOR "ALTHEA") in Bosnien und Herzegowina.
  • Das "robuste Peacekeeping" - gelegentlich auch als "Enforcement" oder "Peace Enforcement" bezeichnet, also als "Friedenserzwingung" - ist dem zweiten Typ, dem "erweiterten Peacekeeping" ähnlich, geht aber davon aus, dass nicht alle Konfliktparteien die Waffenstillstands- oder Friedensvereinbarung unterstützen, und gegen diese daher gewaltsam vorgegangen werden muss. In gewisser Weise war wohl der EU-Einsatz im Tschad zum Schutz der Flüchtlingslager ein Beispiel für ein solches "robustes Peacekeeping". Die Grenzen zwischen "erweitertem" und "robustem" Peacekeeping sind in der Praxis oft schwer festzulegen. Gerade in internen Konflikten ist die zentrale Regierung (falls es überhaupt eine gibt) oft sehr schwach, agieren auf unteren Ebenen zahlreiche "Warlords" oder Bandenführer, die von der Instabilität profitieren und sich nicht darum kümmern, ob eine staatliche Autorität dem Einsatz internationaler Truppen zugestimmt hat oder nicht.

In der Literatur werden diese drei Typen gelegentlich als "Generationen" bezeichnet. Das ist so nicht richtig - es handelt sich um drei Typen internationaler Einsätze, die parallel bestehen. Überdies sind der zweite und dritte Typ älter als der erste.

Ziel ist in allen Fällen die Stabilisierung von Konfliktregionen. Allerdings ist eine Stabilisierung noch keine Lösung - die Lösung eines Konflikts kann immer nur durch die Konfliktparteien selbst erfolgen! Die internationale Staatengemeinschaft kann sie unterstützen und notwendige Voraussetzungen schaffen.

Gemeinsam sind den drei Typen von Friedenseinsätzen fünf Kriterien:

  • ein internationales Mandat (in der Regel durch den UN-Sicherheitsrat, der als einziges Organ befugt ist, den Einsatz von Gewalt anzuordnen);
  • die multinationale Zusammensetzung der Truppen bzw. des Personals;
  • der Zweck, einen bestehenden Zustand zu bewahren oder wiederherzustellen (etwa die Überwachung einer Truppentrennung) oder aber eine geordnete Überleitung zu ermöglichen (etwa eine ehemalige Kolonie oder Provinz in die Unabhängigkeit überzuleiten - wie dies in Südwestafrika/Namibia oder Osttimor/Timor-Leste der Fall war);
  • der Einsatz mit Zustimmung oder jedenfalls im Interesse des Gastlandes - d. h. es geht nicht um die Eroberung fremder Gebiete und
  • die Schadensbegrenzung ("Minimum Damage"), daher mit möglichst geringem, angemessenem Einsatz von Gewalt ("Measured Force").

Beginn der österreichischen Teilnahme an internationalen Einsätzen

Die Aufgaben des Bundesheeres sind in der Verfassung und im Wehrgesetz klar geregelt: die militärische Landesverteidigung (anfangs hieß es noch: "Schutz der Grenzen") und die Assistenzeinsätze im Inneren, sei es zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung oder zur Hilfeleistung bei Naturkatastrophen.

1960, bereits fünf Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags und dem UNO-Beitritt, kam allerdings zu diesen Aufgaben eine weitere hinzu - die Beteiligung an internationalen Einsätzen im Auftrag der UNO oder anderer internationaler Organisationen.

Zunächst war keineswegs klar, ob Auslandseinsätze überhaupt eine Aufgabe für das Bundesheer sein könnten. Die Idee, sich 1960 an der UN-Operation im vormals belgischen Kongo (heute: Demokratische Republik Kongo) zu beteiligen, kam vom damaligen Außenminister (und späteren Bundeskanzler) Dr. Bruno Kreisky und nicht vom Militär. Durch diese Teilnahme sollte einerseits Österreichs Stellung in der Staatengemeinschaft gefestigt und andererseits die Unterstützung der UNO für den österreichischen Standpunkt in der Debatte um mehr Minderheiten- bzw. Autonomierechte für die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols erreicht werden. (Dieser Ansatz war erfolgreich. Er ebnete den Weg hin zum "Südtirol-Paket" von 1969 und zur offiziellen Streitbeilegungserklärung Österreichs und Italiens gegenüber der UNO 1992. Dies wiederum war eine Vorbedingung für den EU-Beitritt Österreichs 1995.) Die Idee zur Teilnahme am Kongo-Abenteuer der UNO stammte nicht aus dem Verteidigungsministerium und die Militärs hatten (mit wenigen Ausnahmen) wenig Freude mit dieser Aufgabe, da Personal und Mittel fehlten. Außerdem gab es erst 1965 eine gesetzliche Grundlage für den Einsatz von Einheiten des Bundesheeres im Ausland. Daher wurde das "UN-Sanitätskontingent der Republik Österreich", wie es schließlich hieß, nicht als Teil des Bundesheeres formiert. Die Teilnehmer wurden karenziert und gleichzeitig mit Sonderverträgen neu angestellt. Erst 1965 wurden durch das "Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen" ("Entsendegesetz") die notwendigen formalen Voraussetzungen nachgeliefert. Seit 1997 gilt das "Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland" (KSE-BVG).

Im Verteidigungsministerium sah man die Auslandseinsätze lange Zeit als Nebenaufgabe an. Angesichts der steten Personal- und Geldknappheit standen viele führende Persönlichkeiten den Einsätzen im Ausland skeptisch gegenüber. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass diese Einsätze durchaus im Sinne der "Umwegrentabilität" zu sehen wären und die österreichischen Freiwilligen dabei internationale Erfahrung unter Einsatzbedingungen gewannen. Dazu kamen weitere Faktoren: Die österreichischen Blauhelme agierten durchaus als Werbeträger für Österreich und für österreichische Produkte. Ein Beispiel: Dass heute zahlreiche Armeen, von Irland über Oman bis Australien, mit österreichischen Sturmgewehren (Steyr AUG/StG 77) bewaffnet sind, war nicht zuletzt Ergebnis dieser Auslandskontakte im Rahmen von Friedenseinsätzen.

Erweiterung der österreichischen Friedenseinsätze

Österreich trat im Dezember 1960 der UNO bei und beteiligt sich seither an internationalen Friedenseinsätzen. Für Österreich brachte dies internationale Anerkennung: Von 1972 bis 1981 war ein Österreicher, der frühere Außenminister und spätere Bundespräsident Dr. Kurt Waldheim, UN-Generalsekretär. Österreich gehörte bisher dreimal (1973/74, 1991/92 und 2009/10) als Nichtständiges Mitglied dem UN-Sicherheitsrat an. Wien wurde als Sitz der Vereinten Nationen immer wichtiger und gilt seit der Übergabe der "UNO-City" 1979 als dritte "UN-Hauptstadt" nach New York und Genf. (Inzwischen wurde 1996 mit Nairobi eine vierte Stadt offizieller "UN-Sitz".) Mehrere österreichische Offiziere waren seit 1974 Kommandanten von UN-Missionen.

Das "Hineingehen" Österreichs in internationale Einsätze erfolgte "schrittweise": 1960 war es das schon erwähnte Sanitätskontingent im Kongo, das - in fünf Turnussen (Rotationen) - bis 1963 im Einsatz war. 1964 folgten ein weiteres Feldspital für Zypern und außerdem bis zu 50 Polizisten beziehungsweise Gendarmen.

1966 wurde - auf Basis des Entsendegesetzes von 1965 - ein Reserve-UN-Bataillon aufgestellt, das der UNO auf Ersuchen als "Stand-by"-Verband zur Verfügung stehen sollte. Dieses kam aber vorerst nicht zum Einsatz. Dafür wurden ab 1967 Beobachteroffiziere zunächst in den Nahen Osten, später auch in andere Krisengebiete entsandt. 1972 folgte ein Jägerbataillon für Zypern, 1973 ein weiteres für den Krisenherd Nahost, das seit 1974 auf den Golanhöhen im Einsatz ist. Innerhalb von 13 Jahren hatte sich somit die österreichische Teilnahme an Friedensoperationen von den rund 45 Angehörigen des ersten Feldspitals Ende 1960 auf 950 Mann Ende 1973 (also auf das rund Zwanzigfache!) erhöht - seit damals gilt Österreich als einer der bedeutendsten Truppensteller der UNO.

Die österreichischen Soldaten bewährten sich im Einsatz (das gilt ebenso für die Polizisten bzw. Gendarmen und für die zivilen Spezialisten, die immer wieder eine wichtige Rolle spielten). Dies wurde und wird von anderen Staaten anerkannt und verschaffte den Österreichern durch den internationalen Vergleich eine bessere Selbsteinschätzung. Diese ist gerade für ein Land, das durch die besonderen Bedingungen der Neutralität während des "Kalten Krieges" lange Zeit "isoliert" war, besonders wichtig.

Dass die Ausweitung der Teilnahme an Friedensoperationen schrittweise erfolgte - vom Feldspital 1960 über Polizisten 1964 und Militärbeobachter 1967 bis hin zu den beiden Bataillonen ab 1972/73 - trug dazu bei, dass diese Einsätze damals in Politik und Öffentlichkeit eine vergleichsweise hohe Akzeptanz fanden und finden. Dies war keineswegs selbstverständlich - immerhin begann der erste Einsatz nur 15 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und etliche Zeitungen und Parteien äußerten sich höchst kritisch zu dem Vorhaben, "unsere Burschen" nach Afrika zu schicken.

Nicht zuletzt galt daher von Anfang an der Grundsatz, nur Freiwillige in internationale Operationen zu entsenden. Niemand sollte gegen seinen Willen zu einem Einsatz gezwungen werden - zu einem Einsatz, der neben den Gefahren im Einsatzraum durch die Trennung von Familie und Umfeld oft zu besonderen Belastungen führt. Zwar gab es immer wieder kritische Stimmen, die den Sinn und die Berechtigung solcher Einsätze in Frage stellten - dies darf und soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, doch überwog stets die positive Beurteilung der Blauhelme. Dies war auch 1974 der Fall, als - zuerst bei einem Minenunfall am Golan und dann während der Kämpfe auf Zypern - die ersten österreichischen Todesopfer zu beklagen waren.

Insgesamt bezahlten bisher fast 50 Österreicher (von bisher 75 000!) ihren Einsatz "im Dienste des Friedens" mit ihrem Leben. Zahlreiche weitere wurden verwundet oder litten oft jahrelang an Malaria und anderen heimtückischen Krankheiten. Dies ist der Gegenpol zu dem oft kolportierten falschen Bild des "gutbezahlten Urlaubs" und gelegentlicher übertriebener Skandalgeschichten über Alkohol- und Drogenexzesse im Einsatzraum. Durch die Freiwilligkeit und den hohen Anteil an Reservisten waren und sind die österreichischen Soldaten etwas älter als die jungen Berufsoldaten anderer Armeen. Dadurch hatten und haben sie mehr Lebenserfahrung und bewähren sich deshalb im Einsatz besonders gut. Gerade in Friedenseinsätzen zählen Geduld, Verhandlungsgeschick und Improvisationsvermögen mehr als rein martialische Qualitäten. Was nicht heißt, dass sich die Österreicher nicht auch in "robusteren" Einsätzen wie im Kosovo, in Afghanistan oder zuletzt im Tschad bewährt hätten.

Bis zum Ende des Ost-West-Konfliktes 1989/90 blieb die zahlenmäßige österreichische Teilnahme an UN-Einsätzen annähernd auf dem Stand von 1973: zwei Bataillone (eines auf Zypern und eines auf den syrischen Golanhöhen), dazu einige Militärbeobachter, als insgesamt um die 850 Soldaten. (Das österreichische Polizeikontingent auf Zypern war 1977 abgezogen worden).

Die "neue Weltordnung" nach 1989

Das Jahr 1989 brachte neue Rahmenbedingungen. Die bisherige "Spaltung" der Welt im "Kalten Krieg" mutierte zur (nicht immer reibungslosen) Zusammenarbeit der Mächte im Sinne der "New World Order", der "neuen Weltordnung", wie sie der damalige U.S.-Präsident George Bush 1991 proklamierte. Durch die Überwindung der bisherigen Teilung würden - so hoffte man - Gerechtigkeit, "Fair Play" und der Schutz der Schwachen die neuen Leitlinien der internationalen Politik sein. Die Organisation der Vereinten Nationen, über vier Jahrzehnte lang durch den Ost-West-Konflikt marginalisiert, sollte wieder eine wichtige Rolle spielen.

Diese Hoffnungen erwiesen sich - wie man inzwischen leider weiß - als zu optimistisch. Immerhin war es ab 1989 möglich, in einem weit größeren Bereich international (anstatt rein bilateral) zu agieren und zu intervenieren als zuvor. Ausgehend von der erfolgreichen UN-Assistenz bei der Überleitung der früheren deutschen Kolonie Südwestafrika als Namibia in die Unabhängigkeit (1989/90) und vom UN-autorisierten Feldzug zur Befreiung Kuwaits (1990/91) kam es zu einer kaum noch überschaubaren Vielfalt neuer Einsätze, von Kambodscha bis Haiti, von Jugoslawien bis Ruanda, von Somalia bis Osttimor. Kritiker sprachen bald vom "Mushrooming", vom raschen Wachsen neuer Missionen ähnlich dem Sprießen von Pilzen nach einem Regen. Letztlich führte dies zur Überdehnung der Ressourcen. Die Zahl der weltweit eingesetzten "Blauhelme" stieg von rund 10 000 in den Jahren des "Kalten Krieges" auf 85 000 um 1995.

Allerdings waren nicht alle dieser Einsätze erfolgreich. Ganz im Gegenteil - es wandelte sich das allgemeine Lob für das "UN-Erfolgsrezept Peacekeeping" schnell zur Verurteilung der scheinbar überall versagenden Weltorganisation. Beide Urteile waren jedoch überzogen. Zum einen gab es nie ein "Erfolgsrezept Peacekeeping", weil die internationale Präsenz Konflikte zwar entschärfen, aber nie lösen konnte und kann. Zum anderen hing der Erfolg internationaler Einsätze stets vom politischen Willen der Staatengemeinschaft ab, richtig zu reagieren und die notwendigen Mittel und Mandate lange genug bereitzustellen. Dazu aber waren viele Regierungen allzu oft nicht oder nur zögernd und nur in begrenztem Ausmaß bereit. Die Folge waren Katastrophen wie jene in Somalia oder im ehemaligen Jugoslawien. Vor allem aber erwies sich die aufgrund ihrer Struktur eher schwerfällige UNO als wenig geeignet, robustere Friedens- oder gar Kampfeinsätze zu führen.

Die Folge war eine Verteilung der Missionen - neben die von der UNO geführten Friedensmissionen und Übergangsverwaltungen traten robustere Einsätze, die besser von der NATO oder von ad hoc gebildeten Koalitionen durchgeführt wurden. Andere Organisationen wie die KSZE/OSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, seit 1995 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, mit Sitz in Wien) oder die Europäische Union übernahmen Aufgaben im internationalen Krisenmanagement oft in Absprache oder gemeinsam mit der UNO und der NATO. Die Zahl der Blauhelme im UN-Einsatz ging ab 1996 auf rund 14 000 zurück, stieg aber mittlerweile - durch zahlreiche Einsätze in Afrika - wieder auf über 100 000 Personen.

Internationale Einsätze können Konflikte nicht lösen - das können immer nur die am Konflikt beteiligten Parteien selbst. Die Staatengemeinschaft kann aber helfen, indem sie durch das Eingreifen von Truppen bzw. durch eine längere internationale Präsenz die Lage stabilisiert und ein Ende von Kampfhandlungen erzwingt. Die Hoffnung, eine Lösung von Konflikten erzwingen zu können, muss Illusion bleiben. Allerdings ist schon viel erreicht, wenn sich durch das internationale Eingreifen ein Konflikt nicht noch mehr ausweitet, wenn es gelingt, Kämpfe, Massaker, Mordaktionen, Vergewaltigungen und Zerstörungen zumindest einzudämmen.

Internationale Einsätze Österreichs nach 1989/90

Für Österreich bedeutete die Entwicklung der internationalen Friedensoperationen nach 1989/90 die neue Herausforderung, sich verstärkt zu engagieren, dabei aber eine klare Balance zwischen dem Setzen von Schwerpunkten und der Präsenz in möglichst vielen Missionen zu finden. Das war nicht immer einfach. Seit der Mission in Südwestafrika/Namibia 1989/90 waren neben den Soldaten verstärkt Polizisten im Einsatz. Seit den Einsätzen zur Wahlbeobachtung in Nicaragua (1990) und zur Unterstützung des Friedensprozesses in Südafrika (1994) nahmen auch zivile Spezialisten teil. Dazu ergab sich mit den Einsätzen im ehemaligen Jugoslawien (seit 1994), in Albanien (1997 und 1999) und im Kosovo (ab 1999) eine klare geografische Schwerpunktsetzung in Südosteuropa - gewissermaßen in der näheren Nachbarschaft der Alpenrepublik.

Eine gewisse Einschränkung (die international nicht immer verstanden wird) ergab sich für das österreichische Engagement aus den weiterhin gültigen Bestimmungen des Neutralitätsgesetzes von 1955. Daher nahm Österreich an kriegerischen Aktionen wie dem UN-Feldzug zur Befreiung Kuwaits (1991), dem NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien (1999) oder dem Krieg im Irak (2003) nicht teil, auch wenn es diese Operationen teilweise politisch begrüßt hatte.

Durch den Beitritt zur Europäischen Union (1995) und die Anforderungen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bzw. der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP bzw. ESVP) wurde Österreich zunehmend Partner der solidarischen (gemeinsamen) europäischen Sicherheitspolitik in der EU. Dementsprechend beteiligte sich Österreich auch militärisch, polizeilich bzw. humanitär an den stabilisierenden Operationen, die den genannten Kriegen/Konflikten folgten. Die Mitarbeit in der NATO-Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace - PfP, seit 1995) ist ein wichtiger Beitrag zur Sicherheit und Stabilität. Durch internationale Übungen und gemeinsame Standards wird die Kooperation zwischen den Staaten in Friedenseinsätzen kontinuierlich verbessert.

Angesichts der geänderten Verhältnisse erkannte auch die militärische Führung die zunehmende Bedeutung der internationalen Einsätze. Inzwischen sind sie zweifellos eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Aufgabe des Bundesheeres überhaupt. So wurde 1999 das 1987 geschaffene Kommando Auslandseinsätze zum Kommando Internationale Einsätze (zuerst in Götzendorf, seit 2002 in Graz) umgegliedert und aufgewertet. 2007 wurde es mit den drei anderen Kommanden der höheren Führung (Land-, Luft- und Spezialeinsatzkräfte) im Streitkräfteführungskommando (in Graz und Salzburg) vereinigt. Das Kommando Einsatzunterstützung sowie die Führungsunterstützung sind ebenfalls in die internationalen Einsätze eingebunden.

Aufstellung der Auslandskontingente

Die Erfassung und Vorbereitung der Freiwilligen für die Auslandseinsätze war zu Beginn der ersten Missionen eher improvisiert. Mit der Aufstellung des Reserve-UN-Bataillons (1965), der folgenden Anbindung der Auslandskontingente an bestehende Truppenkörper und schließlich der Aufstellung eines eigenen Kommandos wurde die Erfassung und Vorbereitung immer besser organisiert. Durch das Prinzip der Freiwilligkeit konnte allerdings Österreich grundsätzlich keine bestehenden Truppenkörper ins Ausland entsenden. Vielmehr wurden die Kontingente für jeden neuen Einsatz eigens formiert und dann durch regelmäßige Rotationen erneuert - dabei wird nach Möglichkeit jeweils nur ein halbes Kontingent überlappend ersetzt, um die Kontinuität im Einsatz zu gewährleisten. Dieses Prinzip hat sich in der Praxis bewährt, machte es aber schwer, auf neue Anforderungen rasch zu reagieren.

Zur verbesserten und beschleunigten Bereitstellung von Truppen für Auslandseinsätze wurden daher verschiedene Modelle entwickelt. Mitte der 1990er Jahre waren dies die "Vorbereiteten Einheiten" (VOREIN), die modulartig für bestimmte Einsätze konfiguriert werden konnten. Bestimmte Truppenkörper im Inland fungierten als "Patenverbände" für die Kontingente während der Vorbereitung auf den Einsatz. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Beteiligung an EU-Operationen wurde das System der "Kräfte für Internationale Operationen" (KIOP) entwickelt. Durch die freiwillige Verpflichtung längerdienender Soldaten zum Auslandseinsatz wurde es möglich, in den "Kaderpräsenzeinheiten" (KPE) rasch verfügbare Kräfte mit einer kurzen Vorlaufzeit bereit zu haben. Dieses System bewährte sich bereits bei der raschen Verlegung von Verstärkungen für die Friedenstruppe im Kosovo anlässlich der Unruhen im März 2004.

Allerdings erwiesen sich die Mittel für diese Ausweitung der Einsätze angesichts der traditionell unterdotierten Militärbudgets in Österreich rasch als unzureichend: mit der Transporteinheit in Bosnien und Herzegowina (1996 bis 2001) und dem Bataillon im Kosovo (seit 1999) zusätzlich zu den beiden UN-Bataillonen auf Zypern und in Syrien war das Engagement innerhalb weniger Jahre von zwei auf dreieinhalb Bataillone gewachsen. Daher wurden die Einsätze in Bosnien und Herzegowina sowie auf Zypern (abgesehen von Stabspersonal) 2001 beendet. Neben diesen größeren Einsätzen waren Kontingente in Kompaniestärke 1997 in Albanien sowie 2002 und 2005 in Afghanistan im Einsatz. Dazu kommen zahlreiche Beobachter- und humanitäre Einsätze.

Seit 1995 integrierte Österreich Kontingente aus Nachbarländern - aus Ungarn, Slowenien, der Slowakei, Deutschland und der Schweiz - in die Bataillone auf Zypern, in Syrien und im Kosovo. 2005/06 war Österreich die "Lead Nation" der brigadestarken Multinational Task Force Northeast in Tuzla in Bosnien und Herzegowina; 2008/09 folgte die Führung der Multinational Task Force South im Kosovo (siehe TD 1/2009, "Die Führung der MNTF S/KFOR"). Ende 2009 übernahm ein Österreicher, Generalmajor Bair, das Kommando über die EU-Truppe (EUFOR "ALTHEA") in Bosnien und Herzegowina.

Humanitäre Einsätze und zivile Experten

Österreich verfügt bereits über eine lange Tradition, bei humanitären Einsätzen mitzuwirken und zivile Experten ins Ausland zu entsenden. Begonnen hat dies mit dem Hilfseinsatz nach dem Erdbeben in Skopje 1963 und der Entsendung von Sanitätsteams nach Nigeria von 1968 bis 1970. Überdies waren Österreicher führend an der Entwicklung entsprechender internationaler Strukturen beteiligt. Vor allem nach dem verheerenden Erdbeben in Armenien im Dezember 1988, das die bisherigen Führungsmängel der internationalen Katastrophenhilfe deutlich machte. Dieser Einsatz wurde schließlich zum Ausgangspunkt für die Aufstellung einer Katastrophen-Hilfseinheit des Bundesheeres, der "Austrian (Armed) Forces Disaster Relief Unit" (AFDRU), unter dem Kommando der ABC-Abwehrschule in Wien (jetzt in Korneuburg). Hilfseinsätze wie z. B. bei den Überschwemmungen in Polen (1997) und in Mosambik (2000), bei den Erdbeben in Taiwan und in der Türkei (1999), dann in Algerien und im Iran (2003) sowie anlässlich der Tsunami-Katastrophe in Südostasien (2004/05) wurden von dieser Truppe bereits durchgeführt.

Zunehmende Bedeutung erlangten auch die Polizeieinsätze. Gerade zur Stabilisierung nach internen Konflikten und Bürgerkriegen sind Polizisten ebenso wichtig wie Soldaten - beide erfüllen unterschiedliche, einander ergänzende Aufgaben. Österreichische Experten wirkten außerdem in den UN-Sonderkommissionen zur Auffindung und Zerstörung von Massenvernichtungswaffen im Irak nach 1991 mit.

Im Bereich der Rüstungskontrolle, Verifikation und bei den vertrauensbildenden Maßnahmen kann Österreich eine lange Erfahrung einbringen. Und gerade in den letzten Jahren sind humanitäre und wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen (Stichwort CIMIC = zivil-militärische Zusammenarbeit) ein wesentliches Element internationaler Friedenseinsätze geworden. Wichtig ist dabei die Verbindung der politischen Stabilisierung von Krisengebieten gleichzeitig mit wirtschaftlichem Wiederaufbau. Daher kommt vor allem dem wirtschaftlichen Engagement besondere Bedeutung zu. Funktionierende wirtschaftliche Beziehungen sind deshalb keineswegs unmoralisch (wie das gelegentlich behauptet wird), sondern im Gegenteil eine unumgängliche Voraussetzung für einen dauerhaften Friedensprozess. Aufgrund dieser Basis entstand ein eigenes CIMIC-Zentrum beim Streitkräfteführungskommando in Graz.

Vom Kongo in den Tschad

Nachdem sich Österreich seit den neunziger Jahren mehrfach - allerdings stets nur mit wenigen Militärbeobachtern oder Polizisten - an Einsätzen in Afrika beteiligt hatte, kam es 2008/09 zur Teilnahme an der EU-Mission im Tschad, die 2009 in die dortige UN-Mission übergeführt wurde. Der Einsatz galt dem Schutz der Flüchtlingslager, vor allem für Flüchtlinge aus der angrenzenden Provinz Darfur des Sudan. Dort war es seit 2003 zu schwersten Übergriffen von "Reitermilizen" gegen die ansässige Bevölkerung gekommen. Zum ersten Mal seit 1960 setzten über diesen Einsatz heftige innenpolitische Debatten ein, wobei Sinn und Zweck dieser Mission ebenso angezweifelt wurden wie die Fähigkeit des Bundesheeres zur Durchführung einer solchen. Tatsächlich bewährten sich die eingesetzten Kontingente, insbesondere jenes des Jagdkommandos. Dieser EU-Einsatz trug zweifellos dazu bei, die Sicherheit in dieser Region wenigstens zeitweise zu erhöhen.

Auf einen Blick

Obwohl es schwer ist, genaue Zahlen zu nennen, kann man davon ausgehen, dass seit 1960 rund 75 000 Österreicher an Friedens- und humanitären Einsätzen teilgenommen haben (Diese Zahl bezieht sich auf die absolvierten Einsätze, nicht auf die Personen). Dies ist für ein kleines Land wie Österreich beachtlich.

Für das Österreichische Bundesheer stellen die internationalen Einsätze inzwischen eine der wichtigsten Aufgaben dar. Dies ist keineswegs im Gegensatz zum Auftrag der Landesverteidigung zu sehen. Gerade im Sinne eines umfassenden Sicherheitsbegriffes ist die Teilnahme an Friedenseinsätzen nicht nur ein Element der Außenpolitik, sondern ein wesentlicher Beitrag zur Stabilität in der Welt - und damit, gewissermaßen vorbeugend, auch ein Beitrag zur europäischen und zur österreichischen Sicherheit. Dies kann in manchen Fällen (etwa in Südosteuropa) sehr direkt, in anderen Fällen (etwa in Osttimor, Afghanistan oder im Tschad) eher indirekt sein. Auch diese Einsätze aber sind Teil der Verantwortung, die Österreich - als stabiles, aber auch als vergleichsweise wohlhabendes Land - der Welt gegenüber hat.

Selbst wenn sich die Bedrohungen und Gefahren im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte deutlich geändert haben - und diesen Bedrohungen daher entsprechend begegnet werden muss -, gelten manche Grundsätze doch weiter. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass derartige Einsätze nicht innerhalb weniger Monate zu absolvieren sind, sondern die Bereitschaft zum längeren, oft jahrzehntelangen Verbleiben im Gastland voraussetzen (z. B. UNDOF/AUSBATT). Denn: Frieden schaffen ist ein langer, oft mühseliger und schmerzhafter Prozess. Die Alternative, nämlich das Ausbrechen neuer Kampfhandlungen, würde den Betroffenen noch mehr Leid bringen und wäre daher noch viel weniger ein Beitrag zu einer dauerhaften Lösung.

Leider gibt es kein Anzeichen, dass internationale Friedensoperationen überflüssig werden - im Gegenteil. Für Österreich ist die Beteiligung an UN-Einsätzen seit 1960 ein wesentliches Element seiner aktiven Außenpolitik, und es gibt keinen Grund, von dieser Leitlinie abzuweichen.

Im letzten Jahrzehnt hat sich Österreich verstärkt bei den Operationen in Südosteuropa engagiert. In Zukunft wird es Aufgabe der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik sein, die Parameter der weiteren Teilnahme an Friedensoperationen festzulegen, unter Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen durch die EU-Mitgliedschaft sowie der Notwendigkeit, im Sinne der internationalen Solidarität zur Teilnahme auch an Operationen mit höherem Risiko bereit zu sein. Aus der Vermehrung der internationalen Aufgaben für das Bundesheer resultiert die unmittelbare Herausforderung, dass finanzielle, materielle und personelle Ressourcen in deutlich höherem Ausmaß als bisher zur Erfüllung dieser Vorgaben bereitgestellt werden müssen.


Autor: Hofrat Univ.-Doz. Dr. Erwin A. Schmidl, Jahrgang 1956. Studium der Geschichte, Völkerkunde und Kunstgeschichte an der Universität Wien, Promotion 1981 "sub auspiciis praesidentis". Ab 1981 Forschungstätigkeit im Heeresgeschichtlichen Museum. 1991/92 Dienstzuteilung zum Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (UNO-Abteilung), 1993 Absolvierung des 3. Lehrganges der Europaakademie in Wien, 1994 UN-Beobachter in Südafrika, 1995/96 Senior Fellow am U.S. Institute of Peace. Seit 2001 Leiter des Fachbereiches Militär- und Zeitgeschichte am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie.

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