Das Product Development Center bei KFOR
Die Medienproduktion für Psychological Operations im Kosovo
Das Product Development Center (PDC, Medienproduktionsstelle) stellt den größten Teil der Abteilung "Psychological Operations (PSYOPS)" bei KFOR. Das unter österreichischer Führung stehende PDC betreibt u. a. einen Radiosender und eine Homepage, dreht TV-Clips und erstellt verschiedenste Printprodukte zum Schutz der eigenen Soldaten, und um die Auftragserfüllung der eigenen Kräfte im Einsatzraum zu unterstützen.
In militärischen Einsatzräumen erfolgt die Kommunikation durch klar voneinander getrennte (abgegrenzte) Stellen. Neben einer Schiene für "Interne Informationsmaßnahmen" und einer "Pressestelle" zur Betreuung nationaler und internationaler Medien, verfügen Streitkräfte im Ausland meistens auch über ein ganz besonderes Kommunikationselement - das PSYOPS-Center. Aufgabe dieses Elementes ist es, durch geplante psychologische Aktivitäten unter Einsatz der Methoden der Kommunikation die Wahrnehmung, Einstellung und das Verhalten von (freigegebenen) Zielgruppen (Ethnien, Altersgruppierungen, …) außerhalb der eigenen Strukturen zu beeinflussen. Dadurch soll eine Verbesserung z. B. hinsichtlich interethnischen Verhaltens (Toleranz und Akzeptanz) und eine Änderung der Einstellung gegenüber Soldaten und deren Aufgaben erreicht werden. Diese beabsichtigten positiven Verhaltensänderungen (von feindlich zu freundlich/kooperativ, von aggressiv zu tolerant, etc.) unterstützten maßgeblich die militärische Zielerreichung.
Der englische Fachbegriff für derartige psychologische Aktivitäten lautet "Psychological Operations" (PSYOPS), im Österreichischen Bundesheer wird PSYOPS als "Operative Kommunikation" (OpKomm) bezeichnet. "Operative Kommunikation (OpKomm) sind geplante, mit anderen Führungsgrundgebieten abgestimmte, grundsätzlich mit eigenen Medien durchgeführte Kommunikationsmaßnahmen im Frieden und in Fällen des §2 Wehrgesetz, um Einstellung und Verhalten von Zielgruppen zu ändern und so Vertrauen und Unterstützung für den eigenen Auftrag zu gewinnen." (aus dem Grundlagenunterricht "Psychological Operations", Basic Course PSYOPS, Graz, März 2008).
Die Medienproduktionstelle (Product Development Center - PDC) als Herzstück des PSYOPS-Centers im Hauptquartier der Kosovo Force (KFOR) in Pristina ist seit Jahren unter österreichischer Führung. (Die im Beitrag beschriebenen Details und Abläufe beziehen sich im Wesentlichen auf den Zeitraum Dezember 2008 bis März 2009.)
Wozu dienen "Psychological Operations"?
Die erfolgreichsten Kriege waren in der Geschichte der Menschheit immer jene, die man gar nicht erst zu führen hatte, um dennoch zum Sieg zu gelangen. Wenn immer möglich, vermieden geschickte Herrscher und Feldherren bis heute unnötiges Blutvergießen. Sie versuchten stattdessen, den Feind mittels psychologischer Kriegsführung in die Knie zu zwingen. Man strebte dabei auch an, die Zivilbevölkerung des Gegners auf die eigene Seite zu bringen und dem Gegner damit den Boden zu entziehen.
An diesen Prinzipien hat sich bis heute nicht viel geändert, auch wenn beim Streitkräfteeinsatz meistens nicht mehr von Kriegsführung die Rede ist. Dennoch sind Mittel (z. B. Produktion) und Möglichkeiten (z. B. die Art der Verbreitung) in der modernen Medienwelt für eigene Kräfte sowie für gegnerische Konfliktparteien in den letzten Jahren qualitativ und quantitativ enorm angewachsen.
Militärische Ressourcen zum Einsatz in Krisenherden sind nicht unbegrenzt vorhanden. Ganz allgemein wird daher PSYOPS international unterhalb der strategischen Ebene mit eigenen Verfahren nicht nur als psychologische Kriegsführung begleitend zu Kampfhandlungen (Combat PSYOPS - CPO) eingesetzt. Vielmehr werden PSYOPS-Methoden für Informationskampagnen, die einen schrittweisen Ausbau sowie die Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes (für die dort eingesetzten Soldaten) in Einsatzräumen von friedensunterstützenden Operationen gewährleisten sollen (Crisis Response PSYOPS - CRPO), verwendet. Letztendlich geht es immer darum, durch eine herbeigeführte positive Veränderung der Wahrnehmung, der Einstellung und des Verhaltens von Zielgruppen die Basis für einen schrittweisen Abzug der internationalen militärischen Kräfte bei gleichzeitiger Übertragung von Verantwortung an lokale Behörden und Sicherheitskräfte zu schaffen.
Genau dies ist das Handlungsfeld für PSYOPS in einem Szenario wie im Kosovo.
PSYOPS in der Operationsführung
Strategische Vorgaben der NATO für die Balkanregion werden durch die militärische Führung von KFOR in operative Maßnahmen für eine Friedensunterstützung im Kosovo umgesetzt. Dies kann sowohl durch Einsatz von Truppen als auch durch so genannte "nicht-kinetische" Operationen (engl. "Non-Kinetic Operations" - Operationen, deren Wirkung auf psychischen, und nicht auf physischen, Kräften beruht), die im Grunde auf "Soft Power" ("sanfter Gewalt" - in diesem Fall Beeinflussung von Zielgruppen ohne Einsatz von physischer Gewalt) beruhen, erfolgen. Die Führung von KFOR hat, wie auch schon in Afghanistan (ISAF) den Versuch unternommen, alle nicht-kinetischen Elemente (Organisationseinheiten, die auf der Basis von "Soft Power" im oben genannten Sinn operieren) im Hauptquartier unter einem gemeinsamen Dach (Joint Effect Center - JEC) zu vereinen. Neben PSYOPS waren dies noch die Bereiche CIMIC (Civil Military Cooperation) und LMT (Liaison Monitoring Teams).
Österreicher bei PSYOPS im HQ KFOR
Die PSYOPS-Abteilung der KFOR gliedert sich in verschiedene Unterelemente, von denen in der Folge die wichtigsten dargestellt werden.
Die Medienproduktionsstelle (PDC) bildet den größten Teilbereich von PSYOPS im KFOR Hauptquartier. Das PDC beheimatet drei Viertel des gesamten Personals der Abteilung. Es wurde in den letzten Jahren von einem österreichischen Team, bestehend aus einem Offizier und einem Unteroffizier, geführt. Die jeweiligen Referatsleiter für die Bereiche TV, Radio und Print (Druckmedien) werden multinational vergeben. Im Frühjahr 2009 waren dies ein englischer Zivilist für Radio sowie Unteroffiziere aus Rumänien und Spanien für TV und Print. Die weiteren etwa 40 Arbeitsplätze (Positionen) werden von lokalen Vertragsangestellten (meist Kosovo-Albaner und Kosovo-Serben) mit einschlägiger Ausbildung in der Medienproduktion besetzt.
PSYOPS-Produkte
Sobald die Informationsweitergabe zur Beeinflussung der Bevölkerung oder Teilen davon für eine militärische Auftragserfüllung nötig wird, erhält PSYOPS den Auftrag, abgestützt auf bereits laufende oder angeordnete Medienkampagnen und Grundlagen (z. B. Kernbotschaften) Produkte zu erstellen. Diese werden nach interner Prüfung dem Kommandanten von KFOR zur Genehmigung vorgelegt. Jeder neue KFOR-Kommandant wählt sich gleich nach der Kommandoübernahme ein Thema, das das Leitmotiv seiner Amtszeit sein soll. Dieses Thema, verschriftlicht durch einen Slogan, findet sich in der Regel auch auf allen PSYOPS-Produkten wieder. Generalleutnant Giuseppe Emilio Gay (Italien), Commander KFOR (COM KFOR) vom Herbst 2008 bis Ende August 2009, ordnete an, alle seine Initiativen mit dem Slogan "Unity of Effort" (sinngemäß: "Mit vereinten Kräften") sowie mit dem offiziellen KFOR-Logo zu versehen.
Das PDC erstellt analog der Aufbauorganisation Produkte für Fernsehen (TV), Radio, Printmedien und Internet.
Der Teilbereich "Radio" verfügt bei KFOR sogar über einen eigenen Sender - "Radio K4", der in albanischer und serbischer Sprache rund um die Uhr sendet. Die PSYOPS-Botschaften werden durch Kurzspots (Jingles) vermittelt (z. B. "Toleranz bringt mehr als Gewalt"). Zusätzlich werden die KFOR-Jingles auch über öffentliche und private Radiosender ausgestrahlt, denen die Sendezeiten auf vertraglicher Basis abgegolten werden.
Das Kommunikationsmittel mit der größten Reichweite im Kosovo ist das Fernsehen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit verbringt die Masse der Bevölkerung einen Großteil der Zeit vor dem Fernseher. Das bedeutet, dass dieses Medium für die Zielgruppen sehr stark zur Informationsgewinnung (über Nachrichtensendungen, Dokumentationen, Werbung, …) genutzt wird. Daher hat PSYOPS ein Hauptaugenmerk auf die Produktion und Bereitstellung von TV-Spots gelegt. Die Ausstrahlung der PSYOPS TV-Clips erfolgt über zivile Sender. Ein eigener TV-Sender ist aufgrund mangelnder eigener Kapazitäten im Betrieb zu teuer und zu aufwändig.
Bei der Nutzung der Printmedien steht dem PDC ein sehr breites Spektrum zur Verfügung. Es umfasst Plakatwände, Zeitungsinserate und Handzettel bis hin zu einer eigenen Jugendzeitschrift namens "For You". Auch werden öffentliche Verkehrsmittel (z. B. Busse) als "Medienkanäle" zum Transport von Botschaften an die Bevölkerung verwendet.
Plakate und Zeitungen spielen im Alltag ebenfalls eine große Rolle. Grundsätzlich werden die Printprodukte, wie auch die TV- und Radioproduktionen, in englischer Sprache erstellt und durch den COM KFOR in einem Genehmigungsverfahren (Approval Process) persönlich genehmigt (Stand: April 2009). Anschließend erfolgt eine Übersetzung in die offiziellen Landessprachen Albanisch und Serbisch. Eine Herausforderung stellen immer wieder die Übersetzungen in die Landessprachen dar. Hier kommt es besonders auf das Fingerspitzengefühl und das Hintergrundwissen der Übersetzer an (Stichwort "Interpretation" versus "Translation").
PSYOPS-Kampagnen versuchen, bei der/den Zielgruppe(n), durch bestimmte Bild/Text/Ton-Mitteilungen, bestimmte Wahrnehmungen und Gedankenabläufe zu erzeugen, um so eine positive Verhaltensänderung/Beeinflussung zu erreichen. Hierbei wurde sehr darauf geachtet, dass Meldungen nur in positiver Form (Negativbotschaften oder abschreckende Bilder werden vermieden) verwendet wurden. Im März 2009 wurden z. B. im Zuge einer Aktion zur Förderung der Gewaltlosigkeit Zitate von im Land sehr bekannten Persönlichkeiten veröffentlicht, die sich mit dem Thema des Gewaltverzichtes beschäftigen. Sehr guten Erfolg konnte man u. a. mit einem Zitat von John Lennon ("If everyone demanded peace instead of another television set, then there would be peace.") erzielen, das über mehrere Wochen in Zeitungen in den Landessprachen publiziert wurde. Um zu überprüfen, ob die Botschaft(en) die Zielgruppe(n) erreicht Hat (haben), werden laufend Umfragen auf verschiedenen Ebenen durchgeführt. Hiezu verfügt PSYOPS über eigene "Tactical PSYOPS Teams" (TPT), die den direkten Kontakt zu den Zielgruppen halten. Zusätzlich können Erhebungen über die LMT in Auftrag gegeben werden. Bei Kampagnen größeren Ausmaßes werden sogar Verträge mit Marktforschungsinstituten abgeschlossen, um so die Wirksamkeit von Informationsoperationen (also nicht nur PSYOPS-Kampagnen) feststellen zu können.
Resümee
Das Aufgabengebiet bei Psychological Operations in Auslandsmissionen gehört zu den spannendsten und zukunftsträchtigsten der nicht-kinetischen Operationen von Streitkräften, wobei mit verhältnismäßig wenigen Mitteln und Humanressourcen kann viel erreicht werden. Bei KFOR besetzt das Österreichische Bundesheer, mit dem Leiter der Produktionsstelle und seinem Administrationsunteroffizier, zwei Arbeitsplätze mit besonders interessanten Aufgaben. Wünschenswert wäre ein weiterer Ausbau der Ressourcen durch das Bundesheer im Bereich PSYOPS (zumindest auf der militärstrategischen und operativen Führungsebene), da diese Art der Operationsunterstützung helfen kann, massiv Geld einzusparen, sondern so wird auch Sicherheit in den Köpfen der Menschen erzeugt, anstatt diese Sicherheit vorrangig über Truppenpräsenz zu bewerkstelligen. PSYOPS versteht sich darüber hinaus primär als Teil des Truppenschutzes, da eigene (aber auch öffentlich-rechtliche oder private) Medien helfen können, ein positives Bild der im Einsatz befindlichen Kräfte zu zeichnen und über längere Zeit aufrecht zu erhalten.
Autor: Oberstleutnant dhmfD Mag. Andreas Kastberger, Jahrgang 1968. Ausmusterung an der Theresianischen Militärakadmie 1990, bis 1998 Verwendungen als Zugs- und Kompaniekommandant im Ausbildungsbetrieb in Salzburg, Studium der Pädagogik und Politikwissenschaft an der Universität Salzburg, 1998 bis 1999 Lehrgangsleiter am Stabsunteroffizierslehrgang an der Heeresunteroffiziersakademie (HUAk), seit 1999 Referatsleiter Pädagogik an der Heeresunteroffiziersakademie, 2003 bis 2004 Dienstverwendungen als Militärpädagoge an der Landesverteidigungsakademie und im Führungsgrundgebiet 7 (Ausbildung) des Führungsstabes im Bundesministerium für Landesverteidigung, Auslandseinsätze als CIMIC-Offizier Brigade bei KFOR/AUCON 5 und PSYOPS CHIEF PDC KFOR/AUCON 19 von Dezember 2008 bis März 2009.