Psychologie: Psychologisch fit für den Auslandseinsatz
Im Dezember 2009 kehrten die letzten österreichischen SoldatInnen aus dem Tschad zurück. Insgesamt beteiligten sich rund 1 700 Angehörige des Bundesheeres an diesem Einsatz, der - trotz aller Kritik im Vorfeld - ein Erfolg wurde. Neben vielen anderen Faktoren ist dieser Erfolg vor allem dem "Faktor Mensch" zuzuschreiben: Unter teils extremen Umweltbedingungen und in einer Region, die zu den krisengeplagtesten der Welt zählt, erfüllten unsere SoldatInnen anspruchsvolle Aufträge. Um solche Anforderungen bewältigen zu können bedarf es - ob im Tschad oder anderen Einsatzräumen - nicht nur einer guten Ausbildung und einer guten körperlichen Verfassung, sondern auch guter psychologischer Grundvoraussetzungen. Diese Tatsache wurde bereits im Oktober 1978 erkannt, nachdem ein österreichischer Soldat auf den Golanhöhen zwei seiner Kameraden erschoss, einen weiteren schwer verletzte und anschließend versuchte, sich selbst das Leben zu nehmen.
Das psychologische Auswahlverfahren
Als Reaktion darauf wurde die psychologische Eignungsüberprüfung für Auslandseinsätze eingeführt. In diesem zweitägigen Auswahlverfahren werden Auslandseinsatz-BewerberInnen auf ihre psychische Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit, soziale Kompetenz und Leistungsbereitschaft überprüft. Die Untersuchung beginnt mit einer psychologischen Testung, um sprachliche Fähigkeiten, Gedächtnis, Konzentration und schlussfolgerndes Denken zu erfassen - allesamt Voraussetzungen, um Aufträge entsprechend umsetzen zu können. Außerdem werden Fragebögen bearbeitet, die Aussagen über Persönlichkeit, psychische Gesundheit und soziales Umfeld der BewerberInnen zulassen: Die Bewährung im Auslandseinsatz ist auch davon abhängig, wie man mit psychischen Belastungen umgehen kann und wie "vorbelastet" man ist, oder mit den Worten erfahrener Peacekeeper: "Jeder nimmt seinen Rucksack in den Einsatz mit". Dieser Rucksack kann zu schwer werden, wenn zu den Einsatzanforderungen z. B. Probleme mit Bezugspersonen in der Heimat hinzukommen. Daher ist es wichtig, den Auslandseinsatz gut zu planen und mit den Angehörigen abzustimmen. In schwierigen Lebensphasen, z. B. wenn eine wichtige Bezugsperson ernsthaft erkrankt ist, kann es daher auch besser sein, den Einsatz auf später zu verschieben. Ansonsten läuft man nicht nur Gefahr, unnötigen psychischen Belastungen ausgesetzt zu sein, sondern auch den Auslandseinsatz frühzeitig abbrechen zu müssen. Die im Einsatzraum verbleibenden KameradInnen sind dann unter Umständen gezwungen, die Lücke zu füllen und eine erhöhte Arbeitsbelastung zu tragen.
Belastungsphase
Nach der Testung folgt eine neunstündige Belastungsphase, während der Einzel- und Gruppenaufgaben in einem Schutzraum bearbeitet und die BewerberInnen von einem/einer erfahrenen Soldaten/in beurteilt werden. Dies betrifft insbesondere das Verhalten im Team: Da das Leben in einem Camp nur wenig Möglichkeiten für einen sozialen Rückzug lässt und viele Aufträge nur gemeinsam bewältigt werden können, handelt es sich bei der Teamfähigkeit um eine Kernkompetenz der BewerberInnen für den Auslandseinsatz. Nach der Belastungsphase erfolgt eine neuerliche Testung: Aus diesen Ergebnissen kann abgeleitet werden, ob ein Bewerber/eine Bewerberin auch unter ungünstigen Bedingungen, insbesondere unter Schlafentzug, psychisch leistungsfähig bleibt. Auch hierbei handelt es sich um eine Schlüsselkompetenz für den Auslandseinsatz: So mussten im Tschad beispielsweise über mehrere Wochen tagsüber Kraftfahrzeuge instandgesetzt, in den folgenden Nächten Sicherungsaufgaben wahrgenommen und bereits nach wenigen Stunden Schlaf wieder Aufträge in den Werkstätten bewältigt werden.
Psychologisches Gespräch
Die Eignungsüberprüfung wird durch ein Gespräch mit einem/einer PsychologIn abgeschlossen. Dabei wird auch auf das Thema "Volksdroge Nr. 1" - Alkohol" näher eingegangen: Übermäßiger Alkoholgenuss und Konsum in unangebrachten Situationen (z. B. am Arbeitsplatz) beeinträchtigen die psychische Einsatzbereitschaft. Gefordert wird daher ein bewusster Umgang mit Alkohol - und zwar auch in der Freizeit, denn es gilt: Im Einsatz ist man rund um die Uhr Soldat!
Abschließend erfahren die BewerberInnen das Ergebnis der Eignungsüberprüfung. In der Regel gelingt es den PsychologInnen das Untersuchungsergebnis nachvollziehbar und verständlich zu erklären. In nur wenigen Fällen wird die psychologische Untersuchung zum Stolperstein und Teilnehmer sind enttäuscht. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass es letztlich um die eigene Sicherheit und Gesundheit und die der KameradInnen geht.
Von den knapp 3 000 SoldatInnen, die jährlich untersucht werden, erhalten aber rund 90 Prozent ihr "Pickerl" für den nächsten Auslandseinsatz.
Autor: Mag. Wolfgang Prinz